Eigenkündigung nach einem halben Jahr in Frage gestellt - keine Verwirkung

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 06.12.2017
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht2|3290 Aufrufe

1. Ein Arbeitnehmer, der die Rechtsunwirksamkeit einer von ihm selbst erklärten Kündigung geltend machen will, ist nicht an die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG gebunden.

2. Das Recht eine Klage zu erheben, kann verwirkt werden mit der Folge, dass eine dennoch erhobene Klage unzulässig ist. Dies kommt nur in Betracht, wenn der Anspruchsteller die Klage erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums erhebt und zusätzlich ein Vertrauenstatbestand beim Anspruchsgegner geschaffen worden ist, dass er gerichtlich nicht mehr belangt werde. Dabei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes das Interesse des Berechtigten an der sachlichen Prüfung des von ihm behaupteten Anspruchs derart überwiegen, dass dem Gegner die Einlassung auf die nicht innerhalb angemessener Frist erhobene Klage nicht mehr zumutbar ist.

So die beiden ersten Leitsätze eines aktuellen Urteils des Zweiten Senats des BAG.

Mit Schreiben vom 6.3.2015 erklärte die seit 1992 bei der Beklagten beschäftigte Klägerin ihre Eigenkündigung. Die Beklagte bestätigte drei Tage später die „fristgemäße Kündigung“ zum 30.9.2015 und stellte die Klägerin bis zu Ende des Arbeitsverhältnisses frei.

Ende Juli 2015 wurde für die Klägerin, die zwei Jahre zuvor wegen einer paranoiden Schizophrenie stationär behandelt worden, danach aber wieder arbeitsfähig war, eine Betreuerin u.a. zur Vertretung vor Gerichten bestellt. Diese erhielt am 25.8.2015 Kenntnis von der Kündigung. Die Betreuerin teilte der Beklagten am 1.9.2015 mit, die Klägerin sei im Zeitpunkt der Abfassung der Kündigung nicht geschäftsfähig gewesen. Eine ärztliche Stellungnahme der behandelnden Klinik, dass man fest davon ausgehe, dass zum Zeitpunkt der Kündigung keine Geschäftsfähigkeit vorgelegen habe und die Klägerin in absehbarer Zeit wieder arbeitsfähig sei, erhielt die Beklagte mit Schreiben vom 9.9.2015. Diese übersandte der Klägerin am 11.9.2015 eine Kopie ihrer Kündigung.

Das BAG hat den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG Berlin-Brandenburg zurückverwiesen. Die auf Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses gerichtete Klage habe nicht innerhalb der dreiwöchigen Frist des § 4 Satz 1 KSchG erhoben werden müssen. Auch Verwirkung (§ 242 BGB) sei nicht eingetreten. Das LAG müsse jedoch klären, ob die Klägerin im Zeitpunkt der Erklärung geschäftsunfähig oder ob ihre Kündigung wirksam war.

BAG, Urt. vom 21.9.2017 - 2 AZR 57/17, BeckRS 2017, 131403

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2 Kommentare

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"Eigenkündigung nach mehr als zwei Jahren in Frage gestellt - keine Verwirkung"

Im März 2015 hat sie gekündigt, im Oktober 2015 wurde die Nichtigkeit der Kündigung außergerichtlich geltend gemacht und im Dezember 2015 die Klage erhoben. Scheint mir weniger als zwei Jahre.

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