Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 12.12.2017
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|1699 Aufrufe

Tja. Der Verurteilte war sich nicht so sicher. Erst wollte er eine Revision, dann nicht mehr und dann doch wieder. Darauf hatte der BGH aber "keine Lust":

Das Landgericht hat am 2. Juni 2017 die Unterbringung des Beschuldigten
in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Gegen dieses Urteil legte der Verteidiger des Angeklagten Revision ein.
Mit Schreiben vom 7. Juli 2017, beim Landgericht eingegangen am 10. Juli
2017, nahm der Beschuldigte die Revision zurück und erklärte, dass er das
„Urteil vom 2. Juni 2017 (…) anerkenne“ und „explizit nicht in Revision gehen“
wolle.

Mit Schreiben vom 18. Juli 2017, beim Landgericht eingegangen am
21. Juli 2017, teilte der Beschuldigte mit, dass er den „Revisionsantrag“ nunmehr
„doch aufrechterhalten möchte“ und fügte hinzu, dass er „zur Not“ erneut
Revision einlege.
Mit am 24. Juli 2017 beim Landgericht eingegangenem
Schreiben vom 20. Juli 2017 teilte der Verteidiger mit, dass das Rechtsmittel
nicht zurückgenommen werde. Mit Schriftsatz vom 21. August 2017 begründete
der Verteidiger die Revision fristgemäß.

1. Bei dieser Sachlage ist eine feststellende Klärung der Wirksamkeit der
Revisionsrücknahme durch förmliche Entscheidung des Rechtsmittelgerichts
angezeigt (vgl. Senat, Beschluss vom 30. November 2005 – 2 StR 522/05,
BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 11; BGH, Beschluss vom 15. Dezember
2015 – 4 StR 491/15, NStZ-RR 2016, 180, 181). Der Beschuldigte hat mit
seinem Schreiben vom 7. Juli 2017 die zuvor eingelegte Revision wirksam
zurückgenommen (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO).

a) Die Rücknahmeerklärung des Beschuldigten wahrt die hierfür erforderliche
Form (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 302 Rn. 7 mwN). Der
Inhalt der Erklärung ist zweifelsfrei auf die Beendigung des Revisionsverfahrens
und den Eintritt der Rechtskraft des landgerichtlichen Urteils gerichtet.

b) Der Beschuldigte war bei der Abgabe seiner Rücknahmeerklärung
verhandlungs- und damit prozessual handlungsfähig.

aa) Die prozessuale Handlungsfähigkeit setzt bei Abgabe einer Rechtsmittelrücknahmeerklärung
voraus, dass der Beschuldigte die Tragweite seiner
Erklärung erkennt. Der Beschuldigte muss sich in einem Zustand geistiger
Freiheit und Klarheit befinden, in dem er seine Interessen vernünftig abwägen
und wahrnehmen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2015 – 4 StR
491/15, aaO; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 302 Rn. 8a). Eine etwaige
Geschäfts- oder Schuldunfähigkeit des Beschuldigten schließt seine prozessuale
Handlungsfähigkeit nicht zwingend aus. Die Annahme einer Unwirksamkeit
der Rücknahmeerklärung kommt erst in Betracht, wenn hinreichende Anhaltspunkte
dafür vorliegen, dass er bei Abgabe der Erklärung nicht in der Lage war,
Bedeutung und Tragweite der Rechtsmittelrücknahme zu erfassen (vgl. Senat,
Beschluss vom 28. Juli 2004 – 2 StR 199/04, NStZ-RR 2004, 341; MeyerGoßner/Schmitt,
aaO, § 302 Rn. 8a). Zweifel an der prozessualen Handlungsfähigkeit
gehen hierbei zu Lasten des Beschuldigten (vgl. Senat, Beschluss
vom 28. Juli 2004 – 2 StR 199/04, aaO; BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2007
3 StR 368/07).

bb) Gemessen hieran hat der Senat keine Zweifel an der Verhandlungsund
prozessualen Handlungsfähigkeit des Beschuldigten bei Abgabe der Rücknahmeerklärung.
Das handschriftlich gefertigte Schreiben vom 7. Juli 2017 enthält keine
Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte Inhalt und Bedeutung der Rücknahmeerklärung
vor dem Hintergrund der prozessualen Lage verkannt haben
könnte. Unter Bezugnahme auf die durch seinen Verteidiger eingelegte Revision
ist die Erklärung inhaltlich und sprachlich präzise gefasst, wobei der
Beschuldigte das zutreffende Aktenzeichen wiedergibt. Durch die Formulierung
bringt der Beschuldigte seinen Willen zum Ausdruck, das Revisionsverfahren zu
beenden und die Rechtskraft des landgerichtlichen Urteils herbeizuführen.

Das sachverständig beratene Landgericht hat zwar festgestellt, dass der
Beschuldigte an einer psychischen Erkrankung in Form einer bipolaren affektiven
Störung leidet, die mit wahnhaftem Erleben einhergeht, das die Bereiche
Sexualität und Gewalt umfasst; der Beschuldigte litt unter Vergewaltigungsfantasien,
die zum Tatzeitpunkt zu einer Aufhebung der Einsichtsfähigkeit geführt
haben. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Beschuldigte bei Abgabe der
Rechtsmittelrücknahmeerklärung – wie vom Verteidiger in seinem Schriftsatz
vom 12. Oktober 2017 behauptet – in einem wahnhaften Zustand befunden
habe und deshalb nicht in der Lage gewesen sei, die Tragweite seiner Prozesserklärung
zu erkennen, bestehen hingegen nicht.

2. Die wirksame Rücknahmeerklärung ist nach ihrem Eingang bei Gericht
unwiderruflich und unanfechtbar geworden
(vgl. Senat, Beschlüsse vom
16. Dezember 1994 – 2 StR 461/94, NStZ 1995, 356, 357; vom 28. Juli 2004
2 StR 199/04, aaO).

3. Die von dem Beschuldigten (hilfsweise) erneut eingelegte Revision ist
unzulässig
, da eine wirksame Rücknahmeerklärung regelmäßig den Verzicht
auf die Wiederholung des Rechtsmittels enthält (vgl. Senat, Beschluss vom
28. Juli 2004 – 2 StR 199/04, aaO mwN; BGH, Beschluss vom 6. Dezember
2016 – 4 StR 558/16).

BGH, Beschluss vom 17.10.2017 - 2 StR 410/17

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen