Arzthaftung: Ärztliche Einstandspflicht bei unterlassener postoperativer Röntgenkontrolle für Befunderhebungsfehler nachbehandelnder Ärzte

von Dr. Michaela Hermes, LL.M., veröffentlicht am 15.12.2017
Rechtsgebiete: Weitere ThemenMedizinrecht|3511 Aufrufe

Unvollständige Dokumentation, keine Röntgenkontrolle nach der Operation. Mit der Frage des Umfangs der Einstandspflicht eines Klinikarztes befasste sich das Oberlandesgericht (OLG) Dresden, Urteil v. 29.8.2017 – 4 U 401/17, BeckRS 2017, 123097. Die Einstandspflicht des Arztes, der postoperativ behandlungsfehlerhaft eine Röntgenkontrolle unterlasse, umfasse nicht weitere Befunderhebungsfehler der nachbehandelnden Ärzte, entschieden die Richter.

Der Fall

Die Klägerin ließ sich in dem beklagten Krankenhaus die Rotatorenmanschette (Sehnenhaube) im Bereich der Schulter operieren. Durchgeführt wurde die Operation mittels eines sogenannten „Swift-Lock Anker“. In dem Arztbrief des Krankenhauses stand nichts über diese Operationsmethode.

Direkt nach der Operation sei es zu einer Dislokation der Anker gekommen, behauptete die Klägerin. Die hier unterlassene postoperative Röntgenkontrolle hätte, nach Auffassung der Klägerin, die fehlgeschlagene Behandlung rechtzeitig aufgedeckt. Erst sechs Monate später wurde von einem niedergelassenen Radiologen ein MRT gemacht. Der Arzt war mit der Operationsmethode nicht vertraut und wertete das MRT fehlerhaft aus.

Das OLG Dresden wies die Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld ab.

Das Gericht war nicht überzeugt, dass mit überwiegender, also mehr als fünfzigprozentiger Wahrscheinlichkeit bei einer durchgeführten postoperativen Röntgendiagnostik eine Ankerdislokation aufgefallen wäre (vgl. § 630h Abs. 5 Satz 2 BGB). Denn es wäre auch möglich, dass sich der Anker nicht in der Klinik, sondern erst etwa sechs bis acht Wochen später verschoben hätte. Bei der unterlassenen Röntgenkontrolle hätte es sich lediglich um einen einfachen Sorgfaltspflichtverstoß ohne Beweislastumkehr gehandelt, argumentierten die Richter. Denn die Röntgenkontrolle hätte nicht unmittelbar, sondern auch später bei der stationären oder ambulanten Nachsorge durchgeführt werden können.

Wann muss ein Arztes, der postoperativ behandlungsfehlerhaft eine Röntgenkontrolle unterlässt, für etwaige spätere Fehler der nachbehandelnden Ärzte einstehen?

Das Gericht sagte: Die Einstandspflicht des erstbehandelnden Arztes, sofern er fehlerhaft behandelt habe,  umfasse regelmäßig auch die Folgen eines Fehlers des nachbehandelnden Arztes. Voraussetzung dafür sei aber, dass die Nachbehandlung durch den Fehler des ersten Arztes mit veranlasst worden sei. Denn der Patient müsse sich wegen eines durch den Behandlungsfehler des Erstbehandlers hervorgerufenen und von diesem zu verantwortenden schlechten Zustandes überhaupt erst in die Hände von nachbehandelnden Ärzten begeben.

Hier sah das Gericht keinen derartigen adäquaten Kausalzusammenhang. Die obersten Landesrichter waren der Auffassung, die Entscheidung des nachbehandelnden Radiologen, mit einer MRT-Untersuchung zu warten, sei unabhängig von einer postoperativen Röntgenkontrolle gewesen. Auch die fehlerhafte Auswertung des MRT sei nicht auf die unterbliebene Röntgenkontrolle zurückzuführen. Die Unkenntnis des nachbehandelnden Arztes über die Operationsmethode könnte nicht dem Klinikarzt zur Last gelegt werden. Der Radiologe hätte sich beim Krankenhaus über das „Swift-Lock Anker“-Verfahren erkundigen müssen, wenn dies für die Befundung wichtig gewesen war.  Ausdrücklich dazu das Gericht: „Regelmäßig schuldet er (der erstbehandelnde Arzt) über die Mitteilung des Entlassungsbefundes hinaus keine weitere Überwachung“. „Details der Primäroperation“ seien nicht mitzuteilen.

Hinweise für die Praxis

Was in einem Arztbrief stehen soll, ist inzwischen genau geregelt. Seit dem 01.10.2017  haben die Krankenhausgesellschaft, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der GKV-Spitzenverband (§ 39 Abs. 1a Satz 9 SGB V) in einem Rahmenvertrag genaue Vorgaben für ein Entlassmanagement festgelegt.

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