Autofahrt mit „Dublettenkennzeichen“ : Urkundenfälschung nur mit Stempelplakette - keine Steuerhinterziehung

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 16.12.2017
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|5190 Aufrufe

Nachfolgende Entscheidung des BGH ist etwas unübersichtich. Aber durchaus praxisrelevant. Es geht einerseits um falsch angebrachte Kennzeichen. Da fehlte es dem BGH an Feststellungen für eine Verurteilung wegen Urkundenfälschung. Zum anderen hat der BGH zum immer wieder einmal in einschlägigen Sachverhalten themtisierten Vorwurf der Steuerhinterziehung Stellung genommen:

a) Die Feststellungen belegen die Tatbestandsmerkmale der Urkundenfälschung
nicht. Denn danach hat der Angeklagte „Dublettenkennzeichen“ an
seinem Fahrzeug angebracht, also allein für ein anderes Fahrzeug ausgegebene
Kennzeichenmerkmale nach § 8 Abs. 1 Satz 2 FZV verwendet. Damit sind
die Voraussetzungen einer Urkunde im Sinne des § 267 StGB nicht dargetan.
Denn es ist – anders als in den Fällen 3 und 4 der Urteilsgründe, in denen für
ein anderes Fahrzeug ausgegebene Kennzeichen angebracht worden sind –
nicht festgestellt, dass die Kennzeichen amtliche Erklärungen verkörpert haben.
Zwar handelt es sich bei einem mit einer Stempelplakette der Zulassungsbehörde
versehenen, an dem Kraftfahrzeug, für das es zugeteilt ist, angebrachten
Kraftfahrzeugkennzeichen (§ 8 Abs. 1, § 10 Abs. 3 Satz 1 FZV) um
eine (zusammengesetzte) Urkunde im Sinne des § 267 StGB (vgl. BGH, Beschluss
vom 21. September 1999 – 4 StR 71/99, BGHSt 45, 197, 200 mwN
noch zu amtlichen Kennzeichen nach §§ 18, 23 StVZO; Fischer, StGB,
64. Aufl., § 267 Rn. 23). Nur das mit der Stempelplakette versehene Kennzeichen
verkörpert die Erklärung der Zulassungsbehörde als Ausstellerin, dass
das Fahrzeug unter diesem Kennzeichen für einen bestimmten, im Fahrzeugregister
eingetragenen Halter zum öffentlichen Verkehr zugelassen worden ist
(BGH, Urteile vom 7. September 1962 – 4 StR 266/62, BGHSt 18, 66, 70 und
vom 14. Mai 1987 – 4 StR 49/87, BGHSt 34, 375, 376 mwN). Fehlt eine solche
Stempelplakette, lässt sich dem bloßen Kennzeichen keine beweisbestimmte
und beweisgeeignete Erklärung der Zulassungsstelle entnehmen. Dann liegt
keine Urkunde im Sinne des § 267 StGB vor, sondern nur ein Kennzeichen im
Sinne der Strafvorschrift des § 22 StVG (BGH, Urteil vom 7. September 1962
4 StR 266/62, BGHSt 18, 66, 70). Dass auf den „Dublettenkennzeichen“ eine
Stempelplakette angebracht war, ist nicht festgestellt.

b) Die Annahme mehrerer selbständiger, real konkurrierender Taten in
den Fällen 6 bis 8, 12 und 13 hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung ebenfalls
nicht stand. Zwar ist das Landgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen,
dass durch das Zusammenfallen der tatbestandlichen Ausführungshandlungen
Tateinheit zwischen dem Gebrauchen einer unechten Urkunde und dem vorsätzlichen
Fahren ohne Fahrerlaubnis nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG sowie dem
vorsätzlichen Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz nach § 6 Abs. 1
PflVG besteht (BGH, Beschluss vom 2. Februar 1987 – 3 StR 486/86, BGHR
StGB § 267 Abs. 1 Konkurrenzen 1). Es hat aber übersehen, dass dann, wenn
der Täter schon beim Anbringen der Kennzeichen den Vorsatz hat, das Fahrzeug
im öffentlichen Straßenverkehr zu nutzen, der – gegebenenfalls mehrfache
– Gebrauch der unechten zusammengesetzten Urkunde sowie ihre Herstellung
eine tatbestandliche Handlungseinheit und damit nur eine Urkundenfälschung
darstellen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Mai 2014 – 4 StR 95/14,
wistra 2014, 349; vom 21. Mai 2015 – 4 StR 164/15, DAR 2015, 702; vom
26. Oktober 2016 – 4 StR 354/16, NStZ-RR 2017, 26, 27 und vom 15. Februar
2017 – 4 StR 629/16, StraFo 2017, 124). Das jeweils tateinheitliche Zusammentreffen
weiterer, auf der Fahrt begangener Delikte mit der einheitlichen Urkundenfälschung
hat zur Folge, dass sämtliche Gesetzesverstöße zu einer Tat
im materiell-rechtlichen Sinne verklammert werden (BGH, Beschlüsse vom
7. Mai 2014 – 4 StR 95/14; vom 21. Mai 2015 – 4 StR 164/15, jeweils aaO und
vom 28. Januar 2014 – 4 StR 528/13, NJW 2014, 871).
Würde das Anbringen der „Dublettenkennzeichen“ den Tatbestand der
Urkundenfälschung erfüllen – etwa weil sie auch mit einer Stempelplakette versehen
waren –, so bestünde zwischen dieser Tat und den Fahrten am 23., 24.
und 25. April 2016 Tateinheit, wenn der Angeklagte schon bei dem Herstellen
der zusammengesetzten Urkunde den Vorsatz gehabt hätte, das Fahrzeug im
öffentlichen Straßenverkehr zu nutzen. Entsprechendes würde auch gelten,
wenn sich das Anbringen der „Dublettenkennzeichen“ nur als Kennzeichenmissbrauch
gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StVG darstellt (vgl. BGH, Urteil
vom 7. September 1962 – 4 StR 266/62; BGHSt 18, 66, 71; König in
Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. § 22 StVG Rn. 10).

c) Die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung ist zu Unrecht erfolgt.
Das festgestellte Verhalten erfüllt nicht den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2
AO, da der Angeklagte gegen keine steuerliche Erklärungspflicht verstoßen hat.

aa) Das Landgericht beschränkt sich auf die Darstellung des Fahrens mit
einem unversteuerten Fahrzeug und der rechtlichen Würdigung, dies erfülle
den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO. Damit geht es ersichtlich – wenn
auch weder in den Urteilsgründen noch in der Liste der angewendeten Vorschriften
angegeben – von der Hinterziehung von Kraftfahrzeugsteuer aus. Gegen
welche gegenüber den Finanzbehörden bestehende Rechtspflicht zur Offenbarung
steuerlich erheblicher Tatsachen der Angeklagte verstoßen haben
soll, ist ebenfalls nicht dargelegt. Dies im Zusammenhang mit dem Abstellen
allein auf die Nutzung des Fahrzeugs erweckt den Eindruck, das Landgericht
könnte die bloße Nichtzahlung geschuldeter Steuern als tatbestandlich angesehen
haben. Eine Tathandlung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO begeht indes
nur derjenige, der die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche
Tatsachen in Unkenntnis lässt. Täter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen
gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO kann danach nur derjenige sein, der selbst
zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet ist
(BGH, Beschluss vom 10. August 2017 – 1 StR 573/16; Urteil vom 9. April 2013
1 StR 586/12, BGHSt 58, 218, 227, 231 mwN).

bb) Eine solche Erklärungspflicht bestand für den Angeklagten im Tatzeitraum
nicht
. Auf die Frage, ob der Verstoß gegen eine solche Pflicht überhaupt
von der Anklage als Teil der einheitlichen prozessualen Tat erfasst worden
wäre, kam es daher nicht mehr an.
Da der Angeklagte mit seinem Fahrzeug auf öffentlichen Straßen im Inland
ohne die verkehrsrechtlich vorgeschriebene Zulassung gefahren ist, liegt
zwar eine widerrechtliche und damit steuerbare Benutzung gemäß § 1 Abs. 1
Nr. 3 i.V.m. § 2 Abs. 5 KraftStG vor. Gemäß § 7 Nr. 3 KraftStG ist der Angeklagte
als derjenige, der mit dem Fahrzeug gefahren ist, auch der Steuerschuldner
der mit Beginn der Steuerpflicht entstehenden Kraftfahrzeugsteuer,
§ 6 KraftStG.
Während die Kraftfahrzeugsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 4 KraftStG
für inländische Fahrzeuge eine öffentlich-rechtliche Erlaubnis zum Gegenstand
hat und die Erklärungspflicht an diese Erlaubnis anknüpft (§ 3 Kraftfahrzeugsteuer-Durchführungsverordnung
[KraftStDV] in der bis zum 19. Juli 2017 gültigen
Fassung), gilt das für den Ersatztatbestand der widerrechtlichen Benutzung
nicht (vgl. BFH, Urteil vom 27. Juni 1973 – II R 179/71, BFHE 110, 213). Eine
an den Realakt der Benutzung als die Steuerpflicht auslösendes Moment anknüpfende
Erklärungspflicht lässt sich weder dem Gesetz noch der zum Tatzeitpunkt
gültigen Fassung der KraftStDV entnehmen. Die an der Einfuhr orien-
tierte Steuererklärungspflicht nach § 11 KraftStDV a.F. betrifft nur ausländische
Fahrzeuge, mithin den Steuergegenstand nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG, findet
aber – auch über die sich nur auf die Festsetzung und Erhebung unter den Voraussetzungen
des § 16 Abs. 1 Satz 1 beziehende Verweisung des § 16 Abs. 1
Satz 2 der KraftStDV – keine Anwendung für die widerrechtliche Benutzung.
Insoweit bestand zum Tatzeitpunkt eine Steuer-, aber keine Erklärungspflicht
(Bruschke, Grüne Reihe: Grunderwerbsteuer, Kraftfahrzeugsteuer und andere
Verkehrssteuern, 7. Aufl., 3.5.5.1, S. 315; Mayer in Heinz/Kopp/Mayer, Verkehrssteuern,
4. Aufl., S. 317; Mößlang, NWB Nr. 51 vom 15. Dezember 1986,
Fach 8b, S. 290; Spatscheck/Fraedrich, Steueranwaltsmagazin 2007, 162, 166;
Weyand, NZV 1988, 209, 211; a.A. Hellmann in Hübschmann/ Hepp/Spitaler,
AO/FGO, 243. Lieferung, § 370 AO Rn. 310, freilich ohne Begründung).
Eine solche Erklärungspflicht ist erst mit Wirkung zum 20. Juli 2017
– mithin nach den Taten – durch § 15 Abs. 1 KraftStDV statuiert worden, wonach
bei widerrechtlicher Benutzung unverzüglich eine Steuererklärung abzugeben
ist. Ob dies im Hinblick auf den Verordnungscharakter eine Pflicht im
Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO begründen kann, war hier nicht zu entscheiden.

cc) Mangels Erklärungspflicht hat der Angeklagte nicht den Tatbestand
des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO verwirklicht und sich nach dieser Vorschrift nicht
strafbar gemacht.
An einer solchen Entscheidung der Rechtsfrage ist der Senat auch nicht
durch die Entscheidungen des 4. Strafsenats vom 13. November 1959 – 4 StR
301/59; vom 1. August 1962 – 4 StR 209/62, BGHSt 17, 399; des 5. Strafsenats
vom 22. Dezember 1959 – 5 StR 570/59; des 1. Strafsenats vom 6. Dezember
1960
1 StR 520/60 und vom 4. Februar 1968 – 1 StR 276/68 gehindert. Diese
ergingen sämtlich noch zu §§ 396, 402, 404 Reichsabgabenordnung, wonach
allein das Bewirken einer Steuerverkürzung schon tatbestandsmäßig war. Zudem
musste der 1. Strafsenat bei den anderen Senaten schon deshalb nicht
anfragen, weil er innerhalb des Bundesgerichtshofs für Steuerstrafsachen allein
zuständig ist (vgl. § 132 Abs. 3 Satz 2 GVG).

BGH, Beschl. v. 23.8.2017 - 1 StR 173/17

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