USA: Netzneutralität – der FCC-Chef wedelt mit dem Lichtschwert

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 17.12.2017

Die Federal Communications Commission (FCC) hat am 14.12.17 die bestehenden drei Grundregeln zur Sicherung der Netzneutralität wie erwartet aufgehoben. Vgl zur Vorgeschichte u.a. hier im Blog, in der MMR 2017, 69 f. und in der dt. Presse. Die Netzneutralität besagt als Prinzip, dass im Internet alle Datenpakete gleich behandelt werden. Um die Netzneutralität wird seit Jahren gerungen – besonders hier in den USA und in Europa. In der EU gilt seit zwei Jahren eine spezielle Verordnung.

Für Spott hat in den letzten Tagen ist ein kurzes Werbevideo des FCC-Vorsitzenden Paj gesorgt, in dem er u.a. mit einem Lichtschwert herumfuchtelt und als Weihnachtsmann auftritt. Das Video soll die extrem einfach gestrickte Botschaft vermitteln: “Mit der FCC-Entscheidung ändert sich für die Internetnutzer nichts.”

Postwendend kam die Antwort von “Hollywood” auf das Video. Lesenswert sind z.B. die Kommentare  vom Last Jedi Star Mark Hamill auf Twitter . Der FCC-Chef sei "zutiefst unwürdig", ein Lichtschwert zu schwingen. Weitere herbe Kritik gab es in der Washington Post.  

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

6 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Seit einem Jahr warnt die Presse unisono vor dem Beginn eines autoritären Zeitalters in den USA und anderswo unter Trump. Jetzt beendet ebendiese Regierung den Griff des Staates nach der Kontrolle über die wichtigste Kommunikations-Infrastruktur unserer Zeit. Sollte dies nicht zu einem allgemeinen Aufatmen bei allen Mahnern vor einem dystopischen Obrigkeitsstaat führen? Autoritäre Systeme zeigen sehr unterschiedliche Ausprägungen; eine Gemeinsamkeit ist jedoch, dass sie garantiert nicht Macht über das Internet abgeben. Zur Erinnerung: Die staatliche Kontrolle unter dem orwellschen Label "Netzneutralität" wurde 2015 unter Obama eingeführt, indem er die angeblich unabhängige FCC anwies, Regularien aus den 1930er-Jahren (wie symbolisch) auf das Internet anzuwenden, welche damals für die Monopolkontrolle im Bereich Telefone entwickelt wurden. Damit wurde die unter Bill Clinton entwickelte Praxis beendet, dem Internet möglichst unreguliert und ungestört eine organische, von staatlichen Eingriffen ungehinderte Entwicklung zu ermöglichen. War die Entwicklung des Internet bis 2015 so kümmerlich und enttäuschend, dass es der obrigkeitsstaatlichen Eingriffe von Obama bedurfte? War das Internet 2015 kaputt? Hat Obama mit seinem damaligen Eingriff auf irgendein Problem reagiert? War die Entwicklung des Internet an einem Endpunkt angelangt, oder stand sie sonst in irgendeiner Weise vor unüberwindlichen Schwierigkeiten, die staatliches Micromanagement erforderten? Meines Erachtens ist die aktuelle Entscheidung der FCC eine gute Nachricht für alle Mahner vor zu viel Macht des Staates; und hoffentlich auch für den normalen Nutzer.

0

Ist jede staatliche Machtausübung automatisch böse und abschaffenswert? In dem Fall können Sie gerne über die Abschaffung der Net Neutrality jubeln.

Aber auf welche Weise sollte der normale Nutzer etwas davon haben?

0

Gast schrieb:
Ist jede staatliche Machtausübung automatisch böse und abschaffenswert?

Äh - nein. Merkwürdige Frage...

Quote:
Aber auf welche Weise sollte der normale Nutzer etwas davon haben?

Puh, zurück zu den Basics? Also gut. Diese Hoffnung lässt sich theoretisch wie auch empirisch begründen:

  • Generell unterliegen Anbieter von Waren oder Leistungen in funktionierenden Märkten mit geringerer regulatorischer Dichte einem höheren Innovationsdruck. Dies kommt am Ende dem Kunden (hier: dem Internetnutzer) zugute, da die Anbieter um ihn konkurrieren müssen.
  • Im speziellen Fall Internet (vielleicht präziser WWW, aber lassen wir dies dahinstehen) sehen wir, wie das im ersten Vierteljahrhundert der signifikanten öffentlichen Nutzung funktionierte: Die Datenübertragungsraten an den Endpunkten sind förmlich explodiert (vom 28,8k-Modem zu Glasfaserverbindungen mit 100, 200 oder noch mehr MBit pro Sekunde); die Leitungskapazitäten sind im gleichen Maße hochgegangen; die Applikations-Vielfalt ebenso (E-Mail wurde mal als sensationelle Killer-App gefeiert); die Verfügbarkeit des Onlinezugangs immer und überall - vor allem drahtlos - ist ganz neu entstanden; die vorgenannten Aspekte strahlen auf quasi alle weitere Industrien und Geschäftsfelder aus und ermöglichen die Nutzung von Hebeleffekten hinsichtlich Effizienz und Effektivität; und vieles mehr. All dies wurde ermöglicht durch Milliardeninvestitionen der TK- und IT-Konzerne; und diese Investitionen wiederum durch die von US-Präsident Clinton kodifizierte und von Bush weitergeführte Zurückhaltung bei Besteuerung und Regulierung dieses Innovationstreibers.

Und die daraus resultierende Frage lautet: Warum soll man etwas reparieren, was überhaupt nicht kaputt ist...?

0

Gast schrieb:

Gast schrieb:
Ist jede staatliche Machtausübung automatisch böse und abschaffenswert?

Äh - nein. Merkwürdige Frage...

Quote:
Aber auf welche Weise sollte der normale Nutzer etwas davon haben?

Puh, zurück zu den Basics? Also gut. Diese Hoffnung lässt sich theoretisch wie auch empirisch begründen:

  • Generell unterliegen Anbieter von Waren oder Leistungen in funktionierenden Märkten mit geringerer regulatorischer Dichte einem höheren Innovationsdruck. Dies kommt am Ende dem Kunden (hier: dem Internetnutzer) zugute, da die Anbieter um ihn konkurrieren müssen.
  • Im speziellen Fall Internet (vielleicht präziser WWW, aber lassen wir dies dahinstehen) sehen wir, wie das im ersten Vierteljahrhundert der signifikanten öffentlichen Nutzung funktionierte: Die Datenübertragungsraten an den Endpunkten sind förmlich explodiert (vom 28,8k-Modem zu Glasfaserverbindungen mit 100, 200 oder noch mehr MBit pro Sekunde); die Leitungskapazitäten sind im gleichen Maße hochgegangen; die Applikations-Vielfalt ebenso (E-Mail wurde mal als sensationelle Killer-App gefeiert); die Verfügbarkeit des Onlinezugangs immer und überall - vor allem drahtlos - ist ganz neu entstanden; die vorgenannten Aspekte strahlen auf quasi alle weitere Industrien und Geschäftsfelder aus und ermöglichen die Nutzung von Hebeleffekten hinsichtlich Effizienz und Effektivität; und vieles mehr. All dies wurde ermöglicht durch Milliardeninvestitionen der TK- und IT-Konzerne; und diese Investitionen wiederum durch die von US-Präsident Clinton kodifizierte und von Bush weitergeführte Zurückhaltung bei Besteuerung und Regulierung dieses Innovationstreibers.

Und die daraus resultierende Frage lautet: Warum soll man etwas reparieren, was überhaupt nicht kaputt ist...?

In der Theorie hört sich das mit dem Innovationsdruck ja gut an, aber wie würde sich hier das praktisch auswirken? Das Internet hat zwischen 2015 und 2017 nicht stillgestanden, die Netzbetreiber hatten durchaus Gelegenheit, miteinander zu konkurrieren und zu innovieren. Was jetzt neu dazu gekommen ist, ist bloß die Frage, wie man am besten ausnutzen kann, dass man jetzt wieder diskriminieren darf.

Für andere Marktteilnehmer, die darauf angewiesen sind, möglichst reibungslos erreichbar zu sein, und die selbst wenig Einfluss darauf haben, weil es nicht ihre Netze sind, bedeutet es schlicht, dass es für Kleine schwerer wird, mit Großen im Wettbewerb zu bleiben. Die Deregulierung wird zu weniger Wettbewerb führen, nicht zu mehr Wettbewerb.

Dazu kommen politische Aspekte: Das Internet ist nämlich nicht bloß irgendein weiteres wirtschaftliches Betätigungsfeld. Für viele Menschen ist das Internet das wichtigste Medium, sowohl um sich zu informieren, als auch zu kommunizieren. Wenn die Erreichbarkeit im Internet in dritter Hand kommerzialisiert wird, hat das einen direkten Einfluss auf den Meinungsbildungsprozess. Damit führt die Deregulierung nicht nur zu weniger Wettbewerb, sondern auch zu weniger Demokratie.

Warum soll man etwas reparieren, was überhaupt nicht kaputt ist? Ja, richtig, das Internet hat auch mit net neutrality funktioniert, warum jetzt "reparieren"?

0

@ hshshs

Interessante Sichtweise, aber mich überzeugt sie nicht. Die Aufhebung der Netzneutralität ist Rücknahme staatlicher Regulierung - soweit ja. Aber das ist nicht gleichbedeutend mit einer Stärkung individueller Freiheit oder der Förderung von Innovation.

Nehmen Sie als Vergleich das Wettbewerbsrecht: Wären Absprachen, Boykotte usw. erlaubt, würden die großen, etablierten Unternehmen sich damit Konkurrenz vom Hals halten - zum Nachteil der Verbraucher und des Fortschritts. Die Netzneutralität ist eine Form des Wettbewerbsrechts. Große Telekomanbieter können jetzt Unternehmen benachteiligen: Ein Anbieter wie Netflix hätte vielleicht nicht entstehen können, wenn Telekom oder Kabel Deutschland zur Förderung ihrer Fernsehangebote Netflix-Übertragungen gestört oder gedrosselt hätte.

Mit dem politischen Schlag, den Sie 'reinbringen, können sich auch in dieser Richtung Geschmacklosigkeiten ergeben: Wenn Robert Mercer AT&T kauft, können Sie zukünftig in den USA nur noch Breitbart als Nachrichtenmedium aufrufen.

Freiheit, Freiheit, Freiheit - das klingt schön, aber die Freiheit des Einen ist immer die Unfreiheit des Anderen: Hier die Freiheit kommerzieller Interessen gegen die Freiheit, sich nach eigenem Gutdünken zu informieren und zu unterhalten.

0

Sehr geehrter Herr Leser, da haben Sie Recht - in mehrfacher Hinsicht. Langsamere Information ginge ja vielleicht noch - Löschen und Sperren sind da schon noch durchgreifender.

Kommentar hinzufügen