LG Bielefeld untersagt "abfindungsheld" verschiedene Werbeaussagen

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 18.12.2017
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht5|5056 Aufrufe

Markus Stoffels Blog-Beitrag über das legal tech "abfindungsheld.de" gehört zu den am meisten gelesenen Nachrichten im BeckBlog Arbeitsrecht 2017. Auf der Internetplattform können gekündigte Arbeitnehmer testen, ob ihnen eine Abfindung zusteht und wie hoch diese voraussichtlich ausfällt. Haben Nutzer das Programm durchlaufen, können sie die Sofortabfindung wählen und 65 Prozent ihrer erwarteten Abfindungssumme innerhalb von 24 Stunden nach erfolgreicher Prüfung ihrer Daten erhalten – so das Versprechen der Portalbetreiber.

Mit ihren Werbeslogans haben sich die Initiatoren des Portals aber nicht nur Freunde gemacht. Vieles schien ein wenig dick aufgetragen, manches gar wettbewerbswidrig. Und so hat das LG Bielefeld denn auch einstweilen einige Werbeaussagen untersagt, wie LegalTribuneOnline berichtet:

"Wir setzen Ihr Recht durch - Wenn Sie uns beauftragen, holen unsere Rechtsexperten Ihnen Ihre Abfindung. Wir ziehen bis vor Gericht, ohne dass Ihnen Kosten entstehen. Sie können sich zurücklehnen und entspannen" - die Aussage ist zur Überzeugung des Landgerichts irreführend, weil die rechtliche Prüfung der Kündigungsschutzansprüche nicht durch Mitarbeiter des Unternehmens, sondern durch Partneranwälte vorgenommen werde. Diese seien nicht - wie suggeriert werde - bloße Boten zur Einreichung der Klage, sondern formulierten diese auch selbst.

"Durch die Eingabe weniger Details" lasse sich für gekündigte Arbeitnehmer prüfen, in welcher Höhe ein Abfindungsanspruch bestehe und man könne eine "individuelle Kündigungsklage" erstellen lassen - auch dies sei irreführend, weil sich die Leistung der Internetseite auf eine Vorabprüfung der Erfolgsaussichten und die Vermittlung eines Rechtsanwalts beschränke. Dies ergebe sich aber erst aus den AGB.

"Günstiger als jeder Anwalt" - diese Aussage hielt den gestrengen Augen des Landgerichts ebenfalls nicht stand. Verfüge der Arbeitnehmer nämlich über eine Rechtsschutzversicherung oder habe er Anspruch auf  Prozesskostenhilfe, könne er seine Ansprüche ohne eigenes Kostenrisiko und zudem ohne Provision durch einen Rechtsanwalt geltend machen.

Ganz wenig Verständnis hatten die Richter schließlich für eine vermeintliche Kundenbewertung auf der Internetseite, die diese mit "Super Abwicklung - einfache Abwicklung dank meiner Rechtsschutzversicherung. Sogar die Selbstbeteiligung wurde übernommen. Klasse!" gelobt hatte. Da die Seite erst seit Juni 2017 online sei, könne dieses bereits vom 2. Juni 2017 datierende Lob nur Fake sein.

LG Bielefeld, Beschluss vom 1.8.2017 - 15 O 67/17

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5 Kommentare

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Aus dem KSchG wurde in der Praxis das AbfVG (Abfindungsvergleichsgesetz). Ist es eigentlich Betrug/Rechtsmißbrauch eine Kündigungsschutzklage zu erheben, aber eigentlich unter keinen Umständen mehr die Stelle und nur eine Abfindung zu wollen?

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Aber im Zusammenhang mit dem AGG soll es "Rechtsmißbrauch" sein, wenn man Geld statt Stelle will. Warum ist es im Bereich des KSchG dann nicht rechtsmißbrauchlich, Geld statt Stelle zu wollen? Wo ist das die Logik?

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Na ist doch klar, Kündigung kann ja jeden ereilen, das mit dem AGG ist ja theoretisch und im Ausnahmefall gut gemeint, in der Realität gibs das nicht, wo kämen wir denn da hin, wenn man sich jetzt gegen jede vermeintliche Diskriminierung zur Wehr setzen könnte und dann noch was bekommen würde

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weil ich bei einer kündigung etwas verliere,  was ich  mal hatte, nämlich eine stelle aus einem beiderseitigen vertrag, dem arbeitsvertrag...wegen des  freiwilligen verlustes gibt es  dann u.u. eine  abfindung..

während agg hopping unter bewerbungsmarathon zu mißbrauchszwecken anders gelagert ist...

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