Tests wegen Drogenkonsum ("motorische Tests") mitgemacht: Unverwertbar?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 26.12.2017
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht4|5547 Aufrufe

Da wird ein Betroffener von der Polizei angehalten. Polizei hatte irgendwie einen Drogenverdacht. Die Polizisten machten dann mal so die typischen "Drogen-Tests". Später kam raus: Drogenkonsum! Ist das verwertbar?

Die Verfahrensrüge, mit welcher die Revision unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von § 136a StPO, des fairen Verfahrens sowie des nemo-tenetur-Grundsatzes die Verwertung der Ergebnisse rügt, die aufgrund seiner Mitwirkung an den motorischen Tests erlangt worden sind, erweist sich indes als unbegründet. Die Erkenntnisse aus der Überprüfung der physischen Verfassung im Rahmen der Verkehrskontrolle unterliegen keinem Verwertungsverbot.
 
Der Angeklagte war im Rahmen einer Verkehrskontrolle angehalten worden, ohne dass er zuvor durch seine Fahrweise aufgefallen war. Anlässe waren vielmehr die Überprüfung der Winterbereifung sowie der Umstand, dass die Fahrzeugscheiben nur teilweise von einer Schneebedeckung befreit worden waren. Dem kontrollierenden Beamten fielen beim Angeklagten gerötete Bindehäute sowie geweitete Pupillen, ein leichter Alkoholgeruch und ein leichtes Schwanken beim Verlassen des Fahrzeugs auf. Der freiwillige Atemalkoholtest ergab jedoch keinen positiven Befund. Einen Urintest lehnte der Angeklagte ab, woraufhin der Beamte den Angeklagten unter Hinweis auf seine freiwillige Teilnahme zur Ausführung mehrerer motorischer Tests aufforderte. Als Grund hierfür gab er gegenüber dem Angeklagten an, dass dieser sich durch diese Tests sowohl beals auch entlasten könne. Ausweislich der Urteilsfeststellungen hegte zu diesem Zeitpunkt der kontrollierende Beamte noch keinen Verdacht der Verwirklichung einer Straftat, sondern nur einer Ordnungswidrigkeit.
 
Ergebnis des Tests waren diverse Auffälligkeiten wie verzögerte Lichtreaktion der Pupillen, starkes Lidflattern und Gleichgewichtsstörungen, woraufhin der Beamte dem Angeklagten den Verdacht einer Straftat nach § 316 StGB eröffnete und ihn nach Maßgabe des § 136 Abs. 1 StPO belehrte. Im weiteren Verlauf ordnete er - nachdem er zuvor vergeblich versucht hatte, den richterlichen Bereitschaftsdienst zu erreichen - eine Blutentnahme an. Im Zuge dieser fand eine weitere ärztliche Untersuchung statt, wobei die zuvor festgestellten Auffälligkeiten nur noch teilweise und in deutlich abgeschwächter Form festgestellt werden konnten. Der später ärztlicherseits festgestellte Untersuchungsbefund ließ sich sowohl mit einem vorherigen Drogenkonsum als auch einer nervösen Belastungsreaktion erklären.
 
Das Landgericht gründet seine Überzeugung von der Fahruntüchtigkeit des Angeklagten im Wesentlichen auf das vom Sachverständigen Z. in der Hauptverhandlung erstattete Gutachten. Dieser stützt sich dabei als Anknüpfungstatsachen für seine sachverständige Bewertung zum einen auf den toxikologischen Befund der beim Angeklagten entnommenen Blutprobe als auch auf die vom Polizeibeamten im Rahmen der Verkehrskontrolle ermittelten physiologischen Auffälligkeiten. In der Gesamtschau könne daraus beim Angeklagten zum Tatzeitpunkt auf derartige kognitive und physische Ausfälle als Folge einer zentralnervösen Cannabiswirkung mit groben Defiziten in den Bereichen von Konzentration, Aufmerksamkeit, Gleichgewicht, Motorik und Koordination geschlossen werden, die zu einer fehlenden Eignung zum Führen von Fahrzeugen geführt habe.
 
Das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Recht eines Beschuldigten auf ein faires Verfahren verbietet den Menschen zum bloßen Objekt staatlichen Verfahrens herabzuwürdigen und verpflichtet den Staat zu korrektem und fairen Verfahren (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 18. März 2009 – 2 BvR 2025/07 –, juris). Dabei ist das Recht auf Wahrung seiner Aussage- und Entschließungsfreiheit innerhalb des Strafverfahrens umfasst, welches in den Vorschriften der §§ 136a und 163a Abs. 4 Satz 2 StPO seinen Niederschlag gefunden hat (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2009 – 1 StR 701/08 –, BGHSt 53, 294-311, Rn. 36). Danach darf u.a. im Rahmen des Strafverfahrens niemand gezwungen werden, sich durch seine eigene Aussage einer Straftat zu bezichtigen oder zu seiner Überführung aktiv beizutragen (vgl. BVerfGE 109, 279, 324; 56, 37, 49). Die Entscheidungsfreiheit ist etwa dann verletzt, wenn die Strafverfolgungsbehörden Täuschungen anwenden, um Geständnisse oder andere belastende Angaben zu entlocken, die sie auf andere Weise nicht erlangen konnten (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2009 – 1 StR 701/08 –, BGHSt 53, 294-311, Rn. 36).
 
Eine verbotene Täuschung im Sinne des § 136a StPO liegt jedoch nicht in jeder Hervorrufung von falschen Vorstellungen. Der Begriff der Täuschung ist nach allgemeiner Ansicht zu weit gefasst und einschränkend auszulegen (BGH, Beschluss vom 13. Mai 1996 – GSSt 1/96 –, BGHSt 42, 139-157; Gleß in Löwe-Rosenberg, StPO, § 136a, Rn. 39; KK-StPO/Diemer StPO § 136a Rn. 19-27, beck-online). Dabei ist stets der Bezug zur Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung sowie zu den anderen in der Vorschrift aufgeführten verbotenen Mitteln zu berücksichtigen (vgl. BGH aaO). Eine verbotene Vernehmungsmethode liegt erst dann nahe, wenn sie den Grad einer bewussten Täuschung oder Irreführung erreicht. Auch schließt die Vorschrift nicht jede List bei der Vernehmung aus, sondern verbietet nur solche Irreführungen, die bewusst darauf abzielen, die von § 136 a StPO geschützte Aussagefreiheit zu beeinträchtigen (vgl. BGH, Urteil vom 07. Januar 1997 – 1 StR 666/96 –, Rn. 6, juris).
 
Ausgehend von diesen Grundsätzen lässt sich die Aufforderung zur Mitwirkung an motorischen Test zur weiteren Überprüfung der physisch-psychischen Verfassung des Angeklagten nicht mit der Beeinträchtigung der Willensentschließung durch Misshandlung, Ermüdung, körperlichen Eingriff, Verabreichung von Mitteln, Quälerei oder Hypnose vergleichen. Sie stellt sich im vorliegenden Fall auch nicht als eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren dar. Vielmehr ist schon zweifelhaft, ob das Verhalten des kontrollierenden Polizeibeamten überhaupt eine unzutreffende Einwirkung auf das Vorstellungsbild des Angeklagten beinhaltete. So bleibt nach dem Revisionsvorbringen offen, welches genaue Vorstellungsbild der kontrollierende Beamte bei der Aufforderung zur Mitwirkung an weiteren Test hatte. Die Feststellungen des Berufungsgerichts zum Ablauf der Verkehrskontrolle belegen vielmehr, dass beim Angeklagten bereits Auffälligkeiten im äußeren Erscheinungs- und Gangbild vorhanden waren, die Anlass für eine weitere Überprüfung durch den kontrollierenden Beamten boten. Den Fallumständen lässt sich jedoch gerade nicht entnehmen, dass zum Zeitpunkt der verlangten Mitwirkung keine entlastende Wirkung mehr bezüglich eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens, sondern - wie von der Revision behauptet - allenfalls einer Verdichtung der Indizienlage und gar weitergehenden Belastung mit einem möglichen Strafvorwurfs eintreten konnte. Vielmehr bestand nach den Angaben des kontrollierenden Polizeibeamten durchaus die naheliegende Möglichkeit, dass ein weitgehend unauffälliger Testverlauf zu keinen weiteren prozessualen Maßnahmen geführt hätte. Obgleich der avisierten Mitwirkung des Angeklagten für etwaige weitergehende Maßnahmen in der zugrundeliegenden Konstellation ein erhebliches Gewicht zukam, lässt sich jedenfalls der von § 136a Abs. 1 StPO vorausgesetzten gezielten Einsatz eines unzulässigen Mittels nicht belegen. Eine bewusste Irreführung durch den Beamten ergibt sich nach den vorstehenden Ausführungen weder aus dem Revisionsvorbringen noch aus den Urteilsgründen. Insoweit verbleibende Zweifel wirken sich aber bei Verfahrensrügen - wie dem behaupteten Verstoß gegen § 136a Abs. 1 StPO (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 60. Auflage 2017 § 136a StPO Rn. 33) - zu Lasten des Revisionsführers aus.
 
b) Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der vom Angeklagten erhobenen Sachrüge hat zum Schuldspruch keinen ihn benachteiligenden Rechtsfehler ergeben.
 
OLG Celle Beschl. v. 30.11.2017 – 1 Ss 61/17, BeckRS 2017, 134574

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