Immer wieder dieser verdammte Strafrahmen: Minder schwerer Fall....vertypte Milderungsgründe...

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 04.01.2018
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|7554 Aufrufe

Im Bereich der Strafzumessung wird viel geschludert. Oft findet sich in Urteile keine konkrete Benennung des Strafrahmens, von dem das Gericht ausgeht. Oder es wird ein falscher Strafrahmen zugrundegelegt. Und dann werden tatsächlich oder vemeintlich mildernde und schärfende Gründe einfach runtergeschrieben. Fehler sind da vorprogrammiert. Ein klassischer Fehler ist dabei die Prüfung des minder schweren Falls. Hier hat der BGH einmal wieder klargestellt, wie das funktioniert:

 Das Landgericht hat unter Berücksichtigung
des vertypten Milderungsgrundes des § 23 Abs. 2 StGB
einen minder schweren Fall gemäß § 213 2. Alt. StGB verneint, von
einer Milderung des Strafrahmens nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB
abgesehen und die Strafe sodann aus dem nach § 21 StGB in Verbindung
mit § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 212 StGB
entnommen (UA S. 63/64 ff.).
Die Strafkammer hat dabei ersichtlich nicht bedacht, dass nach ständiger
Rechtsprechung in den Fällen, in denen das Gesetz bei einer Straftat
einen minder schweren Fall vorsieht und im Einzelfall ein gesetzlicher
Milderungsgrund nach § 49 Abs. 1 StGB gegeben ist, bei der
Strafrahmenwahl vorrangig zu prüfen ist, ob ein minder schwerer Fall
vorliegt (BGH, Beschluss vom 19. November 2013 – 2 StR 494/13, StV
2015, 549). Ist nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände
das Vorliegen eines minder schweren Falls abzulehnen,
sind bei der weitergehenden Prüfung, ob der mildere Sonderstrafrahmen
zur Anwendung kommt, gesetzlich vertypte Strafmilderungsgründe
zusätzlich heranzuziehen. Erst wenn der Tatrichter
danach weiterhin keinen minder schweren Fall für gerechtfertigt hält,
darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen
gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen
zu Grunde legen (BGH aaO). Das Landgericht hat diese
Prüfungsreihenfolge nicht beachtet, indem es den vertypten Milderungsgrund
des § 23 Abs. 2 StGB neben den allgemeinen Strafzumessungsgesichtspunkten
in die Prüfung des minder schweren Falls des
§ 213 2. Alt. StGB zwar einbezogen, den gleichfalls vorliegenden
vertypten Milderungsgrund des § 21 StGB bei der Prüfung offensichtlich
aber unberücksichtigt gelassen hat. So geht das Landgericht von vornherein
von dem falschen Ansatz aus, indem es die Prüfung auf die
Frage beschränkt hat, ob von einer Milderung des Strafrahmens nach
§§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB oder nach § 213 2. Alt. StGB auszugehen
war (UA S. 63/65). Selbst wenn das Landgericht die dissoziale Persönlichkeitsstruktur
und alkoholbedingte Enthemmung des Angeklagten zur
Tatzeit zugunsten des Angeklagten in die Prüfung des minder schweren
Falls miteinbezieht (UA S. 64), ergibt sich aus der Gesamtschau der
Urteilsgründe, insbesondere aus der nachfolgenden Begründung für
eine Verschiebung des Strafrahmens über §§ 21, 49 Abs. 1 StGB,
gleichwohl, dass das Landgericht das Vorliegen des weiteren vertypten
Milderungsgrundes des § 21 StGB bei der Prüfung des minder schweren
Falls gemäß § 213 2. Alt. StGB nicht im Blick gehabt hat.
Zwar hat das Landgericht den nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten
Strafrahmen des § 212 StGB (zwei Jahre bis 11 Jahre und drei Monate)
zu Grunde gelegt (UA S. 65); doch der gemilderte Strafrahmen des
§ 213 2. Alt. StGB (1 Jahr bis 10 Jahre) wäre für den Angeklagten
günstiger. Da sich das Landgericht mit der Verhängung einer Einzelstrafe
von neun Jahren an dem oberen Bereich des eröffneten Strafrahmens
orientieren wollte (UA S. 67), kann nicht sicher ausgeschlossen
werden, dass der Tatrichter unter Zugrundelegung des Strafrahmens
des § 213 StGB zu einer niedrigeren Freiheitsstrafe gelangt wäre.
Die dem Strafausspruch zu Grunde liegenden Feststellungen sind im
Übrigen rechtsfehlerfrei getroffen, weshalb sie aufrechterhalten bleiben
können. Der zu neuer Verhandlung und Entscheidung berufene Tatrichter
wäre nicht gehindert, ergänzende Feststellungen zu treffen, die den
bisherigen nicht widersprechen.
Die Aufhebung im Ausspruch über die Einzelstrafe zieht die Aufhebung
des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich.

BGH, Beschl. v. 16.11.2017 - 2 StR 404/17

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