Geldbuße: Erst bei "mehr als 250 Euro" bedarf es Darstellungen zur wirtschaftlichen Situation des Betroffenen

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 14.01.2018
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|3753 Aufrufe

Das OLG Zweibrücken hat sich mit der Frage der Notwendigkeit der Erörterung von wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen im tatrichterlichen Urteil befassen müssen. "Erst bei mehr als 250 Euro Geldbuße - im Normalfall", meint das OLG.

Dass das Amtsgericht keine Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen getroffen hat, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
 
Auch wenn ein Betroffener – wie hier - keine Angaben zu seinen Einkommensverhältnissen macht, entbindet dies das Gericht grundsätzlich nicht von der Amtspflicht, die notwendigen Feststellungen - beispielsweise durch Vernehmung des Arbeitgebers - zu treffen, wenn sie gemäß § 17 Abs. 3 S. 2 OWiG von Bedeutung sein können.
 
Die obergerichtliche Rechtsprechung lässt jedoch einige Einschränkungen dieses Grundsatzes zu. So ist inzwischen allgemein anerkannt, dass im Hinblick auf den in § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG festgeschriebenen Schwellenwert von 250,- € eine Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse prinzipiell entbehrlich ist, wenn das Regelbußgeld diesen Betrag nicht übersteigt und keine Besonderheiten vorliegen (so bereits Senat, Beschluss vom 3. Februar 1999, Az. 1 Ss 21/99; vgl. beispielhaft OLG Braunschweig, Beschluss vom 8. Dezember 2015, Az. 1 Ss OWi 163/15, m.w.N., zitiert nach juris; Saarländisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 21. März 2017, Az. Ss BS 11/2017 (6/17 OWi), m.w.N.).
 
Mittlerweile vertreten mehrere Oberlandesgerichte zudem die Ansicht, dass im Bereich von Verkehrsordnungswidrigkeiten auch bei Geldbußen über 250,- € nähere Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen entbehrlich sind, solange die im Bußgeldkatalog vorgesehene Regelgeldbuße verhängt wird und sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen außergewöhnlich gut oder schlecht sind (vgl. OLG Braunschweig a.a.O.; OLG Hamm, Beschluss vom 20. März 2012, Az. III-3 RBs 441/11; OLG Oldenburg, Beschluss vom 29. Oktober 2014, Az. 2 Ss OWi 278/14; KG Berlin, Beschluss vom 7. Januar 2014, Az. 3 Ws (B) 651/13, 162 Ss 136/13; OLG Celle, Beschluss vom 1. Dezember 2014, Az. 321 SsBs 133/14, jedenfalls für Geldbußen bis 500,- €; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 1. September 2011, Az. 1 Ss Bs 66/11, einschränkend auf Bußgelder bis zu 500,- €; jeweils zitiert nach juris). Dies soll auch dann gelten, wenn auf den für eine vorsätzliche Begehungsweise nach § 3 Abs. 4a BKatV vorgesehenen Regelsatz erkannt wird (OLG Braunschweig, OLG Celle, Thüringer Oberlandegericht a.a.O.) Denn die Bußgeldkatalogverordnung enthält gemäß § 3 Abs. 4a BKatV eine generelle Regelung für die Bemessung der Bußgelder im Falle vorsätzlichen Handelns; auch insoweit geht der Verordnungsgeber von durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen aus und hat zu erkennen gegeben, dass er den festgeschriebenen Regelsatz unter diesen Bedingungen für angemessen erachtet. Es ist daher nicht erkennbar, warum in den Urteilsgründen zu solchen wirtschaftlichen Verhältnissen noch weitere Feststellungen erforderlich sein sollten, wenn sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eben nicht von durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen auszugehen ist (OLG Braunschweig, OLG Celle, Thüringer Oberlandesgericht a.a.O.). Schließlich soll nach obergerichtlicher Rechtsprechung die nähere Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen (zumindest) auch dann entbehrlich sein, wenn zwar nicht die Regelgeldbuße, sondern ein angemessen erhöhtes Bußgeld von weniger als 250,- € verhängt wird und der Betroffene keine Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen macht, Anhaltspunkte für eine Schätzung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorliegen und eine weitere Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse zu einer Verzögerung der Entscheidung führen würde (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 8. Januar 2015, Az. III-3 RBs 354/14, zitiert nach juris).
 
Der Senat schließt sich der Auffassung an, dass im Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten auch bei Geldbußen über 250,- € nähere Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen entbehrlich sind, solange die im Bußgeldkatalog vorgesehene Regelgeldbuße verhängt wird und sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen außergewöhnlich gut oder schlecht sind. Gleiches gilt, wenn die für eine vorsätzliche Begehungsweise nach § 3 Abs. 4a BKatV verdoppelte Regelgeldbuße festgesetzt wird. Diese Rechtsprechung ist auch auf Fälle anzuwenden, bei denen der Regelbußgeldsatz bzw. der gemäß § 3 Abs. 4a BKatV verdoppelte Regelsatz nur um einen geringen Betrag erhöht wird. Denn auch dort beruht die Bußgeldbemessung letztlich im Wesentlichen auf der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und dem Vorwurf, der den Täter trifft (§ 17 Abs. 3 S. 1 OWiG). Für die angenommene Erstreckung der dargestellten Rechtsprechung auf diese Fallkonstellation spricht zudem der Umstand, dass die andernfalls vom Tatgericht zu ergreifenden Aufklärungsmittel - wie etwa die Befragung des Arbeitgebers und der Nachbarn des Betroffenen oder die Durchsuchung seiner Wohnung nach Gehaltsunterlagen - schwerwiegende Grundrechtseingriffe bewirken würden, die angesichts der Bedeutung der Sache in der Regel als unverhältnismäßig erscheinen.
 
Demnach waren hier keine Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen erforderlich. Da sich Indizien für außergewöhnlich gute oder schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Betroffenen den Urteilsgründen nicht entnehmen lassen, bestand keine Veranlassung, hierzu weitere Feststellungen zu treffen.
 
(OLG Zweibrücken Beschl. v. 24.11.2017 – 1 OWi 2 Ss Bs 87/17, BeckRS 2017, 134516, beck-online)

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