Werbeverbot für verschreibungspflichtige Arznei kann nach «Shitstorm» eingeschränkt werden

von Dr. Michaela Hermes, LL.M., veröffentlicht am 25.01.2018
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Trotz des Werbeverbotes für verschreibungspflichtige Arzneimittel darf ein Pharmakonzern das Medikament via Facebook bewerben, wenn gegen das Mittel ein „shitstorm“ losgetreten wurde. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln, Urteil vom 12.01.2018 – 6 U 92/17 (Becklink 2008870) in klargestellt.

Hintergrund

In der Auseinandersetzung vor dem OLG Köln ging es um eine verschreibungspflichtige Kautablette für Hunde. Bravecto®, ein Medikament zur Floh- und Zeckenbekämpfung,  war Gegenstand einer öffentlichen Kritikwelle geworden. In den sozialen Medien wurde über das Mittel massiv negativ diskutiert. Dem Arzneimittel wurden Nebenwirkungen zugeschrieben, die sich weder aus Studien noch anderen Informationen ergaben. Auch der TV-Sender RTL berichtete über die angeblichen schädlichen Auswirkungen des Mittels. Eine mäßigende Stellungnahme des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vom 01.02.2017 zeigte keine Wirkung. Der Hersteller des Medikamentes, die MSD-Tochter Intervet, ging in die Gegenoffensive. Über Facebook verbreitete sie Posts in Wort und Bild,  in denen Bravecto® als „sicheres und wirksames Mittel gegen Flöhe und Zecken“ sowie als Mittel mit zuverlässigem „Sicherheitsprofil“ vorgestellt wurde.

Der Pharmawettbewerber Bayer wehrte sich dagegen vor dem Landgericht (LG) Köln (Urteil vom 24.05.2017 – 84 O 72/17) und bekam Recht. Intervet änderte daraufhin den Internetauftritt in den sozialen Medien. Zwei Posts standen im Streit. In dem ersten Internetauftritt wurde die Frage gestellt „Ist dieses verschreibungspflichtige Mittel sicher für meinen Hund?“ Darunter stand: „Alle Fakten zum Floh- und Zeckenschutzmittel“.

In einem zweiten Text wurde der Wirkstoff des Mittels, nicht aber der Handelsname genannt. Der Wirkstoff wurde "als sicheres und wirksames Mittel gegen Flöhe und Zecken“ bezeichnet. Das Logo des Konzerns war jeweils sichtbar. Bayer sah auch in den veränderten Posts einen Verstoß gegen § 10 Abs. 1 HWG. Nach dieser Norm ist Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente nur bei sogenannten Fachkreisen  -hier Tierärzten-  zulässig, in der allgemeinen Öffentlichkeit dagegen verboten.   

Die Entscheidung

Das OLG Köln stellt klar, auch in der Tiermedizin gelte ein Werbeverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Durch das HWG dürfe in die geschützte Berufs- und Meinungsfreiheit (Art. 5 und 12 Grundgesetz (GG)) der Hersteller von Tierarzneimitteln eingegriffen werden.

Die Richter sind sich einig. Bei beiden Posts handele es sich um produktbezogene Werbung (vgl. § 1 Abs. 1 HWG). Das OLG differenziert: Der Post, der den Medikamentenwirkstoff als „als sicheres und wirksames Mittel gegen Flöhe und Zecken … für deinen Hund“ bezeichne, bleibe verboten. Denn Sinn der Anzeige sei es, die Verbraucher auf das Arzneimittel aufmerksam zu machen, um dadurch den Absatz zu fördern. Dabei reiche es aus, wenn diese Intention neben der Absicht, über falsche Aussagen im Internet aufzuklären stehe. Außerdem werde durch die Bezeichnung des Mittels als „sicher“ der Eindruck erweckt, das Medikament habe keine Nebenwirkungen. Das sei irreführend (§ 3 Satz 2 Nr. 2 lit. B HWG).

Dagegen sei die Werbung mit der Frage nach der Sicherheit des Mittels zulässig. Ausschlaggebend für die andere Beurteilung war die Wortwahl des Posts. Nach Auffassung der Richter würden nicht in erster Linie die besonderen Vorteile des Medikamentes beworben. Es gehe hier eher um die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Medikamentes, also das Thema der im Facebook geführten Diskussion. Der Post richte sich auch nicht an einen breiten Kreis von Tierhaltern, sondern nur an die Personen, die von der Diskussion und Falschmeldung im Internet und Fernsehen gehört hatten.

Praxishinweise               

Arzneimittelhersteller dürfen verschreibungspflichtige Medikamente nicht öffentlich bewerben. Das macht Sinn, denn der Gesetzgeber will dadurch verhindern, dass Ärzte und Tierärzte nicht unter Druck gesetzt werden, bestimmte Medikamente zu verschreiben.  Auch soll der Verbraucher nicht durch die Werbung animiert werden, sich das Medikament ohne Konsultation des Tierarztes oder Arztes zu besorgen. Die Gefahr, es dann möglicherweisen falsch anzuwenden besteht. (Dazu: BVerfG, Beschluss vom 30.04.2004 – BvR 2334/03) Doch wenn Falschmeldungen über ein Arzneimittel verbreitet werden, ist es für den Hersteller fast unmöglich einer solchen öffentlichen Kritikwelle entgegenzutreten. Hier hat das OLG Köln bei konkretem Bezug auf die negative Kampagne in den sozialen Medien die „Werbung“ erlaubt.

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