Das Vorpachtrecht, das unbekannte Wesen

von Christiane Graß, veröffentlicht am 10.02.2018
Rechtsgebiete: AgrarrechtZivilrechtliches Agrarrecht|6205 Aufrufe

Das Vorkaufsrecht kennt jeder. Bei dem Vorpachtrecht ist das schon anders. Es ist eigentlich nur in landwirtschaftlichen Kreisen bekannt. Gemeint ist eine privatautonom vereinbarte Bestimmung, bei der sich der Verpächter verpflichtet, dem Vorpachtberechtigten das Recht zum Eintritt in einen vom ihm mit einem Dritten vereinbarten neuen Pachtvertrag zu gewähren. Hierzu hat der BGH bereits im Urteil vom 02.12.1997 – VIII ZR 77/69, NJW 1971, 422 geklärt, dass auf eine solche Vereinbarung die Bestimmungen über das Vorkaufsrecht entsprechend anzuwenden sind.

Im Beschluss vom 24.11.2017 – LwZR 5/16 musste sich der Landwirtschaftssenat des BGH mit einer Bestimmung befassen, die folgenden Wortlaut hatte: „ Dem Pächter wird ein Vorpachtrecht für die in § 1 aufgeführten Pachtflächen eingeräumt.“ Der Fall wäre nicht bis zum BGH gelangt, hätte sich nicht der Pächter, von dem der Vertrag stammte, auf die Wirksamkeit und hätte sich nicht der Verpächter, der auch weiterhin an einen Dritten verpachten wollte, auf die Unwirksamkeit der Bestimmung berufen.

Beim Abschluss von Landpachtverträgen werden regelmäßig standardisierte Formulare verwendet, üblicherweise solche, welche von den Berufsverbänden oder von dem Hausanwalt zur Verfügung gestellt werden. Es liegt in der Natur der Sache, dass die entsprechenden Muster vielfach Verwendung finden, sodass die Vereinbarungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehen sind. So auch im Fall, über den der BGH im Urteil vom 24.11.2017 zu entscheiden hatte. Der Pächter hatte das betreffende Muster zumindest in neun weiteren Pachtverträgen verwendet. Damit war klar, dass die Wirksamkeit anhand der §§ 307 ff. BGB zu prüfen war.

Der Landwirtschaftssenat ließ die erwähnte Klausel „durchfallen“. Er sah einen Verstoß gegen das Transparenzgebot und damit eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners. Im konkreten Fall folgt die Intransparenz daraus, dass nicht konkret erkennbar sei, für wie viele Fälle das Vorpachtrecht gelten solle und auf welchen Zeitraum es sich erstrecke. Anders als bei einem Kaufvertrag, bei dem der Gegenstand grundsätzlich nur ein einziges Mal an einen Dritten verkauft werden kann, könne der Verpflichtete aus einem Vorpachtrecht mehrfach, und zwar nach Ende eines jeden Pachtvertrages einen neuen Pachtvertrag über die Sache abschließen. Ferner bleibe unklar, wie lange nach Auslaufen des Pachtvertrages das Vorpachtrecht bestehen bleiben oder ob es sich möglicherweise gar um ein unbefristetes Recht des Pächters handeln soll. Damit war klar, dass der Verpächter die Pachtsache ohne jede Sanktion aus dem als unwirksam erkannten Vorpachtrecht dauerhaft an einen Dritten verpachten konnte.

Für die Praxis kann festgehalten werden : Allgemeine Regelungen in Formular-Landpachtverträgen, die ein Vorpachtrecht des Pächters begründen sollen, bedürfen der klaren Festlegung, für wie viele Pachtfälle und für welchen Zeitraum das Vorpachtrecht gelten soll. Fehlt es daran, ist die Regelung über das Vorpachtrecht wirkungslos. Davon dürften die meisten Landpachtverträge betroffen sein, die in den letzten Jahren geschlossen worden sind und die eine eher allgemein abgefasste Regelung über ein Vorpachtrecht enthalten. Hier müssen neue und präzise Vereinbarungen mit dem Verpächter getroffen werden, für welche Konstellation das Vorpachtrecht greifen soll. Beim Abschluss neuer Landpachtverträge ist auf präzise Formulierungen zu achten, denn aufgrund der typischerweise vielfachen Verwendung des Vertragsmusters kommen die restriktiven Grundsätze der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Anwendung.

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