Da war der 4. Senat beim OLG Hamm "not so amused"

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 26.02.2018
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|2524 Aufrufe

...und das aus gutem Grund: Das OLG hatte im Dezember eine OWi-Sache zu entscheiden. Die Rechtslage damals wirkte wohl ganz klar. Der mit der Verfahrensrüge auf eine Verletzung rechtlichen Gehörs gestützte Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwere hatte so auch keinen Erfolg.

Der Verteidiger verstand aber wohl die Welt und die erste Entscheidung des OLG nicht mehr: Seine Urteilsausfertigung hatte nämlich weniger Seiten, als das Originalurteil. Da fiel es natürlich deutlich schwerer, die Rechtsbeschwerde hinzubekommen. Das OLG wusste das im dezember natürlich nicht. Jetzt hat es den Fehler, der beim AG verursacht worden war erst einmal gerichtet:

Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, die vor der Senatsentscheidung vom 14.12.2017 bestand.

 
Der bereits veröffentlichte Beschluss vom 14.12.2017 in dieser Sache ist damit gegenstandslos!

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 14.12.2017 hat der Senat den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts  Paderborn vom 05.09.2017 verworfen. Der Senat hat in seiner Entscheidung Ausführungen gemacht, die sich auf eine Verfahrensrüge bezogen, mit der der Betroffene eine Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt hat, weil die Urteilsgründe eine Begründung zur Ablehnung eines Beweisantrages nicht enthalten hätten. Der Senat hat in seinem Beschluss darauf hingewiesen, dass dies sehr wohl der Fall sei und dies auch mit Zitaten der entsprechenden Urteilsseiten belegt. Daraufhin hat der Verteidiger mit Schriftsatz vom 27.12.2017 eine Kopie der ihm übersandten beglaubigten Urteilsabschrift zu den Akten gereicht. Ein Abgleich dieser Kopie mit dem in den Akten befindlichen Urteilsoriginal ergab, dass wesentliche Teile des Originalurteils in der beglaubigten Abschrift fehlten. Diese hatte drei Seiten, das Originalurteil knapp fünf Seiten. Es fehlte nahezu die gesamte Beweiswürdigung, welche sich u.a. auch mit dem Beweisantrag auseinandersetzte, die Rechtsfolgenbemessung weist Formulierungsabweichungen auf.

Mit Schreiben vom 30.01.2018 hat der Senat auf den o.g. Umstand hingewiesen und mitgeteilt, dass dem Betroffenen (bzw. seinem Verteidiger) vom Amtsgericht Paderborn offenbar eine beglaubigte Abschrift des Urteils übersandt worden ist, welche nicht mit dem Originalurteil übereinstimmt. Gleichzeitig hat der Senat auf die §§ 79 Abs. 3 OWiG, 356a StPO hingewiesen.

Mit am 05.02.2018 eingegangenem Antrag vom 01.02.2018 hat der Betroffene durch seinen Verteidiger beantragt, das Verfahren in die Lage vor dem o.g. Senatsbeschluss zurückzuversetzen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat diesen Antrag als Gegenvorstellung ausgelegt und beantragt, diese zurückzuweisen.

II.

Der Antrag nach §§ 79 Abs. 3 OWiG, 356a StPO ist zulässig und begründet.

1.

Nach der klaren Antragsformulierung und angesichts des dem Antrag vorangehenden Hinweises des Senats handelt es sich um einen Antrag nach §§ 79 Abs. 3 OWiG, 356a StPO.

Der Antrag ist zulässig. In dem Antrag ist dargelegt und durch Beifügung einer Kopie des Senatsschreibens vom 30.01.2018 glaubhaft gemacht, dass die Frist des § 356a S. 2 StPO gewahrt wurde. Der Antrag ist auch noch hinreichend begründet worden, indem ausgeführt wird, dass erst nach Kenntnis der vollständigen Urteilsgründe die Möglichkeit besteht, die Rechtsbeschwerde auf der Basis der tatsächlichen Urteilsgründe zu begründen.

2.

Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg. Aufgrund der Zustellung eines in ganz wesentlichen Teilen nicht mit dem Original übereinstimmenden Urteils wurde der Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör in einer für die Senatsentscheidung entscheidungserheblichen Weise verletzt (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 356a S. 1 StPO). Dem Betroffenen wurde dadurch zumindest die Möglichkeit abgeschnitten, etwa seine Verfahrensrüge anders (im Hinblick auf die Urteilsgründe) zu begründen oder ggf. sachlich-rechtliche Mängel in den ihm nicht zur Kenntnis gegebenen Teilen der  Urteilsgründe geltend zu machen, welche ggf. für einen anderen Zulassungsgrund hätten relevant sein können.

Nach der Zurückversetzung der Sache in die Lage vor dem o.g. Senatsbeschluss, der damit gegenstandslos wird, ist nunmehr eine erneute Zustellung des Urteils (in vollständiger Form) erforderlich, damit die Rechtsbeschwerdebegründungsfrist wirksam in Gang gesetzt wird.

Oberlandesgericht Hamm, Beschl. v. 15.2.2018 - 4 RBs 447/17

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