Woche des europäischen Arbeitsrechts, Teil 1: Betriebliche Altersversorgung

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 26.02.2018
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|2865 Aufrufe

Mit dieser Entscheidung hat sich das BAG schwer getan: Der Kläger ist Betriebsrentner und bezieht u.a. eine Rente von einer Pensionskasse. Diese hatte ihre Leistungen wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten satzungsgemäß gekürzt (vgl. § 233 Abs. 1 Nr. 1 VAG). Die ehemalige Arbeitgeberin des Klägers, die die Rente zugesagt hatte, hat diese Leistungskürzung in der Vergangenheit ausgeglichen (§ 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG). Nunmehr ist sie aber in die Insolvenz gefallen. Der beklagte Pensions-Sicherungs-Verein VVaG als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung sieht sich nicht in der Leistungspflicht, weil die Pensionskassenversorgung kein nach § 7 BetrAVG versicherter Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung ist und er auch keine Beiträge hierfür erhält.

Der Dritte Senat des BAG hat über die Revision des Beklagten bereits am 26.9.2017 mündlich verhandelt. Er hat aber - ungewöhnlich - seinerzeit keine Entscheidung verkündet (vgl. hier), sondern diese auf den 20.2.2018 vertagt. Nunmehr hat er den EuGH um Vorabentscheidung ersucht. Zur Überzeugung des BAG ist die Klage nach nationalem Recht nicht begründet. Eine Haftung des PSV könne sich jedoch aus Art. 8 RL 2008/94/EG ergeben. Daher müsse der EuGH folgende Fragen klären:

1. Ist Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers anwendbar, wenn Leistungen der betrieblichen Altersversorgung über eine der staatlichen Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegenden überbetriebliche Versorgungseinrichtung erbracht werden, diese aus finanziellen Gründen ihre Leistungen mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde berechtigt kürzt und der Arbeitgeber nach nationalem Recht zwar für die Kürzungen gegenüber den ehemaligen Arbeitnehmern einzustehen hat, seine Zahlungsunfähigkeit jedoch dazu führt, dass er seine Verpflichtung, diese Leistungskürzungen auszugleichen, nicht erfüllen kann?
2. Falls die erste Vorlagefrage bejaht wird:
Unter welchen Umständen können die durch die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers erlittenen Verluste des ehemaligen Arbeitnehmers bei den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung als offensichtlich unverhältnismäßig angesehen werden und damit die Mitgliedstaaten verpflichten, hiergegen einen Mindestschutz zu gewährleisten, obwohl der ehemalige Arbeitnehmer mindestens die Hälfte der Leistungen erhält, die sich aus seinen erworbenen Rentenansprüchen ergeben?
3. Falls die erste Vorlagefrage bejaht wird:
Entfaltet Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG unmittelbare Wirkung und verleiht die Bestimmung, wenn ein Mitgliedstaat diese Richtlinie nicht oder nur unzulänglich in nationales Recht umgesetzt hat, dem Einzelnen Rechte, die dieser vor einem nationalen Gericht gegenüber dem Mitgliedstaat geltend machen kann?
4. Falls die dritte Vorlagefrage bejaht wird:
Ist eine privatrechtlich organisierte Einrichtung, die von dem Mitgliedstaat - für die Arbeitgeber verpflichtend - als Träger der Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung bestimmt ist, der staatlichen Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegt sowie die für die Insolvenzsicherung erforderlichen Beiträge kraft öffentlichen Rechts von den Arbeitgebern erhebt und wie eine Behörde die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung durch Verwaltungsakt herstellen kann, eine öffentliche Stelle des Mitgliedstaates?

BAG, Beschluss vom 20.2.2018 - 3 AZR 142/16 (A), Pressemitteilung hier

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Der Weg zum EuGH nach Luxemburg wird, obgleich richterliche Möglichkeit (Art. 267 Abs. 2 AEUV), bzw. grundrechtliche Pflicht (Art. 267 Abs. 3 AEUV), viel zu selten beschritten. Es gilt immer noch, "dass das europäische Arbeitsrecht seine auch verfassungsrechtlich abgesicherten Zwecke nicht umfassend zu entfalten vermag, weil das BAG seiner Pflicht zur Vorlage an den EuGH (Art. 267 III AEUV) bislang strukturell nicht gerecht wird" (Sagan, Grundfragen des Arbeitsrechts in Europa, NZA 2016, 1252).

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