LAG Hessen zur Kündigung wegen Antritts einer Strafhaft

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 06.03.2018
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|4084 Aufrufe

Das LAG Hessen (Urteil vom 21.11.2017 - 8 Sa 146/17, BeckRS 2017, 141329) hatte über die Kündigungsschutzklage eines jungen Vaters zu entscheiden, der wegen seiner Beteiligung an einem versuchten Raubüberfall rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt worden war. Die Tat stand in keinem Bezug zu seinem Arbeitsverhältnis als Bäcker. Als er im September 2016 seine Haft antreten musste, kündigte sein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich, weil der Arbeitnehmer, der im Betrieb bereits seine Ausbildung gemacht hatte, künftig mehr als zwei Jahre ausfallen werde. Hiergegen erhob der Arbeitnehmer Klage und argumentierte, dass er aufgrund seiner günstigen Sozialprognose damit rechnen könne, nach Verbüßen der Hälfte - zumindest aber von zwei Dritteln - der Haftstrafe vorzeitig entlassen zu werden. Sein Arbeitgeber wäre außerdem auch verpflichtet, ihm seinen Arbeitsplatz freizuhalten, wenn er z. B. nach der Geburt seines Kindes einen dreijährigen Erziehungsurlaub genommen hätte.

Der Kündigungsgrund „Antritt einer Strafhaft“ ist nicht neu und hat die Rechtsprechung bereits mehrfach beschäftigt. So hatte das BAG am 22.10.2015 (NZA 2016, 482) entschieden, dass ein personenbedingter Grund für eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich zumindest dann vorliege, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt noch eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren zu verbüßen hat und eine vorherige Entlassung nicht sicher zu erwarten steht. In einem solchen Fall könne dem Arbeitgeber regelmäßig nicht zugemutet werden, lediglich Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und auf eine dauerhafte Neubesetzung des Arbeitsplatzes zu verzichten. Dabei ist u.a bedeutsam, dass bei zunehmender Haftdauer die Verwirklichung des Vertragszwecks in Frage gestellt wird. An diese Rechtsprechung knüpft das LAG Hessen im vorliegenden Fall an und weist die Kündigungsschutzklage des straffälligen Arbeitnehmers ab. Als er die Freiheitsstrafe angetreten habe, habe nicht sicher festgestanden, ob er seine Strafe vollständig verbüßen oder z.B. früh in den offenen Vollzug wechseln würde. Entwicklungen in der Vollzugszeit, die erst nach der Kündigung eintreten, seien nicht erheblich. Dies sei auch für einen jungen Vater nicht anders zu bewerten. Ein Vergleich mit dem gesetzlich geregelten Ruhen eines Arbeitsverhältnisses während der Elternzeit sei nicht gerechtfertigt, da dies dem Schutz der Familie diene. Das Beendigungsinteresse der beklagten Arbeitgeberin überwiege, zumal der Kläger seine Ausfallzeiten selbst verschuldet habe.

Hingewiesen sei abschließend noch darauf, dass in solchen Fällen immer sehr genau geprüft werden muss, worin der Kündigungsgrund besteht. In Betracht kommen mitunter auch eine verhaltensbedingte Kündigung – wenn die Straftat in einem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht – und eine Verdachtskündigung. Denkbar ist schließlich, dass der Antritt der Strafhaft den Arbeitgeber auch zum Ausspruch einer außerordentlichen (personenbedingten) Kündigung berechtigt.

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"Sein Arbeitgeber wäre außerdem auch verpflichtet, ihm seinen Arbeitsplatz freizuhalten, wenn er z. B. nach der Geburt seines Kindes einen dreijährigen Erziehungsurlaub genommen hätte."

Familiennachwuchs und Raubüberfall sind ja auch fast das gleiche.

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