KG Berlin: Zur Legitimationswirkung der Gesellschafterliste gegenüber der Gesellschaft sowie zur Errichtung eines Aufsichtsrats in der GmbH

von Ulrike Wollenweber, veröffentlicht am 29.03.2018

Das KG Berlin hat mit Urteil vom 9. November 2017 (23 U 67/15) zur Legitimationswirkung der Gesellschafterliste gegenüber der Gesellschaft sowie zur Errichtung eines Aufsichtsrats kraft satzungsrechtlicher Öffnungsklausel Stellung genommen.

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt war die Einziehung der Geschäftsanteile des Mehrheitsgesellschafters beschlossen worden und – entgegen einer einstweiligen Verfügung – eine neue Gesellschafterliste eingereicht worden, die den Mehrheitsgesellschafter nicht mehr als Gesellschafter auswies (vgl. KG Berlin vom 24. August 2015, BeckRS 2016, 06852 und vom 10. Dezember 2015, BeckRS 2016, 06854). Im Anschluss wurden mehrere Gesellschafterversammlungen abgehalten, zu denen der Mehrheitsgesellschafter nicht eingeladen wurde.

Der Senat führt aus, dass die ohne den Mehrheitsgesellschafter gefassten Beschlüsse nichtig sind, da die Nichteinladung ein Einberufungsmangel sei. Wer als Gesellschafter einzuladen ist, ergebe sich zwar grundsätzlich aus der im Handelsregister verwahrten Gesellschafterliste, denn gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gelte nur derjenige gegenüber der Gesellschaft als Gesellschafter, der auch im Handelsregister eingetragen ist. Vorliegend habe die Gesellschaft sich jedoch treuwidrig verhalten, als sie den Gesellschafter von den Gesellschafterversammlungen ausgeschlossen habe, obwohl sie wusste, dass er aufgrund der einstweiligen Verfügung in der Gesellschafterliste noch hätte aufgeführt sein müssen. In diesem Fall müsse die Gesellschaft sich so behandeln lassen, als sei die später eingereichte Liste nie im Handelsregister aufgenommen worden. Die Gesellschaft könne sich nicht durch Berufung auf die Legitimationswirkung der Gesellschafterliste über die im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangene rechtskräftige Entscheidung hinwegsetzen.

In seiner Entscheidung bestätigt der Senat des Weiteren seine frühere Rechtsprechung, nach der die Errichtung eines fakultativen Aufsichtsrats in der GmbH durch einen einfachen Gesellschafterbeschluss auf der Grundlage einer in der Satzung enthaltenen Öffnungsklausel unwirksam ist (vgl. KG Berlin vom 23. Juli 2015, BeckRS 2016, 00005). Hierbei handele es sich um eine Satzungsänderung, die nur durch notarielle Beurkundung und Eintragung im Handelsregister wirksam werden könne (§§ 53, 54 GmbHG). Diese Bestimmungen seien zwingendes Recht, das nicht durch gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen („Öffnungsklauseln“) außer Kraft gesetzt werden könne. Obwohl diese Rechtsprechung in der Literatur auf Kritik gestoßen ist, hält der Senat an seiner Ansicht fest, dass die Einrichtung eines mit Organkompetenzen ausgestatteten Aufsichtsrats eine tiefgreifende Änderung der Gesellschaftsverfassung darstelle.

Im Hinblick darauf, dass die Gesellschafter vorliegend einen von der Öffnungsklausel abweichenden Beschluss gefasst haben und dass die Öffnungsklausel keine eindeutigen Vorgaben hinsichtlich der Kompetenzen des Aufsichtsrats enthielt, war die grundsätzliche Rechtsfrage, ob die durch eine Öffnungsklausel zugelassene Errichtung eines Aufsichtsrats als Satzungsänderung anzusehen ist, aber letztlich nicht entscheidungserheblich. Die Revision wurde daher nicht zugelassen. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist unter Az. II ZR 406/17 anhängig.

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