Entgeltfortzahlung an Feiertagen

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 17.04.2018
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|3480 Aufrufe

Es empfiehlt sich immer wieder, das Gesetz sehr genau zu lesen. § 4 Abs. 3 TVG lässt arbeitsvertragliche Abweichungen vom Tarifvertrag nur zu, soweit sie "eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten". Die vertragliche Vereinbarung muss also günstiger sein als die tarifliche. Daher ist eine ambivalente Regelung, die sich mal günstiger, mal ungünstiger auswirken kann, unwirksam.

Beispiel: Der Tarifvertrag sieht eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende, der Arbeitsvertrag eine solche von sechs Wochen zum Quartalsschluss vor. Das kann - je nach Zeitpunkt der Kündigung - für den Arbeitnehmer günstiger sein, muss es aber nicht. Die arbeitsvertragliche Kündigungsfrist ist nicht günstiger, also verbleibt es bei der tariflichen (vgl. BAG, Urt. vom 15.4.2015 - 4 AZR 587/13, NZA 2015, 1274 (1277).

Im Entgeltfortzahlungsrecht bestimmt § 12 EFZG, dass abgesehen von § 4 Abs. 4 EFZG nicht zuungunsten des Arbeitnehmers vom Gesetz abgewichen werden darf. Das ist etwas anderes als das Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG. Im Bereich des EFZG sind deshalb nur ungünstigere Vereinbarungen unzulässig. Regelungen zur Entgeltfortzahlung an gesetzlichen Feiertagen oder im Krankheitsfall, die im Verhältnis zur gesetzlichen Regelung nicht stets günstiger, sondern ambivalent oder neutral sind, sind demgegenüber wirksam. Das hat das BAG entschieden.

  1. § 12 EFZG verbietet nur Abweichungen von der Entgeltfortzahlung an gesetzlichen Feiertagen „zuungunsten" des Arbeitnehmers. Die Vorschrift verlangt - anders als § 4 Abs. 3 TVG - nicht, dass die vom Gesetz abweichende Regelung „zugunsten des Arbeitnehmers" erfolgt. Deshalb sind tarifliche Regelungen der Entgeltfortzahlung an gesetzlichen Feiertagen auch dann wirksam, wenn sie im Verhältnis zur gesetzlichen Regelung nicht stets günstiger, sondern ambivalent oder neutral sind.
  2. Ein Tarifvertrag, der bestimmt, dass Arbeitnehmer für jeden gesetzlichen Feiertag, der auf die Wochentage Montag bis Freitag fällt, einen Anspruch auf Gutschrift von 1/261 des individuellen Jahresarbeitszeitsolls haben, weicht nicht zu Ungunsten der Arbeitnehmer von der gesetzlichen Regelung der Entgeltfortzahlung an Feiertagen in § 2 Abs. 1 EFZG ab.

BAG, Urt. vom 6.12.2017 - 5 AZR 118/17, BeckRS 2017, 144845

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen