LG Berlin: Statusverfahren auch unmittelbar vor SE-Gründung durch Verschmelzung

von Dr. Cornelius Wilk, veröffentlicht am 20.04.2018

Das LG Berlin hat mit Beschluss vom 9. März 2018 (102 O 72/17 AktG) unter anderem zur Frage Stellung genommen, ob das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers in einem zur Überprüfung der Aufsichtsratszusammensetzung eingeleiteten Statusverfahren entfällt, wenn die Teilnahme der AG an einer SE-Verschmelzungsgründung kurz bevorsteht.

Gegenstand der Entscheidung ist die Besetzung des sechsköpfigen, bislang mitbestimmungsfreien Aufsichtsrats einer AG, die gemeinsam mit ihren Tochtergesellschaften weltweit mehr als 10.000 Arbeitnehmer beschäftigte, davon mehr als 2.000 (und weniger als 10.000) Arbeitnehmer im Inland. Gemeinsam mit einer Gesellschaft niederländischen Rechts stellte die AG im Juli 2017 einen Verschmelzungsplan zur Gründung einer SE auf. Kurz darauf verlangte der Antragsteller die Überprüfung der Aufsichtsratszusammensetzung. Im Oktober 2017 konstituierte sich das besondere Verhandlungsgremium gemäß §§ 4 ff. SEBG mit dem Ziel, eine Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer in der künftigen SE abzuschließen.

In ihrer Entscheidung stellt die Kammer fest, dass die AG gemäß § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 7 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG einen zwölfköpfigen paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat einzurichten hat. Dies ergebe sich aus der Zahl der konzernweit im Inland beschäftigten Arbeitnehmer. Für eine Einberechnung der im Ausland beschäftigten Arbeitnehmer sieht die Kammer – ebenso wie jüngst eine Reihe weiterer Landgerichte (zuletzt das LG Hamburg, siehe hierzu den Beitrag von Dr. Klaus von der Linden vom 14. März 2018) – keinen Anlass.

Die geplante SE-Gründung lasse das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag nicht entfallen. Zwar habe die Entscheidung bei kurzfristiger Eintragung der SE und entsprechendem Untergehen der AG möglicherweise keine unmittelbaren Rechtsfolgen mehr. Es stehe jedoch gegenwärtig noch nicht fest, ob die Verhandlungen mit dem besonderen Verhandlungsgremium innerhalb der nächsten Wochen abgeschlossen werden könnten und ob der Eintragung der SE keine Hindernisse entgegenstünden.

Darüber hinaus könne die Entscheidung auch nach Eintragung der SE noch Rechtsfolgen entfalten. Denn für den Fall, dass eine Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer nicht zustande komme, hänge die Ausgestaltung der Mitbestimmung in der SE von der Mitbestimmungssituation bei den Gründungsgesellschaften ab (§§ 22, 34 ff. SEBG). Dabei sei umstritten, ob auf die bei SE-Entstehung tatsächlich praktizierte oder auf die zu diesem Zeitpunkt rechtlich gebotene Art der Mitbestimmung abzustellen sei (siehe zu dieser Frage auch die Beschlüsse des LG Frankfurt am Main vom 24. November 2017 – 3-05 O 63/17, 3-05 O 81/17, hierzu mein Beitrag vom 2. Februar 2018). Allein diese bestehende Ungewissheit rechtfertige eine Entscheidung der Kammer.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

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