Öffentlicher Dienst: Verlust des Sonderkündigungsschutzes bei Wechsel des Arbeitgebers

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 26.04.2018
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht2|8390 Aufrufe

Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes im Tarifgebiet West, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, können nach einer Beschäftigungsdauer von mehr als 15 Jahren nicht mehr ordentlich gekündigt werden, § 34 Abs. 2 TVöD. Beschäftigungszeit ist nach Absatz 3 derselben Bestimmung (nur) die bei demselben Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist. Tätigkeiten, die bei anderen Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes zurückgelegt wurden, bleiben auch dann außer Betracht, wenn sie ihrerseits in den Geltungsbereich des TVöD fielen.

Vor diesem Hintergrund hat das BAG die Revision einer Arbeitnehmerin, die sich gegen die ordentliche Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses richtete, zurückgewiesen. Die Klägerin war von 1991 bis 1999 bei der Stadt A, sodann nahtlos bei der Stadt V als Verwaltungsangestellte beschäftigt. Zum 1.1.2015 wechselte sie zur beklagten Stadt. Diese kündigte das Arbeitsverhältnis noch während der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG am 22.5.2015 ordentlich. Die Kündigungsschutzklage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.

Bei der Berechnung der für die Kündigungsfrist und den Ausschluss einer ordentlichen Kündigung maßgeblichen Beschäftigungszeit nach § 34 Abs. 1 Satz 2, § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD werden vorherige Beschäftigungszeiten bei anderen, vom Geltungsbereich des TVöD erfassten Arbeitgebern nicht berücksichtigt.

BAG, Urt. vom 22.2.2018 - 6 AZR 137/17, BeckRS 2018, 5517

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2 Kommentare

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Die Entscheidung ist leider wenig überzeugend. Zwar fehlt § 34 Abs. 3 S. 3 TvöD in der Tat in der Klammerverweisung, aber das rechtfertigt das Ergebnis vom Sinn und Zweck der Regelung her (der öffentliche Dienst als große Familie) nicht. Es hätte vielmehr nahegelegen, die Beschäftigungszeiten gemäß S. 3 anzuerkennen, gerade weil die Beschäftigungszeit in § 34 TvÖD geregelt ist. Das BAG hatte das in der im Urteil zitierten früheren Entscheidung sogar ausgeführt:

"Im Abschn. V des Tarifvertrags haben sie unter der Überschrift „Befristung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ in § 34 Abs. 3 TVöD nur festgelegt, welche Zeiten für die in § 34 Abs. 1 TVöD geregelten Kündigungsfristen maßgebend sind. Hätten die Tarifvertragsparteien des TVöD die Definition der Beschäftigungszeit in § 34 Abs. 3 TVöD über diesen Anwendungsbereich hinaus erstrecken wollen, hätte es von der tariflichen Regelungstechnik her nahe gelegen, den Begriff der Beschäftigungszeit nicht innerhalb einer Vorschrift zu bestimmen, die die Kündigung des Arbeitsverhältnisses regelt, sondern die Beschäftigungszeit im Abschn. I „Allgemeine Vorschriften“ oder jedenfalls in einer eigenen Tarifnorm zu definieren, wie dies in § 6 BMT-G erfolgt ist. " (BAG, Urteil vom 27. Januar 2011 – 6 AZR 590/09 – Rn. 16)

Die Entscheidung ist daher wenig überzeugend.

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Solche Regelungen fördern die (auch von den Arbeitgebern teilweise) gewünschte Mobilität nicht gerade, sondern bevorzugen diejenigen, die "zur rechten Zeit" (d.h. praktisch sofort) Schrauben schlagen und verharren.

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