LAG Hamburg: Einstweilige Verfügung zur Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 07.05.2018
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|6441 Aufrufe

Dass der Arbeitnehmer im laufenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich einen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung gegen seinen Arbeitgeber hat, ist höchstrichterlich (BAG GS 27.2.1985 – GS 1/84, NZA 1985, 702) schon lange geklärt. Wie aber steht es um die Durchsetzung dieses Anspruchs im Konfliktfall? Dieser kann sich insbesondere dann ergeben, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer kündigt und ihn bis zum Ablauf der Kündigungsfrist freistellt. Der betroffene wird die Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung vielfach akzeptieren, Kündigungsschutzklage erheben und auf eine Abfindung hoffen. Mitunter aber möchte der Arbeitnehmer um seinen Arbeitsplatz kämpfen und daher auch tatsächlich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist an seinem Arbeitsplatz verbleiben. Dann geht es wohlgemerkt nicht um den sog. Weiterbeschäftigungsanspruch, sondern um den Beschäftigungsanspruch im unstreitig noch bestehenden Arbeitsverhältnis. Die Rechtsprechung zur Durchsetzung dieses Anspruchs im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist leider uneinheitlich. Vor allem an das Vorliegen eines Verfügungsgrundes werden unterschiedliche Anforderungen gestellt. Die jetzt auch vom LAG Hamburg (Urteil vom 23.8.2017 - 5 SaGa 2/17, BeckRS 2017, 142045) vertretene Linie scheint sich durchzusetzen (so auch LAG Hamm 12.12.2001 - 10 Sa 1741/01, NZA-RR 2003, 311) und LAG Nürnberg 15.9.2015, BeckRS 2015, 72971): Demnach erfordert die vorläufige Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs im Wege einstweiligen Rechtsschutzes beim Verfügungsgrund weder ein gesteigertes Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers noch eine Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien. Zur Begründung führt das LAG aus: „Vielmehr folgt der Verfügungsgrund in diesen Fällen bereits aus dem Umstand, dass der im Rahmen der Prüfung des Verfügungsanspruchs angenommene Beschäftigungsanspruch mit jedem Tag der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers wegen Zeitablaufs jeweils nicht nachholbar ist und damit endgültig untergeht. Zwar gilt dies umgekehrt in gleicher Weise für den Arbeitgeber, der zur Beschäftigung des Arbeitnehmers verpflichtet wird, sodass aus seiner Sicht das Hauptsacheverfahren über das Bestehen des Beschäftigungsanspruchs bereits vorweggenommen wird. Die faktische Vorwegnahme der Hauptsache ist in dieser Situation aber unvermeidlich und sogar verfassungsrechtlich geboten. Beiden Parteien steht der Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes zu (Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG), der sich auch auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bezieht. Einstweiliger Rechtsschutz darf nicht deshalb verweigert werden, weil er notwendig eine Partei endgültig begünstigt und die Gegenpartei endgültig belastet. Einer besonderen Dringlichkeitssituation bedarf es für eine Befriedigungsverfügung auf Beschäftigung dabei nicht, weil sich die Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung bereits aus der besonderen Rechtsnatur des Beschäftigungsanspruchs ergibt, der aus dem grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers abgeleitet wird, und daraus, den endgültigen Verlust dieses im Rahmen der Prüfung des Verfügungsanspruchs festgestellten Rechts durch die lange Dauer eines entsprechenden Hauptsacheverfahrens zu vermeiden. Auch eine erstmalige oder erneute Interessenabwägung im Rahmen des Verfügungsgrundes ist entbehrlich, weil sie bereits bei der Prüfung des Verfügungsanspruchs abschließend vorzunehmen ist. Sie ist dessen Bestandteil. Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers entfällt bereits dann, wenn eigene schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers das allgemeine ideelle Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers, ggf. verstärkt durch besondere Interessen ideeller und/oder materieller Art, etwa Geltung in der Berufswelt, Ausbildung, Erhaltung von Fachkenntnissen, überwiegen, sodass sich die Frage der Eilbedürftigkeit seiner Durchsetzung schon nicht mehr stellt oder im umgekehrten Falle besteht.“ Auf eine Ausnahme weist das LAG Hamburg schließlich noch hin: Die Eildürftigkeit können im Einzelfall dadurch widerlegt werden, dass der Arbeitnehmer mit der Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahren unverhältnismäßig lange gewartet habe.

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