Datenschutz versus Medikamentenverkauf via Amazon

von Dr. Michaela Hermes, LL.M., veröffentlicht am 07.06.2018
Rechtsgebiete: DatenschutzrechtWeitere ThemenMedizinrecht|2551 Aufrufe

Das Landgericht (LG) Dessau-Roßlau untersagt einem Apotheker, Medikamente über die Plattform Amazon zu verkaufen. Es fehle an einer ausdrücklichen Einwilligung des Kunden in die Verarbeitung der Medikamentendaten. Darin liege ein Datenschutzverstoß urteilte das LG Dessau-Roßlau am 28.03.2018 – Az.: 3 O 29/17. Die Urteilsgründe liegen nun vor.

Der Fall

Ein Apotheker hatte apothekenpflichtige Medikamente über die Internetplattform Amazon angeboten. Bei der Bestellung der Arzneimittel wurden die Bestelldaten der Kunden nicht nur von der Apotheke, sondern auch von Amazon verarbeitet. Die Mitarbeiter von Amazon erlangten dadurch Kenntnis über die gekauften Medikamente. Die Kunden hatten zu Beginn des Bestellvorgangs nur den AGBs und der Datenschutzerklärung der Internet-Plattform zugestimmt. Eine ausdrückliche Einwilligung in die Erhebung und Speicherung der gesundheitsbezogenen Daten wurde nicht eingeholt.

Ein Mitbewerber sah in dem so konzipierten Verkauf einen Wettbewerbsverstoß (§§ 3, 7 UWG). Er mahnte seinen Konkurrenten zunächst ab, dann klagte er.

Das Landgericht schloss sich der Auffassung des Klägers an. Nach Ansicht der Richter gäbe die Bestellung von Medikamenten mögliche Hinweise auf eventuelle Krankheiten oder gesundheitliche Situationen der Kunden. Bei dieser Information handele es sich um eine besondere Art personenbezogener Daten. Durch den Vertriebsweg über Amazon kämen Personen mit gesundheitsbezogenen Daten in Kontakt, die nicht der besonderen Verschwiegenheits- und Geheimhaltungspflicht eines Apothekers unterlägen. Dadurch würden sowohl die datenschutzrechtlichen Vorschriften als auch die Vorschriften des Apothekengesetzes und der Apothekenbetriebsordnung verletzt, entschieden die Richter. Sie untersagten den Vertrieb von Medikamenten wegen des Verstoßes gegen das Einwilligungserfordernis bei der Erhebung von Gesundheitsdaten nach § 4, 4a Abs. 3 BDSG.

Praktische Anwendung des Urteils nach neuem Recht

Während der Geltung der DSRL fehlte eine einheitliche Definition des Begriffs der Gesundheitsdaten. Eine Definition findet sich nun in Art. 4 Nr. 15 Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO). Danach sind „Gesundheitsdaten personenbezogene Daten, die sich auf die körperliche oder geistige Gesundheit einer natürlichen Person, …, beziehen und aus denen Informationen über deren Gesundheitszustand hervorgehen“. Auf die mittelbaren Rückschlüsse hat auch das Landgericht bei seiner Entscheidungsfindung abgestellt.

Erwägungsgrund 35 der DS-GVO konkretisiert die Definition der Gesundheitsdaten.

Hinweise für die Praxis

Amazon ist eine begehrte Plattform für viele Händler auch im Gesundheitsbereich. Sofern Amazon seinen Vertriebsweg nicht umgestaltet und die Einholung einer gesonderten Einwilligung vorsieht, läuft der Anbieter gesundheitsbezogener Produkte Gefahr, abgemahnt zu werden.

Eine sorgfältige Analyse und Abgrenzung bei der Bestimmung der Gesundheitsdaten ist außerdem nötig. Nicht differenziert haben die Richter zwischen dem Bestellvorgang und der Einnahme von Medikamenten. Derjenige, der die Medikamente bestellt, muss sie nicht notwendigerweise selbst nehmen, sondern kann sie beispielsweise für ein Familienmitglied bestellt haben.

Viele Bestellungen, die Sport- und Ernährungsgewohnheiten zum Inhalt haben, lassen so Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand zu.  Pflaster, pflanzliche Salben, glutenfreie Produkte könnten Auskunft über Allergien, Unverträglichkeiten oder Verletzungen geben. Mittels modernster Forschungsmethoden konnte zum Beispiel ein Zusammenhang zwischen Lifestyle Gewohnheiten und Krankheiten festgestellt werden. Nach einer neuen Studie der Columbia University in New York City steht die Sitzdauer in unmittelbarer Beziehung zum Zuckerstoffwechsel. Je mehr Sitzstunden am Tag zusammen kommen, desto mehr tendiere der Metabolismus zu Diabetes, fanden die Wissenschaftler heraus. Wäre dann die Bestellung eines Bürostuhls ein gesundheitsrelevantes Datum? Nein. So hat das bayrische Landesamt für Datenschutzaufsicht im Kurzpapier Nr. 17 darauf hingewiesen, dass nicht jede mittelbare Angabe zu den besonderen Kategorien personenbezogener Daten gehört.  

Berufung wurde inzwischen eingelegt. Nun wird das Oberlandesgericht Naumburg sich mit der Angelegenheit befassen.

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