Revision des Nebenklägers: Wiedereinsetzung mit hohen Anforderungen

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 06.08.2018
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|1800 Aufrufe

Der Nebenklägervertreter hat die Revisionsbegründungsfrist verbaselt. Dumm gelaufen. Wiedereinsetzung war da die richtige Idee. Aber dann hätte man mehr begründen müssen:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in zwei
tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit versuchtem Raub mit Todesfolge in zwei
tateinheitlichen Fällen, besonders schweren Raubes und schwerer Körperverletzung
sowie wegen Freiheitsberaubung von mehr als einer Woche in Tateinheit
mit falscher Verdächtigung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als
Gesamtstrafe verurteilt. Der Senat hat die hiergegen gerichtete Revision des
Angeklagten mit Beschluss vom heutigen Tag verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
Auch die Nebenklägerin hat gegen das Urteil form- und fristgerecht Revision
eingelegt. Die Revisionsrechtfertigung, mit der sie ohne nähere Begründung die
Verletzung materiellen Rechts rügt, ist erst am 23. August 2017 und damit nach
der mit Ablauf des 11. August 2017 endenden Monatsfrist zur Begründung des
Rechtsmittels eingegangen. Das Landgericht hat das Rechtsmittel mit Beschluss
vom 30. August 2017 als unzulässig verworfen (§ 346 Abs. 1 StPO).
Die Nebenklägerin hat daraufhin mit Schreiben vom 11. September 2017
beantragt, ihr Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung des
Rechtsmittels zu gewähren.
Der Wiedereinsetzungsantrag ist unzulässig (§ 46 Abs. 1 StPO). Insoweit
hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt:

„Der Antrag der Nebenklägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand ist unzulässig, da er nicht den Voraussetzungen des § 45
Abs. 2 Satz 1 StPO entspricht.

a) Im Unterschied zum Angeklagten ist einem Nebenkläger nach
ständiger Rechtsprechung das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten,
der nach Versäumung der Frist zur Revisionsbegründung
Wiedereinsetzung beantragt, nach dem allgemeinen
Verfahrensgrundsatz des § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen. Für die
Frage, ob der prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt für Verschulden
seines Kanzleipersonals haftet, kommt es darauf an, ob dieses
sorgfältig ausgewählt und überwacht wird und ob eine zur
Verhinderung von Fristüberschreitungen taugliche Büroorganisation
vorhanden ist (BGH, Beschluss vom 28. April 2016 - 4 StR
474/15; BGH, Beschluss vom 17. März 2010 - 2 StR 27/10;
Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 44, Rn. 19 f.; KK-Maul,
StPO, 7. Aufl., § 44, Rn. 34 f., jeweils m.w.N.). Deshalb erfordert
die Begründung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand nicht nur eine genaue Darlegung und Glaubhaftmachung
aller zwischen dem Beginn und Ende der versäumten Frist
liegenden Umstände, die für die Frage bedeutsam sind, wie und
gegebenenfalls durch wessen Verschulden es zur Versäumnis ge-
kommen ist (BGH, Beschluss vom 28. April 2016 - 4 StR 474/15;
BGH, Beschluss vom 3. April 1987 - 2 StR 109/87, BGHR StPO
§ 45 Abs. 2 Tatsachenvortrag 1). Vorzutragen sind ferner diejenigen
Tatsachen, die ein der Wiedereinsetzung entgegenstehendes
Verschulden des Bevollmächtigten ausschließen. Dies betrifft insbesondere
die organisatorischen Vorkehrungen, durch die im
Rahmen der Arbeitsabläufe in der Kanzlei sichergestellt werden
soll, dass ein fristgebundener Schriftsatz nicht nur rechtzeitig fertiggestellt,
sondern auch innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen
Gericht eingeht
(BGH, Beschluss vom 28. April 2016
- 4 StR 474/15).

b) Der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Nebenklägerin genügt
diesen Anforderungen nicht, da er ein eigenes Verschulden
des Bevollmächtigten nicht auszuschließen vermag. Zwar darf ein
Rechtsanwalt in einfach gelagerten Fällen die Feststellung des
Fristbeginns und die Berechnung einer Frist gut ausgebildeten und
sorgfältig überwachten Büroangestellten überlassen (BGH, Beschluss
vom 28. April 2016 - 4 StR 474/15 m.w.N.). Durch eine
geeignete Büroorganisation muss jedoch sichergestellt sein, dass
nur solche Kanzleibeschäftigte Rechtsmittelfristen in den Handakten
vermerken bzw. im Fristenkalender notieren, die diesen Ausbildungsanforderungen
gerecht und insoweit sorgfältig überwacht
werden.
Der Vortrag des Vertreters der Nebenklägerin verhält sich
hierzu nicht. Weder wird eine generelle Büroorganisation vorgetragen
- die Darlegungen beschränken sich insoweit auf die Abläufe
im konkreten Einzelfall - noch dargelegt, ob die in Frage kommenden
Kanzleimitarbeiterinnen gut ausgebildet waren und wie
deren sorgfältige Überwachung erfolgt ist. Der Vortrag, dass nicht 
nachvollzogen werden kann, welche der Mitarbeiterinnen der
Kanzlei das Empfangsbekenntnis scheinbar nicht richtig gelesen
hat, lässt vielmehr auf ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten
schließen.“

Diesen Ausführungen tritt der Senat bei.

BGH, Beschl. v. 11.7.2018 - 2 StR 467/17

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