Diskussionstipp von Alexander Würdinger: Das BVerfG und der Inhalt des Klageerzwingungsantrags

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 02.09.2018
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht1738|99524 Aufrufe

Alexander Würdinger ist ja den Bloglesern schon bekannt. Er ist einer der wenigen Juristen, die sich seit langem und regelmäßig kritisch mit der Rechtsprechung zum Klageerzwingungsverfahren befassen. Er hat mich nun gebeten, doch einmal zu  BVerfG, Beschl. v. 2.7.2018 - 2 BvR 1550/17  eine Diskussion im Blog anzustoßen. Mach ich doch gerne!

Das BVerfG befasst sich in der Entscheidung mit der Frage, ob die Rechtsprechung der OLGe zum Klageerzwingungsverfahren noch verfassungsgemäß ist. Die Verfassungsbeschwerde war zwar erfolglos - das BVerfG lässt aber durchblicken: "Die OLGe sind zuuuuuu streng, was die Antragsprüfung angeht!"

 

Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, das Oberlandesgericht Rostock habe seinen Sachvortrag nicht zur Kenntnis genommen und überspitzte Anforderungen an die Voraussetzungen des § 172 Abs. 3 StPO gestellt. Es setze sich nur pauschal mit dem Klageerzwingungsantrag auseinander, der den gesetzlichen Anforderungen an dessen Zulässigkeit genüge. Dieser enthalte insbesondere eine aus sich heraus verständliche Sachverhaltsdarstellung. Dem Antrag könnten auch die erforderlichen Tatsachen und Beweismittel entnommen werden, ohne dass die staatsanwaltlichen Akten hätten beigezogen werden müssen.

III.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Zwar verletzt der angefochtene Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock den Beschwerdeführer in seinem Grundecht aus Art. 19 Abs. 4 GG (1.). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist jedoch nicht zur Durchsetzung seiner in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), weil die Tat möglicherweise verjährt ist (2.).

1. Der angefochtene Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG, weil das Gericht überspannte Anforderungen an den Inhalt des Klageerzwingungsantrags gestellt hat.

a) Nach Art. 19 Abs. 4 GG darf der Zugang zu den Gerichten und den vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 40, 272 <275>; 78, 88 <99>; 88, 118 <124>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 13). Dies muss auch der Richter bei der Auslegung prozessualer Normen beachten. Er darf ein von der Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch eine überstrenge Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen (vgl. BVerfGE 77, 275 <284>; 96, 27 <39>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O.). Formerfordernisse dürfen nicht weitergehen, als es durch ihren Zweck geboten ist, da von ihnen die Gewährung des Rechtsschutzes abhängt (vgl. BVerfGE 88, 118 <125>; BVerfGK 14, 211 <214>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O.). Dies gilt auch für die Darlegungsanforderungen nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO (vgl. BVerfGK 2, 45 <50>; 5, 45 <48>; 14, 211 <214>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O.).

Es begegnet vor diesem Hintergrund keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO so auszulegen, dass der Klageerzwingungsantrag in groben Zügen den Gang des Ermittlungsverfahrens, den Inhalt der angegriffenen Bescheide und die Gründe für ihre Unrichtigkeit wiedergeben und eine aus sich selbst heraus verständliche Schilderung des Sachverhalts enthalten muss, der bei Unterstellung des hinreichenden Tatverdachts die Erhebung der öffentlichen Klage in materieller und formeller Hinsicht rechtfertigt. Denn diese Darlegungsanforderungen sollen die Oberlandesgerichte vor einer Überlastung durch unsachgemäße und unsubstantiierte Anträge bewahren und in die Lage versetzen, ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten eine Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen (vgl. BVerfGK 2, 45 <50>; 5, 45 <48>; 14, 211 <214 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O., Rn. 14).

Die Darlegungsanforderungen dürfen allerdings nicht überspannt werden, sondern müssen durch den Gesetzeszweck geboten sein (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O., Rn. 15). Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO erfordert zwar nur die Mitteilung des wesentlichen Inhalts der angegriffenen Bescheide sowie der Einlassung des Beschuldigten (vgl. BVerfGK 14, 211 <215>, m.w.N.), soweit diese im Einstellungsbescheid mitgeteilt wird (vgl. BVerfGK 14, 211 <216>). Eine Obliegenheit des Antragstellers, sich durch Akteneinsicht Kenntnis von der vollständigen Einlassung des Beschuldigten zu verschaffen und diese sodann auch vollständig mitzuteilen, besteht grundsätzlich nicht (vgl. BVerfGK 14, 211 <215>). Etwas Anderes gilt aber, wenn der Beschwerdeführer seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung maßgeblich auch mit Inhalten aus den Ermittlungsakten begründet. In diesem Fall ist der Beschwerdeführer gehalten, soll die vom Gesetzgeber implizit vorgesehene und verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Schlüssigkeitsprüfung allein auf der Grundlage des gestellten Antrags (vgl. BVerfGK 14, 211 <215>) nicht unterlaufen werden, zumindest den wesentlichen Inhalt der Beweismittel mitzuteilen, aus denen er auszugsweise vorträgt oder gar zitiert. Denn bei einer nur selektiven, im Einzelfall vielleicht sogar sinnentstellenden Wiedergabe von Teilen der Einlassung des Beschuldigten oder auch der Einvernahme von Zeugen kann ein unzutreffendes Bild vom Ermittlungsergebnis entstehen, das nicht ohne Weiteres wieder berichtigt werden kann. Soweit dies den Antragsteller verpflichtet, gegebenenfalls auch Umstände vorzutragen, welche den Beschuldigten entlasten könnten, ist dies hinzunehmen (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Mai 2015 - 2 BvR 987/11 -, juris, Rn. 34; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 15).

Der Zweck des Klageerzwingungsverfahrens darf nicht darauf verkürzt werden, den Oberlandesgerichten eine bloße Aufsicht über die Richtigkeit der staatsanwaltschaftlichen Einstellungsbescheide zu überantworten. Für die gerichtliche Kontrolle im Klageerzwingungsverfahren kommt es vielmehr darauf an, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung aus der Sicht des Oberlandesgerichts genügender Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage besteht (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 19).

Das Gericht darf deshalb im Hinblick auf die norminternen Direktiven des Art. 19 Abs. 4 GG einen Klageerzwingungsantrag nicht vorschnell aufgrund der formellen Hürden des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO verwerfen. Es hat insbesondere zu beachten, dass das Bestehen eines genügenden Anlasses zur Erhebung der öffentlichen Klage keine Voraussetzung für den Zugang des Antragstellers zu Gericht ist, sondern für die Anklageerhebung (§§ 170 Abs. 1, 174 Abs. 1 StPO). Die Zulässigkeit des Antrags gemäß § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO erfordert nicht das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 22). Dessen Vorliegen ist vom Gericht erst im Verfahren gemäß § 173 StPO zu prüfen, wobei es lückenschließende Ermittlungen anordnen kann. Die formalen Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO verlangen lediglich, dass der hinreichende Tatverdacht schlüssig dargelegt wird.

b) Gemessen daran halten die Erwägungen des Oberlandesgerichts Rostock den Anforderungen der Rechtsschutzgarantie nicht stand. Das Gericht hat die an einen Klageerzwingungsantrag zu stellenden Voraussetzungen überspannt.

aa) Der Klageerzwingungsantrag enthält entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts eine Darstellung des wesentlichen Inhalts der mitgeteilten Beweismittel.

Die Verpflichtung zur Wiedergabe des wesentlichen Inhalts eines Beweismittels dient dazu, dem Gericht die Überprüfung der schlüssigen Darlegung des genügenden Anlasses zur Erhebung der öffentlichen Klage zu ermöglichen, nicht jedoch des hinreichenden Tatverdachts an sich. Sie hat ferner den Zweck, eine Irreführung des Gerichts über den Inhalt und den Beweiswert des Beweismittels zu verhindern. Deshalb sind auch die Tatsachen mitzuteilen, die dem Antragsbegehren den Boden entziehen könnten (OLG Koblenz, Beschluss vom 21. Mai 2007 - 2 Ws 272/07 -, juris, Rn. 8). Bei einer nur selektiven, im Einzelfall vielleicht sogar sinnentstellenden Wiedergabe eines Beweismittels kann ein unzutreffendes Bild vom Ermittlungsergebnis entstehen, das nicht ohne Weiteres wieder berichtigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Mai 2015 - 2 BvR 987/11 -, juris, Rn. 34; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 15). Die Wiedergabe des wesentlichen Inhalts eines Beweismittels versetzt das Gericht in die Lage, die Schlüssigkeitsprüfung ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten vorzunehmen (vgl. BVerfGK 2, 45 <50>; 5, 45 <48>; 14, 211 <214 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O., Rn. 14).

Es gehört im Hinblick auf ein Sachverständigengutachten dagegen nicht zur Darstellung des wesentlichen Inhalts des mitgeteilten Beweismittels, dass die Ausführungen eines Sachverständigen vollständig wiedergegeben werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Mai 2017 - 2 BvR 1107/16 -, juris, Rn. 23). Müsste der Klageerzwingungsantrag den weitgehend vollständigen Inhalt der Beweismittel enthalten, könnte das Gericht schon allein anhand der Antragsschrift das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts prüfen, und nicht nur dessen schlüssige Darstellung. Einer Beiziehung der Ermittlungsakte bräuchte es dann selbst zur Prüfung eines genügenden Anlasses für die Erhebung der öffentlichen Klage nicht mehr. Eine Arbeitserleichterung wäre mit einem derart umfassenden Darlegungserfordernis nicht verbunden, wenn das Gericht die Schlüssigkeit anhand eines Klageerzwingungsantrags prüfen müsste, dessen Inhalt und Umfang sich kaum von dem der beizuziehenden Ermittlungsakte unterscheidet.

Der Klageerzwingungsantrag gibt den wesentlichen Inhalt auch der Gutachten wieder, die gegen das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts sprechen. Dabei handelt es sich um die Auszüge aus dem vorläufigen Sektionsgutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin G. vom 16. August 2010, aus dem toxikologisch-chemischen Gutachten des Arbeitsbereiches Forensische Toxikologie und Alkoholanalytik des Universitätsklinikums G. vom 6. Januar 2011, aus dem Sachverständigengutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin G. vom 6. Dezember 2012, dem Onkologischen Gutachten der Klinik für Hämatologie und Medizinische Onkologie der Universitätsmedizin Gö. vom 10. Februar 2014 sowie der ergänzenden Stellungnahme des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin G. vom 18. Dezember 2016. Diese Gutachten werden in ihrem Kerngehalt und ihren Schlussfolgerungen dargestellt. Ein unzutreffendes oder entstellendes Bild des Ermittlungsergebnisses wird dem Gericht hierdurch nicht präsentiert und es werden auch keine Umstände verheimlicht, die dem Antragsbegehren den Boden entziehen könnten. Hinzu kommt, dass sich der Antragsteller in seinem Klageerzwingungsantrag detailliert und argumentativ mit diesen Gutachten auseinandersetzt und versucht, deren Unrichtigkeit darzulegen. Zwar betont der Beschwerdeführer die für einen hinreichenden Tatverdacht sprechenden Umstände stärker und widmet diesen mehr Raum als Umständen, die gegen dessen Vorliegen sprechen. Das macht den Antrag jedoch noch nicht unzulässig. Die Würdigung der im Ermittlungsverfahren hervorgebrachten Beweise ist vielmehr eine Frage der Begründetheit des Antrags.

bb) Die Antragsschrift widerspricht im vorliegenden Einzelfall auch nicht deswegen den Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO, weil sie Scans von und Direktzitate aus Sachverständigengutachten enthält oder auf Anlagen Bezug nimmt.

(1) Ein Klageerzwingungsantrag ist grundsätzlich unzulässig, wenn in Bezug genommene Bestandteile in die Antragsschrift hineinkopiert werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Januar 2017 - 2 BvR 225/16 -, juris, Rn. 7; VerfGH Berlin, Beschluss vom 30. April 2004 - VerfGH 128/03 -, NJW 2004, 2728; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Mai 1983 - 1 Ws 335/83 -, StV 1983, 498; OLG Celle, NStZ 1997, 406; vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 16. Dezember 2014 - III-1 Ws 521/14, 1 Ws 521/14 -, juris, Rn. 11; Graalmann-Scheerer, in: Löwe-Rosenberg, Strafprozessordnung, 26. Aufl. 2007, § 172, Rn. 156; Kölbel, in: Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2016, § 172 Rn. 70; Moldenhauer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013; § 172 Rn. 37). Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, sich den entscheidungserheblichen Sachverhalt selbst aus Anlagen zusammenzustellen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 8. September 2003 - 1 Ws 242/03 -, NStZ-RR 2003, 331; Moldenhauer, a.a.O.), insbesondere wenn durch das Einkopieren von Strafanzeigen oder Beschwerdeschriften die Sachdarstellung verunklart wird. Ausnahmen hiervon werden jedoch für zulässig erachtet, wenn es auf den Wortlaut der eingefügten Unterlagen ankommt und das Hineinkopieren lediglich das - anderenfalls notwendige - vollständige Abschreiben dieser Unterlagen ersetzt. Entscheidend ist, dass das Gericht nicht gezwungen wird, sich den relevanten Verfahrensstoff aus einer Vielzahl (möglicherweise unsystematisierter) Kopien selbst zusammenzustellen (OLG Hamm, a.a.O., Leitsatz und Rn. 11; Kölbel, a.a.O., Rn. 71). Anderenfalls läuft der Antragsteller Gefahr, zu wenig aus dem Gutachten eines Sachverständigen oder der Aussage eines Zeugen wiederzugeben, so dass sein Antrag an der Hürde zur Wiedergabe des wesentlichen Inhalts eines Beweismittels (vgl. aa) scheitern würde.

(2) Vor dem Hintergrund der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG kann es keinen Unterschied machen, ob der Antragsteller in einem Klageerzwingungsantrag entscheidende Passagen aus dem Gutachten eines Sachverständigen in indirekter Rede im Fließtext wiedergibt oder sich der Einfügung von Scans oder Direktzitaten bedient. Die in die Antragsschrift eingefügten Auszüge aus Sachverständigengutachten haben lediglich erläuternden Charakter. Sie dienen dazu, den wesentlichen Inhalt der Beweismittel darzustellen, die Argumentation der dem Antrag zugrunde gelegten Beweiswürdigung zu unterstreichen und die den Beschuldigten zur Last liegenden Pflichtverletzungen zu konkretisieren. Sie haben - gemessen am Gesamtumfang der Antragsschrift - einen nicht übermäßig ins Gewicht fallenden Umfang. Das Gericht musste sich aus den eingefügten Scans und Direktzitaten nicht erst selbst den entscheidungserheblichen Sachverhalt oder den wesentlichen Inhalt der Beweismittel heraussuchen.

cc) Der Klageerzwingungsantrag widerspricht auch nicht deshalb den Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO, weil er angeblich auf weitere Anlagen mit einem Umfang von insgesamt 136 oder 196 Seiten Bezug nimmt, die das Oberlandesgericht hätte lesen müssen, um sich ein eigenes Bild vom Krankheitsverlauf und den durchgeführten Behandlungsmaßnahmen zu verschaffen. Der Strafsenat übersieht hierbei, dass die Anlagen nicht derart in Bezug genommen werden, dass die Kenntnis ihres Inhalts den im Klageerzwingungsantrag erforderlichen Sachvortrag ersetzen soll. Der wesentliche Inhalt der in Bezug genommenen Anlagen war bereits in einer § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO genügenden Art und Weise im Antrag selbst enthalten. Die an sich überflüssige Bezugnahme auf Anlagen kann einen zulässigen Klageerzwingungsantrag nicht unzulässig machen. Sie hatten offensichtlich nur den Zweck, die Übereinstimmung der Angaben des Antragstellers mit dem Akteninhalt zu belegen.

dd) Aus diesem Grund ist es auch unbeachtlich, dass die Anlagen erst nach Ablauf der Frist des § 172 Abs. 3 Satz 2 StPO beim Oberlandesgericht Rostock eingegangen sind. Nach Fristablauf ist eine inhaltliche Nachbesserung des Antrags nur dann nicht mehr möglich, wenn die Ausgangsfassung des Antrags nicht ausreichend und deshalb unzulässig war (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 11. November 1997 - Ws 1078/97 -, juris, Rn. 15; OLG Hamm, Beschluss vom 4. Juli 2002 - 2 Ws 213/02 -, juris, Rn. 4; Kölbel, a.a.O., Rn. 58; Graalmann-Scheerer, a.a.O., Rn. 128). Der hier zur Beurteilung stehende Antrag war jedoch bereits vor Fristablauf in einer den Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO genügenden Weise beim Oberlandesgericht Rostock eingegangen.

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist jedoch nicht zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt, weil deutlich abzusehen ist, dass sein Klageerzwingungsantrag auch im Falle einer Zurückverweisung an das Ausgangsgericht im Ergebnis keinen Erfolg haben würde (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 5. April 2012 - 2 BvR 211/12 -, juris, Rn. 16; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juli 2016 - 1 BvR 1225/15 -, juris, Rn. 19; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Juli 2017 - 2 BvR 2157/15 -, juris, Rn. 32). Soweit sich aus dem Klageerzwingungsantrag schlüssig dargelegte Anhaltspunkte für eine fahrlässige Tötung ergeben könnten, wäre die Tat unter Zugrundelegung der im Antrag enthaltenen Darstellung des Gangs des Ermittlungsverfahrens verjährt.

 

a) Fahrlässige Tötung ist mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bedroht (§ 222 StGB). Die Verfolgung der Tat verjährt somit gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB in fünf Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 78a Satz 1 StGB mit der Beendigung der Tat, vorliegend mit dem Tod der Ehefrau des Beschwerdeführers am 1. Juni 2010.

b) Als verjährungsunterbrechende Maßnahmen lassen sich dem Klageerzwingungsantrag lediglich die richterlichen Durchsuchungsanordnungen des Amtsgerichts Neubrandenburg vom 3. Juni 2010, 9. August 2010 und 29. September 2010 entnehmen (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB).

Die eingeholten rechtsmedizinischen Gutachten haben den Lauf der Verfolgungsverjährung dagegen nicht unterbrochen. Aus dem Klageerzwingungsantrag ergibt sich nicht, dass die Beauftragung der Sachverständigen erfolgte, nachdem die Beschuldigten vernommen oder ihnen die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekannt gegeben wurden (§ 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB). Die Erfassung eines oder mehrerer Beschuldigter in einem staatsanwaltlichen Verfahren oder die Umschreibung eines UJs-Verfahrens in ein Js-Verfahren am 22. Oktober 2013 (vgl. Bl. 38 d. A.) stellen interne Akte innerhalb der Strafverfolgungsbehörde dar und stehen nach dem klaren Wortlaut von § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB einer Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens an die Beschuldigten nicht gleich.

Damit konnte die angezeigte Tat nach Ablauf des 28. September 2015 nicht mehr verfolgt werden.

3. Dass die Strafverfolgungsorgane keine Maßnahmen getroffen haben, die Verjährung zu unterbrechen, begegnet für sich genommen noch keinen Bedenken.

Zwar verpflichten Art. 2 Abs. 2 Sätze 1 und 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG den Staat, sich dort schützend und fördernd vor das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit und die sexuelle Selbstbestimmung des Einzelnen zu stellen und sie vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten Dritter zu bewahren (vgl. BVerfGE 39, 1 <42>; 46, 160 <164>; 121, 317 <356>; BVerfGK 17, 1 <5>), wo die Grundrechtsberechtigten selbst nicht dazu in der Lage sind. Die wirksame Verfolgung von Gewaltverbrechen und vergleichbaren Straftaten stellt allerdings eine Konkretisierung der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Sätze 1 und 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. BVerfGK 17, 1 <5>), die Grundlage subjektiver öffentlicher Rechte sein kann. Insoweit besteht ein Anspruch auf eine effektive Strafverfolgung dort, wo der Einzelne nicht in der Lage ist, erhebliche Straftaten gegen seine höchstpersönlichen Rechtsgüter - Leben, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Selbstbestimmung und Freiheit der Person - abzuwehren und ein Verzicht auf die effektive Verfolgung solcher Taten zu einer Erschütterung des Vertrauens in das Gewaltmonopol des Staates und einem allgemeinen Klima der Rechtsunsicherheit und Gewalt führen kann. In solchen Fällen kann ein Tätigwerden des Staates und seiner Organe auch mit den Mitteln des Strafrechts verlangt werden (vgl. BVerfGE 39, 1 <36 ff.>; 49, 89 <141 f.>; 53, 30 <57 f.>; 77, 170 <214>; 88, 203 <251>; 90, 145 <195>; 92, 26 <46>; 97, 169 <176 f.>; 109, 190 <236>). Bei Kapitaldelikten kann ein solcher Anspruch auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 1 Abs. 1 GG auch nahen Angehörigen zustehen (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Mai 2015, a.a.O., Rn. 19 f.).

Die Landesjustizverwaltungen haben daher zum Schutz des Anspruchs auf effektive Strafverfolgung durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass Ermittlungsverfahren zeitnah abgeschlossen werden, so dass es dem Antragsberechtigten grundsätzlich noch innerhalb der Verjährungsfristen möglich ist, rechtzeitig einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 2 und Abs. 3 StPO zu stellen. Dass sie diese Pflicht verletzt haben, ist vorliegend jedoch nicht dargelegt.

 

BVerfG, Beschl. v. 2.7.2018 - 2 BvR 1550/17

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1738 Kommentare

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Naja, über "Objektivität" in der "Wissenschaft" diskutiere ich jetzt nicht mit Ihnen. Man muss schon ziemlich naiv sein, um anzunehmen, der eine Autor verfolge seine eigenen Interessen und der andere Autor nicht. Entscheidend ist doch: Sind die Thesen aus meinem Aufsatz richtig oder falsch? Ist es richtig, die VwGO auf die Verfahren nach den §§ 172 ff StPO, KlEV und EEV, anzuwenden oder nicht? 

Entscheidend ist doch: Sind die Thesen aus meinem Aufsatz richtig oder falsch?

Subjektive motivierte Thesen, die sich objektiv bemänteln, sind immer falsch.

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Können Sie sich an die Pressekonferenz mit dem seinerzeitigen Fußball-Bundestrainer Ribbeck erinnern? Wie ausführlich Ribbeck zwischen "Subjektivität" und "Objektivität" unterschied? Was Ribbeck sagte, lief damals darauf hinaus, dass alles, was Ribbeck sagte, selbstverständlich die reine Objektivität war, während alles, was alle Anderen sagten, ebenso selbstverständlich die reine Subjektivität darstellte. Und darüber, was subjektiv und was objektiv ist, entschied natürlich letztinstanzlich der Fußball-Bundestrainer Ribbeck. 

Mit Fußball kenne ich mich gar nicht aus. Deshalb schreibe ich auch nichts dazu. Womit ich mich aber auskenne, ist der Interessenkonflikt, der entsteht, wenn Sie ständig in eigener Sache angeblich objektiv mit angeblich objektiven Wahrheiten argumentieren. Bei einem Richter würde man von Befangenheit sprechen.

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Der "Interessenkonflikt" sagt aber nichts darüber aus, ob es in der Sache richtig ist, die VwGO auf die Verfahren nach den §§ 172 ff StPO, KlEV und EEV, anzuwenden oder nicht. Man muss sich schon die Mühe machen, der Sache auf den Grund zu gehen. 

Wenn man sich in einem Interessenkonflikt befindet, schreibt man auf seriösen Plattformen überhaupt nicht, jedenfalls nicht ohne offene Bekanntgabe des Interessenkonflikts, weil zu vermuten steht, dass man nämlich "in der Sache" befangenen Unfug schreibt. Bei befangenen Richtern fragt man ja auch danach, ob ihr Urteil "in der Sache richtig ist" und sagt nicht "Man muss sich schon die Mühe machen, der Sache auf den Grund zu gehen". Diese Mühe kann man sich bei Befangenheit sparen.

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Der Unterschied zur Befangenheit von Richtern ist ganz einfach: Ich entscheide gar nichts, schon gar nicht letztinstanzlich. Stattdessen argumentiere ich. Das heißt für Sie: Sie müssen schon meine Argumente darauf hin untersuchen, ob meine Argumente gut oder schlecht, überzeugend oder weniger überzeugend sind. Ich bin eben gerade nicht in der Position eines Richters, der irgend etwas rechtsverbindlich entscheidet. 

Im übrigen, merken Sie das nicht? Es geht in der Diskussion schon gar nicht mehr darum, ob die Anwendung der VwGO auf die Verfahren nach den §§ 172 ff StPO richtig ist, sondern es geht nur noch darum, ob man dazu das Gesetz ändern muss oder nicht. 

...geht nur noch darum, ob man dazu das Gesetz ändern muss oder nicht.

Verfassungsrechtlich zwingend ist das weder noch. Das BVerfG, der BayVerfGH und das OLG München haben weder das eine noch das andere gefordert und nicht einmal in den Raum oder zur Diskussion gestellt. Das bedeutet natürlich nicht, dass der Gesetzgeber ggf. keine Besserstellung des Verletzten beschließen könnte...

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...aber verpflichtet ist er nicht. Und ohne Gesetzgeber, also im Rahmen einer "unbegrenzten Auslegung", wie Sie sie wünschen, geht natürlich gar nichts.

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Die Anwendung der VwGO auf die Verfahren nach den §§ 172 ff StPO, KlEV und EEV, ist verfassungsrechtlich zwingend aufgrund der Vorgaben der Art. 19 IV GG und Art. 103 I GG. Einer Gesetzesänderung bedarf es dazu selbstverständlich nicht. 

Mir ist kein einziges Beispiel bekannt, in dem Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte Analogie des einfachen Rechts gebieten. Auch hier ist das nicht der Fall.

Das Wirksamkeitsgebot des 19 IV GG mündet nicht in der Forderung nach einem "optimalen" oder "maximalen" Gerichtsschutz. Der Wirksamkeitsgedanke ist eine teleologische Auslegungshilfe (Schmidt-Aßmann: in Maunz-Dürig, Art. 19 IV Rn. 229).

Der verfassungsrechtliche Anspruch des Opfers oder des Verletzten auf effektive Strafverfolgung lässt sich nicht allein aus 19 IV GG herleiten, sondern nur i.V.m. §§ 172 ff. StPO. Ersatzlose Aufhebung des Klageerzwingungsverfahrens durch den Gesetzgeber wäre also mit 19 IV GG durchaus vereinbar und auch nicht verfassungswidrig. Regelt der Gesetzgeber das Verfahren aber - wie in 172 ff. StPO, dann schützt der Anspruch aus 19 IV die Verletzten davor, dass Gerichte die Anforderungen an das Verfahren so überspannen, dass die Rechtsverfolgung im Wege des gesetzlich geregelten Rechtsbehelfs ineffektiv wird.

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Nein, das ist schlichter Unsinn, was Sie daherreden.  In Wahrheit gibt es ein glasklares (materielles) Grundrecht, nämlich den  Anspruch auf Strafverfolgung Dritter[23][24]                                                                                                                                                                    

 

  1. Hochspringen Dirk Diehm, Der subjektive Anspruch auf effektive Strafverfolgung in: Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Band 4, Herausgeber: Fabian Scheffczyk und Kathleen Wolter, ISBN 978-3-11-042644-1, S. 223–246 online
  2. Hochspringen Helge Sodan, Kommentar zum Grundgesetz, 3. Aufl. 2015, Rn. 23a und 34a zu Art. 2 GG, das (prozessual) insbesondere durch  Art. 19 IV und Art. 103 I GG geschützt werden muss. So einfach und klar liegen in Wahrheit die Dinge. 

Das glasklare (materielle) Grundrecht, nämlich der Anspruch auf Strafverfolgung Dritter ergibt sich auch aus der Kommentierung im Standardkommentar zur StPO. Im Meyer-Goßner/Schmitt, Rn. 1a zu § 172 StPO, lautet der diesbezügliche Text (ohne Fundstellen):

„Über § 172 hinaus gibt es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf Strafverfolgung eines anderen. Nach neuerer Rechtsprechung des BVerfG besteht allerdings ein verfassungsrechtlicher Rechtsanspruch des Verletzten auf wirksame Strafverfolgung gegen Dritte in bestimmten Fallkonstellationen. Dies wurde angenommen bei erheblichen Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung und die Freiheit der Person, bei spezifischen Fürsorge- und Obhutspflichten des Staates ggü Personen, die ihm anvertraut sind sowie bei Vorwürfen, ein Amtsträger habe bei Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben Straftaten begangen.“

Dieses Grundrecht muss (prozessual) v.a. durch  Art. 19 IV und Art. 103 I GG geschützt werden. 

"Art. 19 IV selbst begründet die Rechte, zu deren Verteidigung er geschaffen ist, nicht, sondern setzt sie voraus" (Rn. 119).

Ich habe zwar nur Schmidt-Aßmann aus Maunz-Dürig zitiert. Aber so oder sinngemäß steht es in vielen Lehrbüchern und Kommentaren zum GG.

"Die normative Basis der subjektiven Rechte muß danach zu allererst im einfachen Recht gesucht werden" (Rn. 127). Das ist auch der Ansatz der Schutznormlehre.

Genau so habe ich es noch (bei Tomuschat) gelernt. Meine Vorlesungen zum GG mögen zwar schon lange her sein. Aber ich gehe davon aus, dass es immer noch so an den Unis gelehrt wird. Die Entscheidung des BVerfG gibt auch nichts anderes her. Das Recht bzw. der Anspruch des "Verletzten" auf Strafverfolgung ergibt sich aus dem einfachen Recht - dem 172 StPO. Dessen Effektivität oder Wirksamkeit wird durch 19 IV GG verfassungsrechtlich geschützt.

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Nein, das (materielle) Grundrecht ergibt sich hier aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG. Rn. 10 der Tennessee Eisenberg-Entscheidung vom 26. Juni 2014, lautet etwa:

b) Die wirksame Verfolgung von Gewaltverbrechen und vergleichbaren Straftaten stellt eine Konkretisierung der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. BVerfGK 17, 1 <5>). Vor diesem Hintergrund besteht ein Anspruch auf eine effektive Strafverfolgung dort, wo der Einzelne nicht in der Lage ist, erhebliche Straftaten gegen seine höchstpersönlichen Rechtsgüter - Leben, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Selbstbestimmung und Freiheit der Person - abzuwehren und ein Verzicht auf die effektive Verfolgung solcher Taten zu einer Erschütterung des Vertrauens in das Gewaltmonopol des Staates und einem allgemeinen Klima der Rechtsunsicherheit und Gewalt führen kann. In solchen Fällen kann, gestützt auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG, ein Tätigwerden des Staates und seiner Organe verlangt werden (vgl. BVerfGE 39, 1 <36 ff.>; 49, 89 <141 f.>; 53, 30 <57 f.>; 77, 170 <214>; 88, 203 <251>; 90, 145 <195>; 92, 26 <46>; 97, 169 <176 f.>; 109, 190 <236>). Bei Kapitaldelikten kann ein solcher Anspruch auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 1 Abs. 1 GG auch nahen Angehörigen zustehen.

Die prozessuale Durchsetzung dieses materiellen Grundrechts erfolgt v.a. durch die Art. 19 IV GG und Art. 103 I GG. 

Die wirksame Verfolgung von Gewaltverbrechen und vergleichbaren Straftaten stellt eine Konkretisierung der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG dar

Für die "wirksame Verfolgung von Gewaltverbrechen" braucht es aber keine VwGO, keine Abschaffung der Vorschaltbeschwerde, keinen Würdinger und auch kein Schwarzwäldertortebackrezept.

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In Wahrheit gibt es ein glasklares (materielles) Grundrecht, nämlich den Anspruch auf Strafverfolgung Dritter...

Nein. Es gibt kein "Grundrecht auf Strafverfolgung Dritter". Vielmehr lässt sich dem Grundgesetz gerade grundsätzlich kein Anspruch auf Strafverfolgung Dritter entnehmen (BVerfG, B. v. 26.6.2014 - 2 BvR 2699/10, Rdnr. 8), und zwar nicht einmal einfachrechtlich, geschweige denn als Grundrecht. Soweit es in eng begrenzten - besonders schweren - Sonderfällen einen Anspruch auf Strafverfolgung Dritter geben mag, folgt das aus anderen Grundrechten, insbes. als Konkretisierung der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG (BVerfG, a. a. O., Rdnr. 10). Diese Erfüllung der Verpflichtung zur effektiven Strafverfolgung unterliegt der gerichtlichen Kontrolle gem. §§ 172 ff. StPO (BVerfG, a. a. O., Rdnr. 15). Neben effektiv angewendeten §§ 172 ff. StPO bedarf es also keiner weiteren Regelungen, insbes. keiner (völlig abwegigen) Anwendung der VwGO. Und wer die Formalien unterläßt und sich so dumm anstellt wie Sie, indem er gar keine Vorschaltbeschwerde gem § 172 Abs. 2 StPO einlegt noch gar ihr Ergebnis abwartet, hat also keinen "Anspruch auf Strafverfolgung Dritter", ganz unabhängig davon, dass in Ihrem popeligen Fall ohnehin kein Fall eines "Anspruch auf Strafverfolgung Dritter" vorliegt.

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Sie werfen alles durcheinander. Stattdessen gibt es folgende drei klar gegliederte Punkte:

1.) Das materielle Grundrecht

2.) Dessen prozessuale Durchsetzung

3.) Die sog. "Vorschaltbeschwerde" ist entbehrlich, die Münchner GenStA wurde auch in keinem der Fälle in irgendeiner Weise "übergangen". 

Das ist aber alles schon doppelt und dreifach in den bisher rund 370 Kommentaren beschrieben. Es wundert mich ein klein wenig, warum Sie immer wieder auf demselben Unsinn beharren.   

Es wundert mich ein klein wenig, warum Sie immer wieder auf demselben Unsinn beharren.

Und ich wundere mich, dass Sie immer noch darauf beharren, dass Sie angeblich verfassungswidrig behandelt worden sein wollen, obwohl Sie ganz einfach nicht die gesetzlich vorgeschriebenen prozessualen Voraussetzungen und Regularien eingehalten haben, was auch das BVerfG als Voraussetzung des Anspruchs auf Strafverfolgung bezeichnet. "Ansprüche" jedweder Art müssen auf dem gesetzlich vorgeschrieben richtigen Weg durchgesetzt werden und nicht nach x-beliebigem privaten gusto. Die Einhaltung gesetzllicher Vorgaben ist kein "Unsinn", sondern Pflicht.

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Vor allem darf man bei der Kritik an meiner Rechtsmeinung nicht vergessen, dass die Karten exakt am 26. Juni 2014 neu verteilt wurden durch die Tennessee-Eisenberg-Entscheidung des BVerfG vom 26. Juni 2014, 2 BvR 2699/10, und die nachfolgenden gleichlautenden Entscheidungen:

"Ein Anspruch auf eine effektive Strafverfolgung kann auch dort in Betracht kommen, wo der Vorwurf im Raum steht, dass Amtsträger bei Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben Straftaten begangen haben, weil ein Verzicht auf eine effektive Verfolgung solcher Taten zu einer Erschütterung des Vertrauens in die Integrität staatlichen Handelns führen kann. In diesen Fällen muss bereits der Anschein vermieden werden, dass gegen Amtswalter des Staates weniger effektiv ermittelt wird oder dass insoweit erhöhte Anforderungen an eine Anklageerhebung gestellt werden." (Tennessee-Eisenberg-Entscheidung des BVerfG vom 26. Juni 2014, 2 BvR 2699/10, Rn. 11) 

Vor diesem Hintergrund macht es nicht so sehr viel Sinn, Reichsgerichts-Entscheidungen als Beleg für die angebliche Unentbehrlichkeit der sog. Vorschaltbeschwerde oder für Ähnliches anzuführen.  Denn Reichsgerichts-Entscheidungen liegen zeitlich kaum merklich vor dem 26. Juni 2014 und taugen deshalb nicht so sehr als Beleg für die aktuelle Rechtslage des Jahres 2018. Deswegen taugen Reichsgerichts-Entscheidungen auch nicht so sehr als  Beleg für die angebliche Unentbehrlichkeit der sog. Vorschaltbeschwerde. 

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Die  sog. "Vorschaltbeschwerde" ist entbehrlich. Es wäre auch naiv anzunehmen, dass die Münchner GenStA von dem einmal eingeschlagenen Krähenprinzip in irgendeiner Weise abweicht, zudem: Schauen Sie sich mal die ständige Rechtsprechung zu den §§ 68 ff VwGO an: Den Rechtsbehelf zu der vorgesetzten Behörde kann man sich sparen, wenn er keinerlei Aussicht auf Erfolg verspricht. So liegen die Dinge hier: Auch die Münchner GenStA zeigt nach aller Erfahrung ersichtlich keinerlei Neigung, strafrechtliche Ermittlungen gegen einen Münchner Richter zu forcieren. Und das mit dem "Krähenprinzip" hatten wir ja schon.   

Die Rechtsprechung zu den §§ 68 ff VwGO enthält allgemeine Grundsätze, die Allgemeingültigkeit für sich beanspruchen. Diese Grundsätze müssen deshalb auch im Rahmen der §§ 172 ff StPO Anwendung finden. 

 





In bestimmten Fällen kann von einem Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO abgesehen werden. Insofern wird von „Entbehrlichkeit“ eines Vorverfahrens gesprochen. Damit ist gemeint, dass ein Vorverfahren nicht erforderlich ist.1 Das Vorverfahren ist u.a. dann entbehrlich, wenn aus dem Verhalten der Behörde zu entnehmen ist, dass ein Widerspruch erfolglos wäre.

 


Vor allem darf man bei der Kritik an meiner Rechtsmeinung nicht vergessen, dass die Karten exakt am 26. Juni 2014 neu verteilt wurden durch die Tennessee-Eisenberg-Entscheidung des BVerfG vom 26. Juni 2014, 2 BvR 2699/10, und die nachfolgenden gleichlautenden Entscheidungen:

"Ein Anspruch auf eine effektive Strafverfolgung kann auch dort in Betracht kommen, wo der Vorwurf im Raum steht, dass Amtsträger bei Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben Straftaten begangen haben, weil ein Verzicht auf eine effektive Verfolgung solcher Taten zu einer Erschütterung des Vertrauens in die Integrität staatlichen Handelns führen kann. In diesen Fällen muss bereits der Anschein vermieden werden, dass gegen Amtswalter des Staates weniger effektiv ermittelt wird oder dass insoweit erhöhte Anforderungen an eine Anklageerhebung gestellt werden." (Tennessee-Eisenberg-Entscheidung des BVerfG vom 26. Juni 2014, 2 BvR 2699/10, Rn. 11) 

Vor diesem Hintergrund macht es nicht so sehr viel Sinn, Reichsgerichts-Entscheidungen als Beleg für die angebliche Unentbehrlichkeit der sog. Vorschaltbeschwerde oder für Ähnliches anzuführen.  Denn Reichsgerichts-Entscheidungen liegen zeitlich kaum merklich vor dem 26. Juni 2014 und taugen deshalb nicht so sehr als Beleg für die aktuelle Rechtslage des Jahres 2018. Deswegen taugen Reichsgerichts-Entscheidungen auch nicht so sehr als  Beleg für die angebliche Unentbehrlichkeit der sog. Vorschaltbeschwerde. 

Die  sog. "Vorschaltbeschwerde" ist entbehrlich. Es wäre auch naiv anzunehmen, dass die Münchner GenStA von dem einmal eingeschlagenen Krähenprinzip in irgendeiner Weise abweicht, zudem: Schauen Sie sich mal die ständige Rechtsprechung zu den §§ 68 ff VwGO an: Den Rechtsbehelf zu der vorgesetzten Behörde kann man sich sparen, wenn er keinerlei Aussicht auf Erfolg verspricht. So liegen die Dinge hier: Auch die Münchner GenStA zeigt nach aller Erfahrung ersichtlich keinerlei Neigung, strafrechtliche Ermittlungen gegen einen Münchner Richter zu forcieren. Und das mit dem "Krähenprinzip" hatten wir ja schon. Vgl. hierzu z.B. https://juraeinmaleins.de/entbehrlichkeit-des-vorverfahrens-widerspruchv...

Die Rechtsprechung zu den §§ 68 ff VwGO enthält allgemeine Grundsätze, die Allgemeingültigkeit für sich beanspruchen. Diese Grundsätze müssen deshalb auch im Rahmen der §§ 172 ff StPO Anwendung finden. 

Vor diesem Hintergrund macht es nicht so sehr viel Sinn, Reichsgerichts-Entscheidungen als Beleg für die angebliche Unentbehrlichkeit der sog. Vorschaltbeschwerde oder für Ähnliches anzuführen

Wer zitiert denn hier Entscheidungen des RG? Wir zitieren lediglich das Gesetz, wo diese Vorschaltbeschwerde als conditio sine qua non ausdrücklich normiert ist und desweiteren immer wieder das OLG München, den BayVerfGH und das Bundesverfassungsgericht. Keines dieser Gerichte erläßt bekanntlich "Reichsgerichts-Entscheidungen".

Die  sog. "Vorschaltbeschwerde" ist entbehrlich. Es wäre auch naiv anzunehmen, dass die Münchner GenStA von dem einmal eingeschlagenen Krähenprinzip in irgendeiner Weise abweicht...

Aber sie steht nun mal im Gesetz, was zwar für Sie als juristischen Freibeuter völlig negliable sein mag, für den deutschen Durchschnittsjuristen jedoch nicht, der gewohnt ist, sich an Recht und Gesetz zu halten. Und "naiv" ist sie überdies auch nicht, wie die von Ihnen so geliebte und ständig zitierte Wikipedia richtigerweise vermerkt: "die problematischen Fälle werden in der Regel durch die Vorschaltbeschwerde erledigt". Der Glaube an die gesetzlich vorgesehene Vorschaltbeschwerde ist also nicht "naiv", sondern für Ihr Begriffsvermögen schlicht zu hoch und anspruchsvoll. Außerdem darf der Gesetzgeber selbstverständlich auch einmal "naiv" sein, wenn ihm danach ist, wie beispielsweise das gesetzlich angeordnete Trennungsjahr zeigt, das vermutlich noch nie eine ernsthaft zerrüttete Ehe geheilt hat, aber dennoch einzuhalten ist, so "naiv" diese "Vorschaltzeit"  für interessierte Kreise auch immer sein mag...

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Der Satz "die problematischen Fälle werden in der Regel durch die Vorschaltbeschwerde erledigt" ist aber auch der reine Unfug. 

...ist aber auch der reine Unfug

Jedenfalls ist dieses Zitat bei Wikipedia durch "Karlsruher Kommentar/Moldenhauer, 7. Aufl. 2013, § 172 Rn. 1" viel zu gut belegt, als dass man es schlicht als "Unfug" abtun kann. Da kenne ich bekanntlich hundertmal schlimmeren und völlig unbelegten Unfug! Meine Erfahrungen mit (ordentlich begründeten!) Vorschaltbeschwerden besagen auch, dass der GenStA (bei ernsthaften Fällen!) in der Regel zumindest Nachermittlungen beauftragt und dem Beschwerdeführer damit entgegenkommt.

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Sie lassen den konkreten Sachverhalt völlig außer Betracht. Deswegen helfen Ihre allgemein gehaltenen Kommentare in keiner Weise weiter. Die Entscheidung des BayVerfGH vom 22.10.2018, Vf. 74-VI-17

http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-26563

betrifft nämlich folgenden Sachverhalt:

IV. Urteile der Amtshaftungskammer des Landgerichts München I vom 9.1.2013 und vom 25.6.2014, Az. 15 O 13259/12 und 15 O 16154/13

Ich habe in derselben Sache in zwei aufeinander folgenden Verfahren einen Amtshaftungsprozess gegen den Freistaat Bayern geführt. Die beiden Urteile der Amtshaftungskammer des Landgerichts München I vom 9.1.2013 und vom 25.6.2014 (Az. 15 O 13259/12 und 15 O 16154/13) stellen jeweils eine gemeinschaftliche Rechtsbeugung i.S.d. §§ 339, 25 II StGB dar. Diese beiden Urteile sind nämlich in mehreren Punkten evident inhaltlich grob falsch. Vor allem hat die Amtshaftungskammer des Landgerichts München I in beiden Urteilen die Tatsache ignoriert, dass der klägerische Vortrag zur Nichtlektüre der Gerichtsakten von Anfang an unstreitig war: Der beklagte Freistaat Bayern ist in den beiden nacheinander geführten Verfahren dem klagebegründenden Vortrag in keiner Weise inhaltlich substantiiert entgegengetreten. Der klagebegründende Vortrag hätte deshalb den beiden Urteilen vom 9.1.2013 und vom 25.6.2014 als unstreitiger Sachverhalt zugrunde gelegt werden müssen. Auf dieser Grundlage hätte also der Amtshaftungsklage gegen den beklagten Freistaat Bayern in beiden aufeinander folgenden Verfahren zwingend stattgegeben werden müssen.

Schließlich legte ich - unterfüttert mit zahlreichen Zeugenbeweisangeboten - ausführlich dar, auf welche Weise ich den Vorprozess gewonnen hätte. Keiner der von mir angebotenen Zeugen wurde jemals vernommen. Vielmehr nahm die Amtshaftungskammer des Landgerichts München I ohne jede Beweisaufnahme zu meinen Lasten an, ich hätte den Vorprozess sowieso verloren. Die Amtshaftungskammer des Landgerichts München I wies die Klage sodann mit der Begründung ab, ich hätte die haftungsbegründende Kausalität zwischen Pflichtverletzung (Rechtsbeugung durch Nichtlektüre der Gerichtsakten) und Schadenseintritt (Verlust des Vorprozesses) nicht bewiesen. Über meine - offensichtlich begründete - Grundrechtsrüge der Gehörsverletzung gingen der BayVerfGH, das BVerfG und der EGMR hinweg.

Die Entscheidung des BayVerfGH vom 22.10.2018, Vf. 74-VI-17

 

http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-26563

 

stützt sich einzig und allein darauf, die sog. Vorschaltbeschwerde hätte vom Bf. nicht als entbehrlich angesehen werden dürfen. Dies ist aus mehreren Gründen evident falsch:

 

I.      Kein Übergehen der Widerspruchsbehörde, der Münchner GenStA

 

1.)    Die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, ist in keiner Weise übergangen worden. Die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, hatte vielmehr objektiv die Gelegenheit, sich an Recht und Gesetz zu halten und die Ausgangsbehörde, die StA München I, zur förmlichen Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen die Münchner Richter anzuhalten. Das OLG München hatte nämlich – insoweit richtigerweise - die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, zur Stellungnahme zum Verfahren aufgefordert. Im Rahmen dieser Stellungnahme hätte die GenStA die StA München I dazu anhalten müssen, die Ermittlungen gegen die Münchner Richter förmlich einzuleiten.  

 

2.)    Es macht hierbei evident auch keinen Unterschied, zu welchem Zeitpunkt die  Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, Gelegenheit zu ihrem Handeln hatte: Es macht evident keinen Unterschied, ob die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, schon auf eine Vorschaltbeschwerde hin tätig wird oder erst, wenn sie vom Gericht, in diesem Fall vom OLG München, dazu aufgefordert wird. Denn egal, zu welchem Zeitpunkt die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, zum Tätigwerden aufgefordeet wird, die GenStA musste sich in jedem Fall an Recht und Gesetz halten. Und nach Recht und Gesetz war es in diesem Fall unabweisbar, die StA München I dazu anhalten, die Ermittlungen gegen die Münchner Richter förmlich einzuleiten. Der Zeitpunkt, sich an Recht und Gesetz zu halten, spielt also evident keinerlei Rolle.      

 

3.)    Dieselbe Überlegung gilt auch in Bezug auf die Verfahrensbeteiligten: Es macht evident keinerlei Unterschied, ob die  Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, vom Gericht, dem OLG München, oder von dem Bf. dazu aufgefordert wird, Stellung zu nehmen. Denn in beiden Fällen – unabhängig von dem Verfahrensbeteiligten - wird die Münchner GenStA gleichzeitig dazu ermahnt, sich an Recht und Gesetz zu halten und die StA München I dazu anzuhalten, die Ermittlungen gegen die Münchner Richter förmlich einzuleiten. 

 

II.    Unzulässigkeit einer etwaigen Vorschaltbeschwerde

 

Eine etwaige Vorschaltbeschwerde wäre in diesem Fall auch evident unzulässig gewesen. Der Bf. hätte nämlich eine Vorschaltbeschwerde mangels jedweder Beschwer auch gar nicht erheben dürfen. Denn es lag in diesem Fall ja noch nicht einmal ein wie immer geartetes Handeln der Ausgangsbehörde, der StA München I, vor, das eine Beschwer des Bf. hätte auslösen können. Da also eine etwaige Vorschaltbeschwerde – mangels jedweder Beschwer - evident unzulässig gewesen wäre, kann daraus dem Bf. auch keinerlei Rechtsnachteil erwachsen. Umgekehrt verhält sich der Bf. gerade dadurch rechtskonform, dass er auf die Erhebung eines evident unzulässigen Rechtsbehelfs verzichtet.  

 

III.  Die Parteimaxime im Widerspruchsverfahren  

 

Schließlich gilt - zumindest in dem vorliegenden Fall – für das Widerspruchsverfahren die Parteimaxime. Es blieb dem Bf. überlassen, ob er auf der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens besteht oder lieber darauf verzichten will. Die Parteimaxime im Widerspruchsverfahren ergibt ich hier daraus, dass der Bf. von Anfang an auf seinen Anspruch auf Strafverfolgung Dritter gepocht hat. Es handelt sich hierbei um ein subjektiv-öffentliches Recht des Bf. Da also der Bf. – materiellrechtlich - über ein subjektiv-öffentliches Recht verfügte, durfte er auch über die prozessuale Umsetzung dieses Rechts verfügen. Die Anerkennung des Anspruchs auf Strafverfolgung Dritter durch die Tennessee Eisenberg-Entscheidung des BVerfG vom 26.6.2014 bringt eben unter anderem auch mit sich, dass der Verletzte insoweit auch den weiteren Fortgang der Ermittlungen – denn der Verletzte hat in diesem Fall einen Rechtsanspruch auf ernsthafte Ermittlungen – aktiv gestalten kann. Vor diesem Hintergrund steht es dem Verletzten selbstverständlich frei, welche prozessualen Mittel er zur Durchsetzung seines Rechtsanspruchs wählen will. Es ist deshalb unter keinem Gesichtspunkt zu beanstanden, wenn sich der Bf. in diesem Fall dazu entschlossen hat, auf die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens verzichten zu wollen.    

 

IV.    Ergebnis

 

Da also die Entscheidung des BayVerfGH vom 22.10.2018, Vf. 74-VI-17

 

http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-26563

 

einzig und allein darauf gestützt ist, die sog. Vorschaltbeschwerde sei erforderlich gewesen – was aber evident nicht der Fall ist – ist die Entscheidung des BayVerfGH vom 22.10.2018, Vf. 74-VI-17 als evident falsch zu qualifizieren.

 

Die Vorschaltbeschwerde ist eine gesetzliche Zulässigkeitsvoraussetzung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung gem. 172 StPO. Wird der Antrag des Bf vom OLG mangels Vorschaltbeschwerde als unzulässig zurückgewiesen und rügt er in der VB die Vereinbarkeit der Vorschaltbeschwerde mit dem Wirksamkeitsgebot der Rechtsweggarantie, dann kann die VB dem formellen Subsidiaritätsgrundsatz nicht deswegen widersprechen, weil der Bf die Vorschaltbeschwerde nicht eingelegt habe. Denn die Einlegung der Vorschaltbeschwerde vermag die behauptete Verfassungswidrigkeit der OLG-Entscheidung nicht zu beseitigen, soweit das OLG mit Anknüpfung an die Vorschaltbeschwerde den Zugang zu Gerichten überspannt haben soll. Gleichwohl obliegt es einem Bf nach dem Grundsatz der materiellen Subsidiarität auch, die für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen schon im Ausgangsverfahren vollständig vorzutragen.

Ob die Darlegung im Antrag zur behaupteten Entbehrlichkeit der Vorschaltbeschwerde mit dem bloßen Hinweis auf die VwGO-Analogie diesen Anforderungen genügt, erscheint mir eher zweifelhaft. Aber ich denke, das wäre der Punkt, mit dem sich der BayVerfGH hätte auseinandersetzen sollen.

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Grüß Gott Herr Kolos,

sollte ich Sie hier in diesem Forum einmal in irgendeiner Form beschimpft haben, bitte ich Sie vielmals um Entschuldigung. Denn ich bin nach Ihrem letzten Kommentar eher geneigt, Ihnen die Füße zu küssen für den nachfolgenden Satz, den Sie in tadelloser Leitsatz-Qualität formuliert haben. Dieser Leitsatz lautet:

"Wird der Antrag des Bf vom OLG mangels Vorschaltbeschwerde als unzulässig zurückgewiesen und rügt er in der VB die Vereinbarkeit der Vorschaltbeschwerde mit dem Wirksamkeitsgebot der Rechtsweggarantie, dann kann die VB dem formellen Subsidiaritätsgrundsatz nicht deswegen widersprechen, weil der Bf die Vorschaltbeschwerde nicht eingelegt habe." 

Und der andere Punkt, den Sie in Ihrem Kommentar ansprechen: Ich habe mich natürlich nicht mit einem bloßen Hinweis auf die VwGO-Analogie begnügt, sondern ich habe mich selbstverständlich sehr ausführlich mit der Entbehrlichkeit der Vorschaltbeschwerde in diesem Fall und mit der Statthaftigkeit der Untätigkeitsklage gem. § 75 VwGO - beides gehört zusammen - befasst. Meine ausführliche Argumentation zu diesem Punkt wurde allerdings in der Entscheidung des BayVerfGH nicht wiedergegeben. 

Die Entscheidung des BayVerfGH vom 22.10.2018, Vf. 74-VI-17

http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-26563

betrifft folgenden Sachverhalt:

IV. Urteile der Amtshaftungskammer des Landgerichts München I vom 9.1.2013 und vom 25.6.2014, Az. 15 O 13259/12 und 15 O 16154/13

Ich habe in derselben Sache in zwei aufeinander folgenden Verfahren einen Amtshaftungsprozess gegen den Freistaat Bayern geführt. Die beiden Urteile der Amtshaftungskammer des Landgerichts München I vom 9.1.2013 und vom 25.6.2014 (Az. 15 O 13259/12 und 15 O 16154/13) stellen jeweils eine gemeinschaftliche Rechtsbeugung i.S.d. §§ 339, 25 II StGB dar. Diese beiden Urteile sind nämlich in mehreren Punkten evident inhaltlich grob falsch. Vor allem hat die Amtshaftungskammer des Landgerichts München I in beiden Urteilen die Tatsache ignoriert, dass der klägerische Vortrag zur Nichtlektüre der Gerichtsakten von Anfang an unstreitig war: Der beklagte Freistaat Bayern ist in den beiden nacheinander geführten Verfahren dem klagebegründenden Vortrag in keiner Weise inhaltlich substantiiert entgegengetreten. Der klagebegründende Vortrag hätte deshalb den beiden Urteilen vom 9.1.2013 und vom 25.6.2014 als unstreitiger Sachverhalt zugrunde gelegt werden müssen. Auf dieser Grundlage hätte also der Amtshaftungsklage gegen den beklagten Freistaat Bayern in beiden aufeinander folgenden Verfahren zwingend stattgegeben werden müssen.

Schließlich legte ich - unterfüttert mit zahlreichen Zeugenbeweisangeboten - ausführlich dar, auf welche Weise ich den Vorprozess gewonnen hätte. Keiner der von mir angebotenen Zeugen wurde jemals vernommen. Vielmehr nahm die Amtshaftungskammer des Landgerichts München I ohne jede Beweisaufnahme zu meinen Lasten an, ich hätte den Vorprozess sowieso verloren. Die Amtshaftungskammer des Landgerichts München I wies die Klage sodann mit der Begründung ab, ich hätte die haftungsbegründende Kausalität zwischen Pflichtverletzung (Rechtsbeugung durch Nichtlektüre der Gerichtsakten) und Schadenseintritt (Verlust des Vorprozesses) nicht bewiesen. Über meine - offensichtlich begründete - Grundrechtsrüge der Gehörsverletzung gingen der BayVerfGH, das BVerfG und der EGMR hinweg.

Vielmehr nahm die Amtshaftungskammer des Landgerichts München I ohne jede Beweisaufnahme zu meinen Lasten an, ich hätte den Vorprozess sowieso verloren

Falsch. Sie haben verloren, "da die Kläger schon den Vorwurf einer richterlichen Amtspflichtverletzung nicht nachweisen" konnten und weil Ihr Vorwurf natürlich keineswegs angeblich "unstreitig" war, vielmehr der Beklagte "insbesondere der Behauptung der Kläger, der Vorsitzende Richter am Landgericht habe die Akten nicht gelesen, inhaltlich im Einzelnen entgegen getreten" war (vgl. OLG München, B. v. 5.1.2015 - 1 U 2482/14).

Ihren Darlegungen kann man wirklich nicht einmal ansatzweise glauben, weder in tatsächlicher, noch in rechtlicher Hinsicht. Sie drehen einfach alles so hin, wie es Ihnen genehm ist, unabhängig von den Tatsachen! Ich verstehe nicht, dass man einem Lügner so viel Platz für seine tatsächlich und rechtlich unsinnigen Darlegungen einräumt.

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In Wahrheit haben die Kläger den Vorwurf einer richterlichen Amtspflichtverletzung sehr wohl nachgewiesen. Dieser Vorwurf war auch in Wahrheit durch alle Instanzen unstreitig geblieben. Der Beklagte - der Freistaat Bayern - war in Wahrheit der Behauptung der Kläger, der Vorsitzende Richter am Landgericht habe die Akten nicht gelesen, zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise entgegen getreten. Im übrigen treten Sie in Ihrem Kommentar schon sehr vollmundig auf, gemessen daran, dass Sie weder den Sachverhalt noch die Aktenlage kennen. 

I. Kein Übergehen der Widerspruchsbehörde, der Münchner GenStA

Wissen Sie wirklich bis heute nicht, nachdem Sie sich seit Jahren an diesbezüglichen Aufsätzen, Artikeln und Rechtsstreitigkeiten etc. versuchen, dass das Ding in § 172 Abs. 1 StPO nicht "Widerspruch", sondern "Beschwerde" heißt? Wer seit olims Zeiten ständig über einen bestimmten Rechtsbehelf schreibt und werkelt, sollte doch wenigstens wissen, wie der Rechtsbehelf heißt! Wer nicht weiß, worüber er schreibt, braucht gar nicht erst zu schreiben anfangen. Es geht auch nicht darum, dass der GenStA irgendwie von der Sache erfährt, sondern zwingend und erforderlich darum, dass der "Antragsteller...die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft" einlegt und dann ein "ablehnender Bescheid" ergeht. Mit anderen Worten: Der BayVerfGH hat evident recht, incl. Mißbrauchsgebühr gem. Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG, und Sie befinden sich wieder einmal evident auf einem ganz, ganz morschen und wurmstichigen Holzweg, auf dem nicht einmal mehr das Holz, sondern einzig und allein nur noch die Holzwürmer tragen.

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Es handelt sich der Sache nach um nichts anderes als um einen Widerspruch zur vorgesetzten Behörde, genau so, wie es auch im Widerspruchsverfahren nach den §§ 68 ff VwGO normiert ist. Das Durchlaufen dieses Widerspruchsverfahrens war aber - wie ausführlich dargelegt - in vorliegendem Fall weder zwingend noch erforderlich. Nehmen Sie bitte endlich zur Kenntnis, dass sich die Dinge - bedingt durch die Rspr. des BVerfG - seit dem 26. Juni 2014 grundlegend geändert haben!

Sie reden Unsinn! Wenn das Gesetz von "Beschwerde" spricht, dann haben auch Sie als Jurist, der auf Recht und Gesetz vereidigt ist, von "Beschwerde" zu sprechen und nicht von "Widerspruch", weil es Ihnen "der Sache nach" gerade so in den Kram paßt. Sie sind kein Jurist, sondern ein Möchtegernscharlatan und haben wirklich weniger als keine Ahnung!

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Es handelt sich der Sache nach um nichts anderes als um einen Widerspruch zur vorgesetzten Behörde.

Es handelt sich der Sache nach um nichts anderes als um einen Widerspruch zur vorgesetzten Behörde.

Es handelt sich der Sache nach beim Menschen um nichts anderes als um einen Affen...

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Im übrigen ist der Anspruch auf effektive Strafverfolgung mittlerweile Allgemeingut. Die taz ziitiert in einem aktuellen Artikel Herrn Sie­laff mit den Worten: „Schließlich geht es um die schwersten Verbrechen, die unser Strafgesetzbuch kennt. Die Angehörigen und Hinterbliebenen haben einen Anspruch auf effektive Strafverfolgung. Das hat das Bundesverfassungsgericht schon vor Jahren festgestellt.“

Im übrigen ist der Anspruch auf effektive Strafverfolgung mittlerweile Allgemeingut

Das ist aber nicht Ihr Verdienst, sondern der Verdienst des Bundesverfassungsgerichts, mit dem Sie nichts, aber auch gar nichts, zu tun haben. Und wie die taz so schön schreibt, es geht um die Spezialfälle der schwersten Verbrechen, die unser Strafgesetzbuch kennt und die Angehörigen und Hinterbliebenen, aber nicht um Ihre popelige alltägliche Rechthaberei im Sinne des Vorwurfs einer angeblichen "Rechtsbeugung".

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"Ein Anspruch auf eine effektive Strafverfolgung kann auch dort in Betracht kommen, wo der Vorwurf im Raum steht, dass Amtsträger bei Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben Straftaten begangen haben, weil ein Verzicht auf eine effektive Verfolgung solcher Taten zu einer Erschütterung des Vertrauens in die Integrität staatlichen Handelns führen kann. In diesen Fällen muss bereits der Anschein vermieden werden, dass gegen Amtswalter des Staates weniger effektiv ermittelt wird oder dass insoweit erhöhte Anforderungen an eine Anklageerhebung gestellt werden." (Tennessee-Eisenberg-Entscheidung des BVerfG vom 26. Juni 2014, 2 BvR 2699/10, Rn. 11)    

Sie haben vollkommen recht. Aber auch Sie werden ihn nicht daran hindern, seinen Unfug gebetsmühlenartig zu wiederholen.

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Bezug: Gast kommentiert am Do, 2018-11-01 10:49      

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Und Ihr juristisches Argument lautet bitte wie?

Wenn Sie die Beiträge, die nicht von Ihnen sind, lesen, finden Sie sie. Im Übrigen reicht der Blick ins Gesetz. Und gerichtlich sind Sie ja auch schon beschieden. Juristisch kommt von Ihnen halt nichts.

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Ich wagte den Blick ins Gesetz. Dort fand ich die §§ 68 ff VwGO. Weiter fand ich in der einschlägigen Kommentarliteratur die ständige Rechtsprechung zu Widerspruchsverfahren aller Art. An das Gesetz und an die hierzu ergangene Rechtsprechung habe ich mich gehalten.

Ich wagte den Blick ins Gesetz. Dort fand ich die §§ 68 ff VwGO.

Sie müssen schon das richtige Gesetz nehmen. Die VwGO ist in Strafsachen offenkundig nicht einsschlägig, unrichtig und ein schlimmer Anfängerfehler, nach dem man schnellstens das Studienfach wechseln sollte. Neben der StPO ist für Sie nur noch Murphys Gesetz (in leicht abgewandelter Form als "Würdingers Law") einschlägig: "Alles, was Sie falsch machen konnten, haben Sie falsch gemacht."

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die §§ 68 ff VwGO

sind das richtige Gesetz.

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