Diskussionstipp von Alexander Würdinger: Das BVerfG und der Inhalt des Klageerzwingungsantrags

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 02.09.2018
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht1738|100090 Aufrufe

Alexander Würdinger ist ja den Bloglesern schon bekannt. Er ist einer der wenigen Juristen, die sich seit langem und regelmäßig kritisch mit der Rechtsprechung zum Klageerzwingungsverfahren befassen. Er hat mich nun gebeten, doch einmal zu  BVerfG, Beschl. v. 2.7.2018 - 2 BvR 1550/17  eine Diskussion im Blog anzustoßen. Mach ich doch gerne!

Das BVerfG befasst sich in der Entscheidung mit der Frage, ob die Rechtsprechung der OLGe zum Klageerzwingungsverfahren noch verfassungsgemäß ist. Die Verfassungsbeschwerde war zwar erfolglos - das BVerfG lässt aber durchblicken: "Die OLGe sind zuuuuuu streng, was die Antragsprüfung angeht!"

 

Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, das Oberlandesgericht Rostock habe seinen Sachvortrag nicht zur Kenntnis genommen und überspitzte Anforderungen an die Voraussetzungen des § 172 Abs. 3 StPO gestellt. Es setze sich nur pauschal mit dem Klageerzwingungsantrag auseinander, der den gesetzlichen Anforderungen an dessen Zulässigkeit genüge. Dieser enthalte insbesondere eine aus sich heraus verständliche Sachverhaltsdarstellung. Dem Antrag könnten auch die erforderlichen Tatsachen und Beweismittel entnommen werden, ohne dass die staatsanwaltlichen Akten hätten beigezogen werden müssen.

III.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Zwar verletzt der angefochtene Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock den Beschwerdeführer in seinem Grundecht aus Art. 19 Abs. 4 GG (1.). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist jedoch nicht zur Durchsetzung seiner in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), weil die Tat möglicherweise verjährt ist (2.).

1. Der angefochtene Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG, weil das Gericht überspannte Anforderungen an den Inhalt des Klageerzwingungsantrags gestellt hat.

a) Nach Art. 19 Abs. 4 GG darf der Zugang zu den Gerichten und den vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 40, 272 <275>; 78, 88 <99>; 88, 118 <124>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 13). Dies muss auch der Richter bei der Auslegung prozessualer Normen beachten. Er darf ein von der Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch eine überstrenge Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen (vgl. BVerfGE 77, 275 <284>; 96, 27 <39>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O.). Formerfordernisse dürfen nicht weitergehen, als es durch ihren Zweck geboten ist, da von ihnen die Gewährung des Rechtsschutzes abhängt (vgl. BVerfGE 88, 118 <125>; BVerfGK 14, 211 <214>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O.). Dies gilt auch für die Darlegungsanforderungen nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO (vgl. BVerfGK 2, 45 <50>; 5, 45 <48>; 14, 211 <214>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O.).

Es begegnet vor diesem Hintergrund keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO so auszulegen, dass der Klageerzwingungsantrag in groben Zügen den Gang des Ermittlungsverfahrens, den Inhalt der angegriffenen Bescheide und die Gründe für ihre Unrichtigkeit wiedergeben und eine aus sich selbst heraus verständliche Schilderung des Sachverhalts enthalten muss, der bei Unterstellung des hinreichenden Tatverdachts die Erhebung der öffentlichen Klage in materieller und formeller Hinsicht rechtfertigt. Denn diese Darlegungsanforderungen sollen die Oberlandesgerichte vor einer Überlastung durch unsachgemäße und unsubstantiierte Anträge bewahren und in die Lage versetzen, ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten eine Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen (vgl. BVerfGK 2, 45 <50>; 5, 45 <48>; 14, 211 <214 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O., Rn. 14).

Die Darlegungsanforderungen dürfen allerdings nicht überspannt werden, sondern müssen durch den Gesetzeszweck geboten sein (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O., Rn. 15). Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO erfordert zwar nur die Mitteilung des wesentlichen Inhalts der angegriffenen Bescheide sowie der Einlassung des Beschuldigten (vgl. BVerfGK 14, 211 <215>, m.w.N.), soweit diese im Einstellungsbescheid mitgeteilt wird (vgl. BVerfGK 14, 211 <216>). Eine Obliegenheit des Antragstellers, sich durch Akteneinsicht Kenntnis von der vollständigen Einlassung des Beschuldigten zu verschaffen und diese sodann auch vollständig mitzuteilen, besteht grundsätzlich nicht (vgl. BVerfGK 14, 211 <215>). Etwas Anderes gilt aber, wenn der Beschwerdeführer seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung maßgeblich auch mit Inhalten aus den Ermittlungsakten begründet. In diesem Fall ist der Beschwerdeführer gehalten, soll die vom Gesetzgeber implizit vorgesehene und verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Schlüssigkeitsprüfung allein auf der Grundlage des gestellten Antrags (vgl. BVerfGK 14, 211 <215>) nicht unterlaufen werden, zumindest den wesentlichen Inhalt der Beweismittel mitzuteilen, aus denen er auszugsweise vorträgt oder gar zitiert. Denn bei einer nur selektiven, im Einzelfall vielleicht sogar sinnentstellenden Wiedergabe von Teilen der Einlassung des Beschuldigten oder auch der Einvernahme von Zeugen kann ein unzutreffendes Bild vom Ermittlungsergebnis entstehen, das nicht ohne Weiteres wieder berichtigt werden kann. Soweit dies den Antragsteller verpflichtet, gegebenenfalls auch Umstände vorzutragen, welche den Beschuldigten entlasten könnten, ist dies hinzunehmen (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Mai 2015 - 2 BvR 987/11 -, juris, Rn. 34; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 15).

Der Zweck des Klageerzwingungsverfahrens darf nicht darauf verkürzt werden, den Oberlandesgerichten eine bloße Aufsicht über die Richtigkeit der staatsanwaltschaftlichen Einstellungsbescheide zu überantworten. Für die gerichtliche Kontrolle im Klageerzwingungsverfahren kommt es vielmehr darauf an, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung aus der Sicht des Oberlandesgerichts genügender Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage besteht (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 19).

Das Gericht darf deshalb im Hinblick auf die norminternen Direktiven des Art. 19 Abs. 4 GG einen Klageerzwingungsantrag nicht vorschnell aufgrund der formellen Hürden des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO verwerfen. Es hat insbesondere zu beachten, dass das Bestehen eines genügenden Anlasses zur Erhebung der öffentlichen Klage keine Voraussetzung für den Zugang des Antragstellers zu Gericht ist, sondern für die Anklageerhebung (§§ 170 Abs. 1, 174 Abs. 1 StPO). Die Zulässigkeit des Antrags gemäß § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO erfordert nicht das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 22). Dessen Vorliegen ist vom Gericht erst im Verfahren gemäß § 173 StPO zu prüfen, wobei es lückenschließende Ermittlungen anordnen kann. Die formalen Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO verlangen lediglich, dass der hinreichende Tatverdacht schlüssig dargelegt wird.

b) Gemessen daran halten die Erwägungen des Oberlandesgerichts Rostock den Anforderungen der Rechtsschutzgarantie nicht stand. Das Gericht hat die an einen Klageerzwingungsantrag zu stellenden Voraussetzungen überspannt.

aa) Der Klageerzwingungsantrag enthält entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts eine Darstellung des wesentlichen Inhalts der mitgeteilten Beweismittel.

Die Verpflichtung zur Wiedergabe des wesentlichen Inhalts eines Beweismittels dient dazu, dem Gericht die Überprüfung der schlüssigen Darlegung des genügenden Anlasses zur Erhebung der öffentlichen Klage zu ermöglichen, nicht jedoch des hinreichenden Tatverdachts an sich. Sie hat ferner den Zweck, eine Irreführung des Gerichts über den Inhalt und den Beweiswert des Beweismittels zu verhindern. Deshalb sind auch die Tatsachen mitzuteilen, die dem Antragsbegehren den Boden entziehen könnten (OLG Koblenz, Beschluss vom 21. Mai 2007 - 2 Ws 272/07 -, juris, Rn. 8). Bei einer nur selektiven, im Einzelfall vielleicht sogar sinnentstellenden Wiedergabe eines Beweismittels kann ein unzutreffendes Bild vom Ermittlungsergebnis entstehen, das nicht ohne Weiteres wieder berichtigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Mai 2015 - 2 BvR 987/11 -, juris, Rn. 34; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 15). Die Wiedergabe des wesentlichen Inhalts eines Beweismittels versetzt das Gericht in die Lage, die Schlüssigkeitsprüfung ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten vorzunehmen (vgl. BVerfGK 2, 45 <50>; 5, 45 <48>; 14, 211 <214 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O., Rn. 14).

Es gehört im Hinblick auf ein Sachverständigengutachten dagegen nicht zur Darstellung des wesentlichen Inhalts des mitgeteilten Beweismittels, dass die Ausführungen eines Sachverständigen vollständig wiedergegeben werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Mai 2017 - 2 BvR 1107/16 -, juris, Rn. 23). Müsste der Klageerzwingungsantrag den weitgehend vollständigen Inhalt der Beweismittel enthalten, könnte das Gericht schon allein anhand der Antragsschrift das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts prüfen, und nicht nur dessen schlüssige Darstellung. Einer Beiziehung der Ermittlungsakte bräuchte es dann selbst zur Prüfung eines genügenden Anlasses für die Erhebung der öffentlichen Klage nicht mehr. Eine Arbeitserleichterung wäre mit einem derart umfassenden Darlegungserfordernis nicht verbunden, wenn das Gericht die Schlüssigkeit anhand eines Klageerzwingungsantrags prüfen müsste, dessen Inhalt und Umfang sich kaum von dem der beizuziehenden Ermittlungsakte unterscheidet.

Der Klageerzwingungsantrag gibt den wesentlichen Inhalt auch der Gutachten wieder, die gegen das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts sprechen. Dabei handelt es sich um die Auszüge aus dem vorläufigen Sektionsgutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin G. vom 16. August 2010, aus dem toxikologisch-chemischen Gutachten des Arbeitsbereiches Forensische Toxikologie und Alkoholanalytik des Universitätsklinikums G. vom 6. Januar 2011, aus dem Sachverständigengutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin G. vom 6. Dezember 2012, dem Onkologischen Gutachten der Klinik für Hämatologie und Medizinische Onkologie der Universitätsmedizin Gö. vom 10. Februar 2014 sowie der ergänzenden Stellungnahme des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin G. vom 18. Dezember 2016. Diese Gutachten werden in ihrem Kerngehalt und ihren Schlussfolgerungen dargestellt. Ein unzutreffendes oder entstellendes Bild des Ermittlungsergebnisses wird dem Gericht hierdurch nicht präsentiert und es werden auch keine Umstände verheimlicht, die dem Antragsbegehren den Boden entziehen könnten. Hinzu kommt, dass sich der Antragsteller in seinem Klageerzwingungsantrag detailliert und argumentativ mit diesen Gutachten auseinandersetzt und versucht, deren Unrichtigkeit darzulegen. Zwar betont der Beschwerdeführer die für einen hinreichenden Tatverdacht sprechenden Umstände stärker und widmet diesen mehr Raum als Umständen, die gegen dessen Vorliegen sprechen. Das macht den Antrag jedoch noch nicht unzulässig. Die Würdigung der im Ermittlungsverfahren hervorgebrachten Beweise ist vielmehr eine Frage der Begründetheit des Antrags.

bb) Die Antragsschrift widerspricht im vorliegenden Einzelfall auch nicht deswegen den Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO, weil sie Scans von und Direktzitate aus Sachverständigengutachten enthält oder auf Anlagen Bezug nimmt.

(1) Ein Klageerzwingungsantrag ist grundsätzlich unzulässig, wenn in Bezug genommene Bestandteile in die Antragsschrift hineinkopiert werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Januar 2017 - 2 BvR 225/16 -, juris, Rn. 7; VerfGH Berlin, Beschluss vom 30. April 2004 - VerfGH 128/03 -, NJW 2004, 2728; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Mai 1983 - 1 Ws 335/83 -, StV 1983, 498; OLG Celle, NStZ 1997, 406; vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 16. Dezember 2014 - III-1 Ws 521/14, 1 Ws 521/14 -, juris, Rn. 11; Graalmann-Scheerer, in: Löwe-Rosenberg, Strafprozessordnung, 26. Aufl. 2007, § 172, Rn. 156; Kölbel, in: Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2016, § 172 Rn. 70; Moldenhauer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013; § 172 Rn. 37). Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, sich den entscheidungserheblichen Sachverhalt selbst aus Anlagen zusammenzustellen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 8. September 2003 - 1 Ws 242/03 -, NStZ-RR 2003, 331; Moldenhauer, a.a.O.), insbesondere wenn durch das Einkopieren von Strafanzeigen oder Beschwerdeschriften die Sachdarstellung verunklart wird. Ausnahmen hiervon werden jedoch für zulässig erachtet, wenn es auf den Wortlaut der eingefügten Unterlagen ankommt und das Hineinkopieren lediglich das - anderenfalls notwendige - vollständige Abschreiben dieser Unterlagen ersetzt. Entscheidend ist, dass das Gericht nicht gezwungen wird, sich den relevanten Verfahrensstoff aus einer Vielzahl (möglicherweise unsystematisierter) Kopien selbst zusammenzustellen (OLG Hamm, a.a.O., Leitsatz und Rn. 11; Kölbel, a.a.O., Rn. 71). Anderenfalls läuft der Antragsteller Gefahr, zu wenig aus dem Gutachten eines Sachverständigen oder der Aussage eines Zeugen wiederzugeben, so dass sein Antrag an der Hürde zur Wiedergabe des wesentlichen Inhalts eines Beweismittels (vgl. aa) scheitern würde.

(2) Vor dem Hintergrund der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG kann es keinen Unterschied machen, ob der Antragsteller in einem Klageerzwingungsantrag entscheidende Passagen aus dem Gutachten eines Sachverständigen in indirekter Rede im Fließtext wiedergibt oder sich der Einfügung von Scans oder Direktzitaten bedient. Die in die Antragsschrift eingefügten Auszüge aus Sachverständigengutachten haben lediglich erläuternden Charakter. Sie dienen dazu, den wesentlichen Inhalt der Beweismittel darzustellen, die Argumentation der dem Antrag zugrunde gelegten Beweiswürdigung zu unterstreichen und die den Beschuldigten zur Last liegenden Pflichtverletzungen zu konkretisieren. Sie haben - gemessen am Gesamtumfang der Antragsschrift - einen nicht übermäßig ins Gewicht fallenden Umfang. Das Gericht musste sich aus den eingefügten Scans und Direktzitaten nicht erst selbst den entscheidungserheblichen Sachverhalt oder den wesentlichen Inhalt der Beweismittel heraussuchen.

cc) Der Klageerzwingungsantrag widerspricht auch nicht deshalb den Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO, weil er angeblich auf weitere Anlagen mit einem Umfang von insgesamt 136 oder 196 Seiten Bezug nimmt, die das Oberlandesgericht hätte lesen müssen, um sich ein eigenes Bild vom Krankheitsverlauf und den durchgeführten Behandlungsmaßnahmen zu verschaffen. Der Strafsenat übersieht hierbei, dass die Anlagen nicht derart in Bezug genommen werden, dass die Kenntnis ihres Inhalts den im Klageerzwingungsantrag erforderlichen Sachvortrag ersetzen soll. Der wesentliche Inhalt der in Bezug genommenen Anlagen war bereits in einer § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO genügenden Art und Weise im Antrag selbst enthalten. Die an sich überflüssige Bezugnahme auf Anlagen kann einen zulässigen Klageerzwingungsantrag nicht unzulässig machen. Sie hatten offensichtlich nur den Zweck, die Übereinstimmung der Angaben des Antragstellers mit dem Akteninhalt zu belegen.

dd) Aus diesem Grund ist es auch unbeachtlich, dass die Anlagen erst nach Ablauf der Frist des § 172 Abs. 3 Satz 2 StPO beim Oberlandesgericht Rostock eingegangen sind. Nach Fristablauf ist eine inhaltliche Nachbesserung des Antrags nur dann nicht mehr möglich, wenn die Ausgangsfassung des Antrags nicht ausreichend und deshalb unzulässig war (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 11. November 1997 - Ws 1078/97 -, juris, Rn. 15; OLG Hamm, Beschluss vom 4. Juli 2002 - 2 Ws 213/02 -, juris, Rn. 4; Kölbel, a.a.O., Rn. 58; Graalmann-Scheerer, a.a.O., Rn. 128). Der hier zur Beurteilung stehende Antrag war jedoch bereits vor Fristablauf in einer den Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO genügenden Weise beim Oberlandesgericht Rostock eingegangen.

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist jedoch nicht zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt, weil deutlich abzusehen ist, dass sein Klageerzwingungsantrag auch im Falle einer Zurückverweisung an das Ausgangsgericht im Ergebnis keinen Erfolg haben würde (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 5. April 2012 - 2 BvR 211/12 -, juris, Rn. 16; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juli 2016 - 1 BvR 1225/15 -, juris, Rn. 19; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Juli 2017 - 2 BvR 2157/15 -, juris, Rn. 32). Soweit sich aus dem Klageerzwingungsantrag schlüssig dargelegte Anhaltspunkte für eine fahrlässige Tötung ergeben könnten, wäre die Tat unter Zugrundelegung der im Antrag enthaltenen Darstellung des Gangs des Ermittlungsverfahrens verjährt.

 

a) Fahrlässige Tötung ist mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bedroht (§ 222 StGB). Die Verfolgung der Tat verjährt somit gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB in fünf Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 78a Satz 1 StGB mit der Beendigung der Tat, vorliegend mit dem Tod der Ehefrau des Beschwerdeführers am 1. Juni 2010.

b) Als verjährungsunterbrechende Maßnahmen lassen sich dem Klageerzwingungsantrag lediglich die richterlichen Durchsuchungsanordnungen des Amtsgerichts Neubrandenburg vom 3. Juni 2010, 9. August 2010 und 29. September 2010 entnehmen (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB).

Die eingeholten rechtsmedizinischen Gutachten haben den Lauf der Verfolgungsverjährung dagegen nicht unterbrochen. Aus dem Klageerzwingungsantrag ergibt sich nicht, dass die Beauftragung der Sachverständigen erfolgte, nachdem die Beschuldigten vernommen oder ihnen die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekannt gegeben wurden (§ 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB). Die Erfassung eines oder mehrerer Beschuldigter in einem staatsanwaltlichen Verfahren oder die Umschreibung eines UJs-Verfahrens in ein Js-Verfahren am 22. Oktober 2013 (vgl. Bl. 38 d. A.) stellen interne Akte innerhalb der Strafverfolgungsbehörde dar und stehen nach dem klaren Wortlaut von § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB einer Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens an die Beschuldigten nicht gleich.

Damit konnte die angezeigte Tat nach Ablauf des 28. September 2015 nicht mehr verfolgt werden.

3. Dass die Strafverfolgungsorgane keine Maßnahmen getroffen haben, die Verjährung zu unterbrechen, begegnet für sich genommen noch keinen Bedenken.

Zwar verpflichten Art. 2 Abs. 2 Sätze 1 und 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG den Staat, sich dort schützend und fördernd vor das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit und die sexuelle Selbstbestimmung des Einzelnen zu stellen und sie vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten Dritter zu bewahren (vgl. BVerfGE 39, 1 <42>; 46, 160 <164>; 121, 317 <356>; BVerfGK 17, 1 <5>), wo die Grundrechtsberechtigten selbst nicht dazu in der Lage sind. Die wirksame Verfolgung von Gewaltverbrechen und vergleichbaren Straftaten stellt allerdings eine Konkretisierung der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Sätze 1 und 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. BVerfGK 17, 1 <5>), die Grundlage subjektiver öffentlicher Rechte sein kann. Insoweit besteht ein Anspruch auf eine effektive Strafverfolgung dort, wo der Einzelne nicht in der Lage ist, erhebliche Straftaten gegen seine höchstpersönlichen Rechtsgüter - Leben, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Selbstbestimmung und Freiheit der Person - abzuwehren und ein Verzicht auf die effektive Verfolgung solcher Taten zu einer Erschütterung des Vertrauens in das Gewaltmonopol des Staates und einem allgemeinen Klima der Rechtsunsicherheit und Gewalt führen kann. In solchen Fällen kann ein Tätigwerden des Staates und seiner Organe auch mit den Mitteln des Strafrechts verlangt werden (vgl. BVerfGE 39, 1 <36 ff.>; 49, 89 <141 f.>; 53, 30 <57 f.>; 77, 170 <214>; 88, 203 <251>; 90, 145 <195>; 92, 26 <46>; 97, 169 <176 f.>; 109, 190 <236>). Bei Kapitaldelikten kann ein solcher Anspruch auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 1 Abs. 1 GG auch nahen Angehörigen zustehen (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Mai 2015, a.a.O., Rn. 19 f.).

Die Landesjustizverwaltungen haben daher zum Schutz des Anspruchs auf effektive Strafverfolgung durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass Ermittlungsverfahren zeitnah abgeschlossen werden, so dass es dem Antragsberechtigten grundsätzlich noch innerhalb der Verjährungsfristen möglich ist, rechtzeitig einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 2 und Abs. 3 StPO zu stellen. Dass sie diese Pflicht verletzt haben, ist vorliegend jedoch nicht dargelegt.

 

BVerfG, Beschl. v. 2.7.2018 - 2 BvR 1550/17

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1738 Kommentare

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Der BayVerfGH gibt in den Rnrn. 11 und 14 seiner Entscheidung meine Argumentation in Kurzfassung wieder:

"Der Beschwerdeführer nahm dazu mit Schriftsatz vom 26. September 2017 Stellung und vertrat die Auffassung, dass im vorliegenden Fall ein Anspruch auf Strafverfolgung Dritter eindeutig gegeben sei und es auf einen negativen Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft eindeutig nicht ankomme. Es müsse dem Verletzten freistehen, auf welche Weise er sich gegen die Rechtsverweigerung der Staatsanwaltschaft München I zur Wehr setzen wolle. Sein Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG sei zu beachten, das Abwarten eines negativen Bescheids der Generalstaatsanwaltschaft nicht zumutbar gewesen. Eine Untätigkeitsklage sei gemäß § 75 VwGO, § 27 EGGVG statthaft und im weiteren Verfahren zwingend Verwaltungsprozessrecht anzuwenden. Grundsätzlich biete ein Ermittlungserzwingungsverfahren dem Verletzten einer Straftat analog zum Klageerzwingungsverfahren die Möglichkeit, eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft, kein Ermittlungsverfahren durchzuführen, gerichtlich überprüfen zu lassen. (...)   

Mit seiner Verfassungsbeschwerde vom 2. November 2017, ergänzt durch mehrere Schriftsätze, rügt der Beschwerdeführer Verletzungen des Grundrechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 91 Abs. 1 BV, da ihm die angebliche staatsanwaltschaftliche Verfügung vom 14. Juni 2017 nicht mitgeteilt worden sei, im weiteren Verfahren keine richterlichen Hinweise gemäß § 86 VwGO erteilt worden seien und das Oberlandesgericht entgegen Art. 6 Abs. 1 EMRK, § 101 Abs. 1 VwGO keine mündliche Verhandlung durchgeführt habe. Daneben rügt er eine Verletzung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG. Sein Ermittlungserzwingungsantrag sei - analog einem Klageerzwingungsantrag - nach §§ 172 ff. StPO aufgrund anzunehmender Untätigkeit der Staatsanwaltschaft München I und in entsprechender Anwendung von § 75 VwGO zulässig gewesen. Durch die Verwerfung seines Antrags als unzulässig sei ihm effektiver Rechtsschutz verweigert worden. Gemäß der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Juni 2014 Az. 2 BvR 2699/10 und nachfolgender bestätigender Rechtsprechung habe er als Verletzter einen echten Rechtsanspruch auf Strafverfolgung gegen Dritte, wenn es um Straftaten von Amtsträgern bei der Ausübung des ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes gehe. Ergänzend beruft sich der Beschwerdeführer insbesondere auf Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Mai 2017 Az. 2 BvR 1453/16 und 2. Juli 2018 Az. 2 BvR 1550/17."

Der Beschwerdeführer ... vertrat die Auffassung, dass im vorliegenden Fall ein Anspruch auf Strafverfolgung Dritter eindeutig gegeben sei und es auf einen negativen Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft eindeutig nicht ankomme.

A. A. aber eindeutig § 172 StPO. Aber nach Würdingers Gesetz gilt ja nicht das staatliche Gesetz, sondern Würdingers Law: "Würdinger hat immer Recht, gleichgültig, was das Gesetz sagt! Würdinger ist das Gesetz!"

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Die Entscheidung des BayVerfGH vom 22.10.2018, Vf. 74-VI-17

http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-26563

stützt sich einzig und allein darauf, die sog. Vorschaltbeschwerde hätte vom Bf. nicht als entbehrlich angesehen werden dürfen. Dies ist aus mehreren Gründen evident falsch:

I.      Kein Übergehen der Widerspruchsbehörde, der Münchner GenStA

1.)    Die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, ist in keiner Weise übergangen worden. Die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, hatte vielmehr objektiv die Gelegenheit, sich an Recht und Gesetz zu halten und die Ausgangsbehörde, die StA München I, zur förmlichen Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen die Münchner Richter anzuhalten. Das OLG München hatte nämlich – insoweit richtigerweise - die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, zur Stellungnahme zum Verfahren aufgefordert. Im Rahmen dieser Stellungnahme hätte die GenStA die StA München I dazu anhalten müssen, die Ermittlungen gegen die Münchner Richter förmlich einzuleiten.  

2.)    Es macht hierbei evident auch keinen Unterschied, zu welchem Zeitpunkt die  Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, Gelegenheit zu ihrem Handeln hatte: Es macht evident keinen Unterschied, ob die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, schon auf eine Vorschaltbeschwerde hin tätig wird oder erst, wenn sie vom Gericht, in diesem Fall vom OLG München, dazu aufgefordert wird. Denn egal, zu welchem Zeitpunkt die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, zum Tätigwerden aufgefordert wird, die GenStA musste sich in jedem Fall an Recht und Gesetz halten. Und nach Recht und Gesetz war es in diesem Fall unabweisbar, die StA München I dazu anzuhalten, die Ermittlungen gegen die Münchner Richter förmlich einzuleiten. Der Zeitpunkt, sich an Recht und Gesetz zu halten, spielt also evident keinerlei Rolle.      

3.)    Dieselbe Überlegung gilt auch in Bezug auf die Verfahrensbeteiligten: Es macht evident keinerlei Unterschied, ob die  Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, vom Gericht, dem OLG München, oder von dem Bf. dazu aufgefordert wird, Stellung zu nehmen. Denn in beiden Fällen – unabhängig von dem Verfahrensbeteiligten - wird die Münchner GenStA gleichzeitig dazu ermahnt, sich an Recht und Gesetz zu halten und die StA München I dazu anzuhalten, die Ermittlungen gegen die Münchner Richter förmlich einzuleiten. 

II.    Unzulässigkeit einer etwaigen Vorschaltbeschwerde

Eine etwaige Vorschaltbeschwerde wäre in diesem Fall auch evident unzulässig gewesen. Der Bf. hätte nämlich eine Vorschaltbeschwerde mangels jedweder Beschwer auch gar nicht erheben dürfen. Denn es lag in diesem Fall ja noch nicht einmal ein wie immer geartetes Handeln der Ausgangsbehörde, der StA München I, vor, das eine Beschwer des Bf. hätte auslösen können. Da also eine etwaige Vorschaltbeschwerde – mangels jedweder Beschwer - evident unzulässig gewesen wäre, kann daraus dem Bf. auch keinerlei Rechtsnachteil erwachsen. Umgekehrt verhält sich der Bf. gerade dadurch rechtskonform, dass er auf die Erhebung eines evident unzulässigen Rechtsbehelfs verzichtet.  

III.  Die Parteimaxime im Widerspruchsverfahren  

Schließlich gilt - zumindest in dem vorliegenden Fall – für das Widerspruchsverfahren die Parteimaxime. Es blieb dem Bf. überlassen, ob er auf der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens besteht oder lieber darauf verzichten will. Die Parteimaxime im Widerspruchsverfahren ergibt ich hier daraus, dass der Bf. von Anfang an auf seinen Anspruch auf Strafverfolgung Dritter gepocht hat. Es handelt sich hierbei um ein subjektiv-öffentliches Recht des Bf. Da also der Bf. – materiellrechtlich - über ein subjektiv-öffentliches Recht verfügte, durfte er auch über die prozessuale Umsetzung dieses Rechts verfügen. Die Anerkennung des Anspruchs auf Strafverfolgung Dritter durch die Tennessee Eisenberg-Entscheidung des BVerfG vom 26.6.2014 bringt eben unter anderem auch mit sich, dass der Verletzte insoweit auch den weiteren Fortgang der Ermittlungen – denn der Verletzte hat in diesem Fall einen Rechtsanspruch auf ernsthafte Ermittlungen – aktiv gestalten kann. Vor diesem Hintergrund steht es dem Verletzten selbstverständlich frei, welche prozessualen Mittel er zur Durchsetzung seines Rechtsanspruchs wählen will. Es ist deshalb unter keinem Gesichtspunkt zu beanstanden, wenn sich der Bf. in diesem Fall dazu entschlossen hat, auf die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens verzichten zu wollen.    

IV.    Ergebnis

Da also die Entscheidung des BayVerfGH vom 22.10.2018, Vf. 74-VI-17

http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-26563

einzig und allein darauf gestützt ist, die sog. Vorschaltbeschwerde sei erforderlich gewesen – was aber evident nicht der Fall ist – ist die Entscheidung des BayVerfGH vom 22.10.2018, Vf. 74-VI-17 als evident falsch zu qualifizieren.

So ein rechthaberisches, unbelehrbares, fanatisches Verhalten habe ich unter gesunden Juristen bisher noch nicht erlebt!

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Wo ist Ihre juristische Argumentation?

Die Entscheidung des BayVerfGH vom 22.10.2018, Vf. 74-VI-17

http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-26563

stützt sich zum Beweis ihrer Richtigkeit auf die Vorgänger-Entscheidung des BayVerfGH vom 17.11.2015, Vf. 32-VI-15. Zu dieser Vorgänger-Entscheidung bemerke ich in meinem Profil folgendes:

4. Bei der Entscheidung des BayVerfGH vom 17.11.2015, Vf. 32-VI-15

http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2015-N-55407?hl=true

handelt es sich im Grunde genommen um folgendes Geschehen: Stellen Sie sich vor, Sie wollen ein Haus bauen. Sie beantragen also die notwendige Baugenehmigung beim LRA. Beim LRA tut sich allerdings über Monate rein gar nichts, auch mehrfaches Nachhaken beim LRA führt zu rein gar nichts, das LRA stellt sich tot. Sie wenden sich also Monate später, nach reichlichem Zuwarten, an das VG: Das VG möge das LRA dazu verpflichten, Ihnen die begehrte Baugenehmigung zu erteilen, damit Sie endlich Ihr Haus bauen können, so lautet Ihre Klageschrift zum VG. Das VG setzt aber nicht etwa einen Gerichtstermin an, liest sich in Ihren Bauantrag ein und macht auch sonst alle Anstalten, eines Tages ein Urteil zu fällen, sondern schickt Ihren Bauantrag samt Ihrer Klageschrift zum VG an das notorisch untätige LRA zurück. Das LRA stellt sich auch weiterhin tot, sie können Ihr Haus immer noch nicht bauen. Also wenden Sie sich als nächstes an die Verfassungsgerichte: Bei den Verfassungsgerichten rügen Sie, das VG hätte in irgendeiner Weise irgendeine Entscheidung über Ihre Klage treffen müssen und hätte nicht einfach die Akten an das notorisch untätige LRA zurückschicken dürfen. Daraufhin bekommen Sie vom BVerfG das übliche Blatt und vom BayVerfGH werden Sie beschieden, das Geschehen sei in keiner Weise außergewöhnlich oder sonst irgendwie zu beanstanden, das VG habe sich völlig normal verhalten. Es bleibt also dabei: Sie bekommen keine Baugenehmigung, Sie können Ihr Haus nicht bauen und vor allem: Sie können sich auch vor Gericht nicht dagegen wehren, dass das LRA ganz einfach bis ans Ende aller Tage untätig bleibt.

Ich erstattete also in meinem Fall bei der Staatsanwaltschaft München I (StA) eine Strafanzeige gegen einen Spruchkörper wegen gemeinschaftlicher Rechtsbeugung. Ich begründete meine Strafanzeige ausführlich. Die StA reagierte in keiner Weise. Ich hakte nach, weiterhin keinerlei Reaktion. Ich begann beim Oberlandesgericht München (OLG) ein Ermittlungserzwingungsverfahren (§ 172 StPO): Ich wollte erreichen, dass das OLG die StA dazu verpflichtet, überhaupt Ermittlungen aufzunehmen. Das OLG vergab ein AR-Aktenzeichen, traf über meine Antragsschrift keinerlei Entscheidung, leitete die Akten an die Generalstaatsanwaltschaft (GenStA) weiter, die GenStA leitete die Akten zurück an die StA. Ich hakte bei der StA nach, keinerlei Reaktion, und wieder von vorne.

Das machte ich insgesamt vier Mal. Diese vier Verfahren fasste ich sodann zu einer gemeinsamen Verfassungsbeschwerde zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH) zusammen. Ich stützte mich vor allem auf die Rechtsweggarantie im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG. Der BayVerfGH wies indes meine Verfassungsbeschwerde mit der Begründung als unzulässig zurück, die GenStA habe niemals eine Gelegenheit gehabt, die StA zur Einleitung von Ermittlungen wegen gemeinschaftlicher Rechtsbeugung anzuhalten. Wie gezeigt ist in Wahrheit das exakte Gegenteil der Fall.

Im übrigen konnte mir auch der BayVerfGH nicht so richtig erklären, wie ich gegen eine vollkommene Untätigkeit der StA eine "Beschwerde" zur GenStA hätte erheben sollen. Ich hatte nämlich in meinem juristischen Unverstand bis dahin angenommen, ich könne mich gegen ein behördliches Handeln überhaupt nur dann vermittels einer "Beschwerde" an die vorgesetzte Behörde wenden, wenn überhaupt ein wie immer auch geartetes behördliches Handeln positiv vorläge, das überhaupt tauglicher Gegenstand einer "Beschwerde" sein könne. Es blieb zudem nach meinem, natürlich völlig unmaßgeblichen, juristischen Geschmack so ein klein wenig im Unklaren, wieso die Nicht-Entscheidung des OLG viermal hintereinander in Fällen des Vorwurfs der gemeinschaftlichen Rechtsbeugung nicht gegen die Rechtsweggarantie im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen sollte.

Jedenfalls gelangte der BayVerfGH im Zuge seiner rechtlichen Überprüfung zu dem Ergebnis, es seien nicht alle zulässigen Rechtsbehelfe ausgeschöpft worden. Deshalb sei das Subsidiaritätsprinzip verletzt. Deshalb sei die Verfassungsbeschwerde mangels Erschöpfung des Rechtswegs als unzulässig zurückzuweisen. Ich brauche angesichts dessen nicht besonders hervorzuheben, dass die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 17.11.2015, Vf. 32-VI-15 unzweifelhaft im Bereich Juristischer Nonsens zu verorten ist. Die Tatsache, dass ich in der Sache natürlich Recht habe, wurde mir erst neulich wieder bestätigt durch den Beschluss des BVerfG vom 22. Mai 2017, Az. 2 BvR 1453/16 (Rn. 10-12).

Ich habe in dieser Angelegenheit am 29. Juni 2018 (die nunmehr achte) Strafanzeige erstattet. Sie wird dort unter dem Az. 120 AR 3573/18 bearbeitet. Nach Ablauf von drei Monaten seit Erstattung der Strafanzeige habe ich am 1. Oktober 2018 auch in dieser Sache einen Antrag auf Erzwingung der Ermittlungen zum OLG München gestellt.  

"Jedenfalls gelangte der BayVerfGH im Zuge seiner rechtlichen Überprüfung zu dem Ergebnis, es seien nicht alle zulässigen Rechtsbehelfe ausgeschöpft worden. Deshalb sei das Subsidiaritätsprinzip verletzt. Deshalb sei die Verfassungsbeschwerde mangels Erschöpfung des Rechtswegs als unzulässig zurückzuweisen."

Man kann nicht aus Unzulässigkeit der VB wg. Subsidiarität auf fehlende Rechtswegerschöpfung schließen. Denn Subsidiarität und Rechtswegerschöpfung sind nicht dasselbe. Die Anforderungen des Subsidiaritätsprinzips gehen viel weiter als die der bloßen Rechtswegerschöpfung.

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Ich verstehe nicht auf Anhieb, was Sie mir sagen wollen: Stimmen Sie mir zu? Oder an welcher Stelle sind Sie anderer Meinung?

Ich hatte nämlich in meinem juristischen Unverstand bis dahin angenommen...

Für Ihren "juristischen Unverstand" (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 61. A., § 172 Rn. 6) ist der BayVerfGH nicht verantwortlich zu machen. Dieses bedauerliche Manko müssen Sie selbst verantworten und ggf. beheben.

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Das Zitat lautet vollständig:

"Im übrigen konnte mir auch der BayVerfGH nicht so richtig erklären, wie ich gegen eine vollkommene Untätigkeit der StA eine "Beschwerde" zur GenStA hätte erheben sollen. Ich hatte nämlich in meinem juristischen Unverstand bis dahin angenommen, ich könne mich gegen ein behördliches Handeln überhaupt nur dann vermittels einer "Beschwerde" an die vorgesetzte Behörde wenden, wenn überhaupt ein wie immer auch geartetes behördliches Handeln positiv vorläge, das überhaupt tauglicher Gegenstand einer "Beschwerde" sein könne. Es blieb zudem nach meinem, natürlich völlig unmaßgeblichen, juristischen Geschmack so ein klein wenig im Unklaren, wieso die Nicht-Entscheidung des OLG viermal hintereinander in Fällen des Vorwurfs der gemeinschaftlichen Rechtsbeugung nicht gegen die Rechtsweggarantie im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen sollte."

Welches juristische Argument haben Sie dagegen vorzubringen?

Lesen Sie doch einfach bei Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. A., § 172 Rn. 6 nach. Warum, meinen Sie, dass ich Zitate einfüge? Den Kommentar haben Sie kürzlich sogar noch als einzige Autorität benannt, der Sie sich unterwerfen wollen!

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Hier haben Sie die Antwort, warum die von Ihnen genannte Kommentarstelle durch die Rspr. des BVerfG aus den Jahren 2014 und 2015 überholt ist:

II. Vier Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts

Durch vier gleichlautende Entscheidungen des BVerfG ändert sich die Bedeutung des Klageerzwingungsverfahrens grundlegend: Erst vier gleichlautende Entscheidungen des BVerfG normieren einen echten Rechtsanspruch des Verletzten gegen die Staatsanwaltschaft auf effektive Strafverfolgung und damit auf ernsthafte Ermittlungstätigkeit.[2] Diese vier gleichlautenden Entscheidungen des BVerfG sind die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts

Der Verletzte hat insbesondere einen echten Rechtsanspruch auf ernsthafte Ermittlungstätigkeit gegen die Staatsanwaltschaft in folgender Fallgruppe: Steht ein Amtsträger im Verdacht, im Rahmen der Ausübung der ihm anvertrauten Amtstätigkeit eine Straftat begangen zu haben, hat der Verletzte einen echten Rechtsanspruch gegen die Staatsanwaltschaft auf die förmliche Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Amtsträger und auf sorgfältige Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen, sofern ein Anfangsverdacht i.S.d. § 152 StPO gegen den Amtsträger besteht.[7]

Mit diesen vier gleichlautenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts wurde die "seit Menschengedenken" bestehende einhellige Rechtsprechung über den Haufen geworfen, wonach dem Verletzten hinsichtlich der Strafverfolgung lediglich ein sog. Reflexrecht zur Seite steht.[8]

Es kann gar nicht genug herausgestellt werden, dass durch diese vier gleichlautenden Entscheidungen des BVerfG – beginnend mit dem Beschluss vom 26. Juni 2014 im Fall Tennessee Eisenberg – eine richtiggehende "Zeitenwende" eingetreten ist: Erst seit diesen Beschlüssen des BVerfG kann der Verletzte einen echten Rechtsanspruch auf Strafverfolgung gegen Dritte – gegenständlich beschränkt auf die dort normierten Fallgruppen – für sich geltend machen. Erst beginnend mit dem Beschluss vom 26. Juni 2014 im Fall Tennessee Eisenberg wird also dem Verletzten ein subjektiv-öffentlich-rechtlicher Rechtsanspruch zugebilligt.[9]

In den vier Beschlüssen des BVerfG vom 26. Juni 2014 (Tennessee Eisenberg), vom 6. Oktober 2014 (Gorch Fock), vom 23. März 2015 (Münchner Lokalderby) und vom 19. Mai 2015 (Kundus) wird postuliert, dass der Verletzte dann einen echten Rechtsanspruch auf Strafverfolgung gegen Dritte, d.h. auf ernsthafte Ermittlungsbemühungen der Strafverfolgungsbehörden hat, wenn es um Straftaten von Amtsträgern bei der Ausübung des ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes geht. Das ist z.B. auch bei richterlicher Spruchtätigkeit der Fall.[10]

Hier haben Sie die Antwort, warum die von Ihnen genannte Kommentarstelle durch die Rspr. des BVerfG aus den Jahren 2014 und 2015 überholt ist

Die Kommentarstelle ist aus dem Jahr 2018, kann also nach Adam Riese nicht durch die "Rspr. des BVerfG aus den Jahren 2014 und 2015 überholt" sein. Muß ich Ihnen das wirklich näher erklären? Im übrigen ist diese Kommentarstelle ständige Rechtsprechung bei alolen Gerichten, auch Verfassungsgerichten.

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Das ist falsch, was Sie behaupten: 99,9% eines Kommentars werden von Auflage zu Auflage ungeprüft weitergeschleppt. Wenn Sie Pech haben, lesen Sie also in einem Kommentar die Wiedergabe einer Rechtslage nach dem Stand von Anno Tobak. So auch hier. Die betreffende Kommentarstelle ist inhaltlich längst überholt, auch wenn die Auflage formal aus dem Jahr 2018 stammt.    

Aha. Sie haben also Recht und die Kommentare und die Rechtsprechung der Oberlandes- und Verfassungsgerichte haben Unrecht! Ein großes Wort, würdig eines großen Mannes: Würdinger! Mao war mit seinen Worten wahrlich ein Klacks gegen Sie!

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Da sprechen Sie ein großes Wort gelassen aus, in der Tat, ich habe Recht und die Kommentare und die Rechtsprechung der Oberlandes- und Verfassungsgerichte haben Unrecht. An dieser Stelle muss ich Ihnen ein kleines Geheimnis verraten: Es kommt in der Tat vor, dass derjenige Recht hat, der die besseren (juristischen) Argumente auf seiner Seite hat und nicht derjenige, der mehr Macht besitzt. 

Es kommt in der Tat vor, dass derjenige Recht hat, der die besseren (juristischen) Argumente auf seiner Seite hat und nicht derjenige, der mehr Macht besitzt.

Aber nur dann! Insbesondere aber dann nicht, wenn man einfach die Rechtslage, Rechtsprechung und Literatur nicht kennt, wie Sie, der Sie ja zugeben, Sie hätten aus "juristischen Unverstand bis dahin angenommen, ich könne mich gegen ein behördliches Handeln überhaupt nur dann vermittels einer "Beschwerde" an die vorgesetzte Behörde wenden, wenn überhaupt ein wie immer auch geartetes behördliches Handeln positiv vorläge, das überhaupt tauglicher Gegenstand einer "Beschwerde" sein könne".  Die richtige Rechtslage kannten Sie also schlicht und einfach nicht! Wenn man schon meint, dass man gegen alle anderen "die besseren (juristischen) Argumente auf seiner Seite hat und nicht derjenige, der mehr Macht besitzt", sollte man die Argumente der Gegenseite wenigstens kennen und sich mit ihnen auseinadergesetzt haben. Dummheit und Unwissenheit alleine schaffen jedenfalls keine "besseren (juristischen) Argumente"!

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Dann halt nochmal, nur für Sie, zum Mitschreiben: Die Entscheidung des BayVerfGH vom 22.10.2018, Vf. 74-VI-17

http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-26563

stützt sich einzig und allein darauf, die sog. Vorschaltbeschwerde hätte vom Bf. nicht als entbehrlich angesehen werden dürfen. Dies ist aus mehreren Gründen evident falsch:

I.      Kein Übergehen der Widerspruchsbehörde, der Münchner GenStA

1.)    Die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, ist in keiner Weise übergangen worden. Die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, hatte vielmehr objektiv die Gelegenheit, sich an Recht und Gesetz zu halten und die Ausgangsbehörde, die StA München I, zur förmlichen Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen die Münchner Richter anzuhalten. Das OLG München hatte nämlich – insoweit richtigerweise - die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, zur Stellungnahme zum Verfahren aufgefordert. Im Rahmen dieser Stellungnahme hätte die GenStA die StA München I dazu anhalten müssen, die Ermittlungen gegen die Münchner Richter förmlich einzuleiten.  

2.)    Es macht hierbei evident auch keinen Unterschied, zu welchem Zeitpunkt die  Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, Gelegenheit zu ihrem Handeln hatte: Es macht evident keinen Unterschied, ob die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, schon auf eine Vorschaltbeschwerde hin tätig wird oder erst, wenn sie vom Gericht, in diesem Fall vom OLG München, dazu aufgefordert wird. Denn egal, zu welchem Zeitpunkt die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, zum Tätigwerden aufgefordert wird, die GenStA musste sich in jedem Fall an Recht und Gesetz halten. Und nach Recht und Gesetz war es in diesem Fall unabweisbar, die StA München I dazu anzuhalten, die Ermittlungen gegen die Münchner Richter förmlich einzuleiten. Der Zeitpunkt, sich an Recht und Gesetz zu halten, spielt also evident keinerlei Rolle.      

3.)    Dieselbe Überlegung gilt auch in Bezug auf die Verfahrensbeteiligten: Es macht evident keinerlei Unterschied, ob die  Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, vom Gericht, dem OLG München, oder von dem Bf. dazu aufgefordert wird, Stellung zu nehmen. Denn in beiden Fällen – unabhängig von dem Verfahrensbeteiligten - wird die Münchner GenStA gleichzeitig dazu ermahnt, sich an Recht und Gesetz zu halten und die StA München I dazu anzuhalten, die Ermittlungen gegen die Münchner Richter förmlich einzuleiten. 

II.    Unzulässigkeit einer etwaigen Vorschaltbeschwerde

Eine etwaige Vorschaltbeschwerde wäre in diesem Fall auch evident unzulässig gewesen. Der Bf. hätte nämlich eine Vorschaltbeschwerde mangels jedweder Beschwer auch gar nicht erheben dürfen. Denn es lag in diesem Fall ja noch nicht einmal ein wie immer geartetes Handeln der Ausgangsbehörde, der StA München I, vor, das eine Beschwer des Bf. hätte auslösen können. Da also eine etwaige Vorschaltbeschwerde – mangels jedweder Beschwer - evident unzulässig gewesen wäre, kann daraus dem Bf. auch keinerlei Rechtsnachteil erwachsen. Umgekehrt verhält sich der Bf. gerade dadurch rechtskonform, dass er auf die Erhebung eines evident unzulässigen Rechtsbehelfs verzichtet.  

III.  Die Parteimaxime im Widerspruchsverfahren  

Schließlich gilt - zumindest in dem vorliegenden Fall – für das Widerspruchsverfahren die Parteimaxime. Es blieb dem Bf. überlassen, ob er auf der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens besteht oder lieber darauf verzichten will. Die Parteimaxime im Widerspruchsverfahren ergibt ich hier daraus, dass der Bf. von Anfang an auf seinen Anspruch auf Strafverfolgung Dritter gepocht hat. Es handelt sich hierbei um ein subjektiv-öffentliches Recht des Bf. Da also der Bf. – materiellrechtlich - über ein subjektiv-öffentliches Recht verfügte, durfte er auch über die prozessuale Umsetzung dieses Rechts verfügen. Die Anerkennung des Anspruchs auf Strafverfolgung Dritter durch die Tennessee Eisenberg-Entscheidung des BVerfG vom 26.6.2014 bringt eben unter anderem auch mit sich, dass der Verletzte insoweit auch den weiteren Fortgang der Ermittlungen – denn der Verletzte hat in diesem Fall einen Rechtsanspruch auf ernsthafte Ermittlungen – aktiv gestalten kann. Vor diesem Hintergrund steht es dem Verletzten selbstverständlich frei, welche prozessualen Mittel er zur Durchsetzung seines Rechtsanspruchs wählen will. Es ist deshalb unter keinem Gesichtspunkt zu beanstanden, wenn sich der Bf. in diesem Fall dazu entschlossen hat, auf die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens verzichten zu wollen.    

IV.    Ergebnis

Da also die Entscheidung des BayVerfGH vom 22.10.2018, Vf. 74-VI-17

http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-26563

einzig und allein darauf gestützt ist, die sog. Vorschaltbeschwerde sei erforderlich gewesen – was aber evident nicht der Fall ist – ist die Entscheidung des BayVerfGH vom 22.10.2018, Vf. 74-VI-17 als evident falsch zu qualifizieren.

...ist die Entscheidung des BayVerfGH vom 22.10.2018, Vf. 74-VI-17 als evident falsch zu qualifizieren.

Das einzige, was "evident falsch" ist, sind Sie und Ihre evident verquere Einzelmeinung!

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Wo ist Ihr juristisches Argument?

Nur haben Sie kein juristisches Argument...dass das mit der VwGO-Anwendung in der StPO-Geltung Blödsinn ist, ist juristen schließlich klar.

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Wo ist Ihr juristisches Argument?

Ich habe in dieser Angelegenheit am 29. Juni 2018 (die nunmehr achte) Strafanzeige erstattet

Knöllchen-Horst, der zeitweise 5000 Strafanzeigen im Jahr erstattet hat, ist wohl Ihr grosses Vorbild?

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Und wo ist das juristische Argument?

Und bei manchen Passagen der Entscheidung des BayVerfGH vom 22.10.2018, Vf. 74-VI-17

http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-26563

traue ich meinen Augen nicht: Z.B. schreibt der BayVerfGH, mein Rechtsfall drehe sich um die

"vom Verfassungsgerichtshof bislang offengelassene Frage, ob die ... Justizgewährungspflicht auch ein subjektives verfassungsmäßiges Recht auf effektiven Rechtsschutz ... begründet."

Der BayVerfGH will sich also die Frage offenhalten, ob er sich an Art. 19 IV  GG gebunden sieht. Ist das eine Aufkündigung des Art. 31 GG? Hat sich der BayVerfGH bei der Formulierung dieser Passage irgendwelche Gedanken darüber gemacht, was das hieße? Soll ein nur eingeschränkter Rechtsschutz auf dem Staatsgebiet des Freistaat Bayern gelten? 

Der BayVerfGH redet (Rdnr. 17) ausdrücklich von der "aus Art. 3 Abs. 1 BV hergeleitete[n] Justizgewährungspflicht", was Sie in Ihrem kastrierten Zitat mit Täuschungsabsicht absichtlich unterschlagen, also von der bayerischen Verfassung und nicht vom deutschen Grundgesetz! Schämen Sie sich nicht über Ihren billigen Betrugsversuch?

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Sie sollten mal das Merkblatt des BaYVerfGH lesen, bevor Sie weitere hunderte Verfassungsbeschwerden einlegen, die dann wieder samt Mißbrauchsgebühr zurückgewiesen werden. Dort steht: "Teilen Sie mit, welches verfassungsmäßige Recht der Bayerischen Verfassung nach Ihrer Auffassung verletzt wurde. (Normen des Grundgesetzes sind für den Verfassungsgerichtshof kein Prüfungsmaßstab.)". Für einen Juristen leiden Sie an einer wirklich erschreckenden Kenntnislosigkeit.

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Zeigen Sie endlich Ihr Gesicht, dann kann ich Sie nämlich auch unter dem Gesichtspunkt der §§ 185 ff StGB anzeigen. 

Ich verhalte mich vernünftig: Ich habe mich auf einen bestimmten Prozess-Typus spezialisiert, verfüge bei diesem bestimmten Prozess-Typus - in aller Bescheidenheit - über eine äußerst umfangreiche forensische Erfahrung und habe - ebenso in aller Bescheidenheit - den entscheidenden Aufsatz zu diesem Prozess-Typus geschrieben. Diesen Aufsatz habe ich auf der Grundlage der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfasst, die noch nicht in jedem Kommentar zutreffend und vollständig verzeichnet ist. Im übrigen gehe ich meinem Beruf als Rechtsanwalt nach: Ich führe Prozesse
dieses Prozess-Typus, auf den ich mich spezialisiert habe und halte mich hierbei an die richtigerweise anzuwendende Verfahrensordnung, das ist bei dem vorliegenden Prozess-Typus die Verwaltungsgerichtsordnung, in Fachkreisen kurz VwGO genannt. 

verfüge bei diesem bestimmten Prozess-Typus - in aller Bescheidenheit - über eine äußerst umfangreiche forensische Erfahrung...

Sie meinen "eine äußerst umfangreiche forensische Erfahrung" damit, solche Prozesse samt und sonders ständig zu verlieren und gar mit Mißbrauchsgebühren bestraft zu werden? Eine wirklich gute Empfehlung Ihrer Person und Ihres "Schaffens" scheint mir das - mit Verlaub - nicht gerade zu sein...

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Sie scheinen die bisher geführte Diskussion nicht verfolgt zu haben. Deswegen, nur für Sie, eine kurze Zusammenfassung des aktuellen Diskussionsstands: Die Entscheidung des BayVerfGH vom 22.10.2018, Vf. 74-VI-17

http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-26563

stützt sich einzig und allein darauf, die sog. Vorschaltbeschwerde hätte vom Bf. nicht als entbehrlich angesehen werden dürfen. Dies ist aus mehreren Gründen evident falsch:

I.      Kein Übergehen der Widerspruchsbehörde, der Münchner GenStA

1.)    Die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, ist in keiner Weise übergangen worden. Die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, hatte vielmehr objektiv die Gelegenheit, sich an Recht und Gesetz zu halten und die Ausgangsbehörde, die StA München I, zur förmlichen Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen die Münchner Richter anzuhalten. Das OLG München hatte nämlich – insoweit richtigerweise - die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, zur Stellungnahme zum Verfahren aufgefordert. Im Rahmen dieser Stellungnahme hätte die GenStA die StA München I dazu anhalten müssen, die Ermittlungen gegen die Münchner Richter förmlich einzuleiten.  

2.)    Es macht hierbei evident auch keinen Unterschied, zu welchem Zeitpunkt die  Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, Gelegenheit zu ihrem Handeln hatte: Es macht evident keinen Unterschied, ob die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, schon auf eine Vorschaltbeschwerde hin tätig wird oder erst, wenn sie vom Gericht, in diesem Fall vom OLG München, dazu aufgefordert wird. Denn egal, zu welchem Zeitpunkt die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, zum Tätigwerden aufgefordert wird, die GenStA musste sich in jedem Fall an Recht und Gesetz halten. Und nach Recht und Gesetz war es in diesem Fall unabweisbar, die StA München I dazu anzuhalten, die Ermittlungen gegen die Münchner Richter förmlich einzuleiten. Der Zeitpunkt, sich an Recht und Gesetz zu halten, spielt also evident keinerlei Rolle.      

3.)    Dieselbe Überlegung gilt auch in Bezug auf die Verfahrensbeteiligten: Es macht evident keinerlei Unterschied, ob die  Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, vom Gericht, dem OLG München, oder von dem Bf. dazu aufgefordert wird, Stellung zu nehmen. Denn in beiden Fällen – unabhängig von dem Verfahrensbeteiligten - wird die Münchner GenStA gleichzeitig dazu ermahnt, sich an Recht und Gesetz zu halten und die StA München I dazu anzuhalten, die Ermittlungen gegen die Münchner Richter förmlich einzuleiten. 

II.    Unzulässigkeit einer etwaigen Vorschaltbeschwerde

Eine etwaige Vorschaltbeschwerde wäre in diesem Fall auch evident unzulässig gewesen. Der Bf. hätte nämlich eine Vorschaltbeschwerde mangels jedweder Beschwer auch gar nicht erheben dürfen. Denn es lag in diesem Fall ja noch nicht einmal ein wie immer geartetes Handeln der Ausgangsbehörde, der StA München I, vor, das eine Beschwer des Bf. hätte auslösen können. Da also eine etwaige Vorschaltbeschwerde – mangels jedweder Beschwer - evident unzulässig gewesen wäre, kann daraus dem Bf. auch keinerlei Rechtsnachteil erwachsen. Umgekehrt verhält sich der Bf. gerade dadurch rechtskonform, dass er auf die Erhebung eines evident unzulässigen Rechtsbehelfs verzichtet.  

III.  Die Parteimaxime im Widerspruchsverfahren  

Schließlich gilt - zumindest in dem vorliegenden Fall – für das Widerspruchsverfahren die Parteimaxime. Es blieb dem Bf. überlassen, ob er auf der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens besteht oder lieber darauf verzichten will. Die Parteimaxime im Widerspruchsverfahren ergibt ich hier daraus, dass der Bf. von Anfang an auf seinen Anspruch auf Strafverfolgung Dritter gepocht hat. Es handelt sich hierbei um ein subjektiv-öffentliches Recht des Bf. Da also der Bf. – materiellrechtlich - über ein subjektiv-öffentliches Recht verfügte, durfte er auch über die prozessuale Umsetzung dieses Rechts verfügen. Die Anerkennung des Anspruchs auf Strafverfolgung Dritter durch die Tennessee Eisenberg-Entscheidung des BVerfG vom 26.6.2014 bringt eben unter anderem auch mit sich, dass der Verletzte insoweit auch den weiteren Fortgang der Ermittlungen – denn der Verletzte hat in diesem Fall einen Rechtsanspruch auf ernsthafte Ermittlungen – aktiv gestalten kann. Vor diesem Hintergrund steht es dem Verletzten selbstverständlich frei, welche prozessualen Mittel er zur Durchsetzung seines Rechtsanspruchs wählen will. Es ist deshalb unter keinem Gesichtspunkt zu beanstanden, wenn sich der Bf. in diesem Fall dazu entschlossen hat, auf die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens verzichten zu wollen.    

IV.    Ergebnis

Da also die Entscheidung des BayVerfGH vom 22.10.2018, Vf. 74-VI-17

http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-26563

einzig und allein darauf gestützt ist, die sog. Vorschaltbeschwerde sei erforderlich gewesen – was aber evident nicht der Fall ist – ist die Entscheidung des BayVerfGH vom 22.10.2018, Vf. 74-VI-17 als evident falsch zu qualifizieren.

Passt wohl... aber darf dann eigentlich eine Mißbrauchsgebühr erhoben werden?

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Diese Frage hätte der BayVerfGH wirklich tatsächlich prüfen müssen.

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Und bei Ihnen muss man sehr ernsthaft prüfen, ob es sich bei Ihnen nicht einfach um einen sog. Flach-Wirbelwind handelt. 

Sehr geehrter Herr Würdiger,

ein paar Bedenken:

Die fehlende Vorschaltbeschwerde war für den BayVerfGH insoweit ausschlaggebend, als damit die fehlende Einhaltung der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde begründet wurde. Ich halte Ihre Argumentation dafür, weshalb diese hier entbehrlich gewesen sein soll, jedenfalls nicht für zwingend. Ich orientiere mich an Ihrer Gliederung.

I.

1. Ein Eingehen allein auf eine Übergehung der GenStA als "Vorgesetztem" ist schon deshalb problematisch, weil Anküpfungspunkt für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung in § 172 Abs. 2 S. 1 StPO gerade die Entscheidung des Vorgesetzten ist. Diese kann daher - nach dem Gesetz - nicht im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden, schon gar nicht aufgrund einer Aufforderung des Gerichts zur "Stellungnahme" (und ersichtlich nicht eine Aufforderung zum "Tätigwerden" im Sinne der gestellten Strafanträge).

2. Vor diesem Hintergrund halte ich auch Ihre Ausführungen zur Verpflichtung zum Tätigwerden von Amts wegen für irrelevant, weil sie das Ermittlungs-/Klageerzwingungsverfahren nicht betreffen, in welchem gerade Streit darüber herrscht, ob ein Einschreiten von Amts wegen veranlasst ist. Natürlich ist die Staatsanwaltschaft bei Kenntniserlangung von einem Verdacht auf Straftaten im Grundsatz zu Ermittlungen verpflichtet, dabei ist ja auch egal, ob die Kenntnis auf einem gerichtlichen Anschreiben, oder der dienstlichen Lektüre dieses Blogs oder was auch immer beruht. Auch die GenStA kann daher - vermutlich - bei entsprechender Kenntnis im Rahmen der Hierarchie auf die StA einwirken. Ersichtlich waren StA und auch die GenStA in Ihrem Fall der Ansicht, dass keine Ermittlungen aufzunehmen waren. All dies hat aber mit den gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung nichts zu tun.

3. Eine Argumentation dahingehend, dass der Antrag auf Entscheidung des "Vorgesetzten" (Vorschaltbeschwerde) nur überflüssige Förmelei wäre, halte ich angesichts des ausdrücklichen Gesetzestextes für riskant.

 

II.

Diskutabel erscheint der Ansatz, dass die Einlegung eines zwar statthaften aber "evident unzulässigen" Rechtsmittels möglicherweise keine "zumutbare" Möglichkeit des unterverfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes im Sinne der Subsidiarität der VB darstellt (wobei anwaltliche Vorsicht angesichts der bekannten Strenge der Verfassungsgerichte hierbei möglicherweise zur Einlegung gleichwohl raten könnte). Ein solcher Fall liegt aber doch bei bloßer Untätigkeit der StA nicht vor, da die hM die Einlegung der Vorschaltbeschwerde auch in diesem Fall gerade für möglich hält (vgl. nur Moldenhauer, KK (2013), § 172 StPO Rn. 6 mwN).

III.

Eine "Parteimaxime" kann doch nicht die gesetzlichen Verfahrensabläufe modifizieren. Der Verzicht auf bestimmte Verfahrenshandlungen führt dann eben ggf. zur Unzulässigkeit anderer Anträge.

Jedenfalls für evident falsch halte ich die Entscheidung daher nicht.

Grüß Gott Herr Obermann,

ich bin froh, zur Abwechslung mal einen sachlichen, vernünftigen Kommentar lesen zu dürfen. Indes gehen Sie von einer "heilen Welt" aus. Sie gehen davon aus, die Justiz in München würde auch dann funktionieren, wenn das Krähenprinzip in Rede steht. Indes: Weder gibt es hier in München die heile Welt, noch funktioniert - jedenfalls hier in München - die Justiz, sobald das Krähenprinzip greift. Unter diesen "Münchner Bedingungen" war und ist deshalb die sog. Vorschaltbeschwerde schlicht komplett sinnlos.  

Die sog. "Vorschaltbeschwerde" ist deshalb entbehrlich. Es wäre auch naiv anzunehmen, dass die Münchner GenStA von dem einmal eingeschlagenen Krähenprinzip in irgendeiner Weise abweicht, zudem: Schauen Sie sich mal die ständige Rechtsprechung zu den §§ 68 ff VwGO an: Den Rechtsbehelf zu der vorgesetzten Behörde kann man sich sparen, wenn er keinerlei Aussicht auf Erfolg verspricht. So liegen die Dinge hier: Auch die Münchner GenStA zeigt nach aller Erfahrung ersichtlich keinerlei Neigung, strafrechtliche Ermittlungen gegen einen Münchner Richter zu forcieren. Und das mit dem "Krähenprinzip" hatten wir ja schon.   

Die Rechtsprechung zu den §§ 68 ff VwGO enthält allgemeine Grundsätze, die Allgemeingültigkeit für sich beanspruchen. Diese Grundsätze müssen deshalb auch im Rahmen der §§ 172 ff StPO Anwendung finden. Vgl. hierzu z.B. https://juraeinmaleins.de/entbehrlichkeit-des-vorverfahrens-widerspruchv...

Sehr geehrter Herr Würdinger,

natürlich sind Zielsetzung und Ablauf des verwaltungsrechtlichen Vorverfahrens und der "Vorschaltbeschwerde" ähnlich. M.E. ist aber vor der Heranziehung der "allgemeinen Grundsätze" zu beachten, dass die Ausgestaltung doch unterschiedlich ist, wobei am Augenfälligsten scheint, dass in § 68 VwGO Ausnahmen bereits festgeschrieben sind und Gegenstand der Anfechtungsklage / Verpflichtungsklage die Ursprungs(-nicht-)entscheidung der Behörde bleiben, wohingegen in § 172 StPO keine Möglichkeit vorgesehen ist, schon gegen die Entscheidung der StA eine gerichtliche Entscheidung zu erzwingen, sondern durch die Vorschaltbeschwerde der Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung, die Entscheidung des Vorgesetzten, erst geschaffen wird.

Angesichts der gesetzlichen Regelung würde ich - ersichtlich in Übereinstimmung mit der hM - auch § 172 StPO im Fall der Untätigkeit eher analog anwenden, als die Vorschriften über das Verwaltungsgerichtsverfahren.

Unstreitig sind die strukturellen Probleme bei der Verfolgung von Rechtsbeugung.

Grüß Gott Herr Obermann,

nein, ich denke tatsächlich, dass beide Widerspruchsverfahren absolut gleichzusetzen sind. Das folgt daraus, dass sich durch die Rspr. des BVerfG in den Jahren 2014 und 2015 die Dinge ganz grundsätzlich geändert haben. Erst seitdem gibt es das subjektiv-öffentliche Recht auf effektive Strafverfolgung, das es vorher gerade nicht gab. Rn. 10 der Tennessee Eisenberg-Entscheidung des BVerfG vom 26. Juni 2014 lautet: 
"Die wirksame Verfolgung von Gewaltverbrechen und vergleichbaren Straftaten stellt eine Konkretisierung der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. BVerfGK 17, 1 <5>). Vor diesem Hintergrund besteht ein Anspruch auf eine effektive Strafverfolgung dort, wo der Einzelne nicht in der Lage ist, erhebliche Straftaten gegen seine höchstpersönlichen Rechtsgüter - Leben, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Selbstbestimmung und Freiheit der Person - abzuwehren und ein Verzicht auf die effektive Verfolgung solcher Taten zu einer Erschütterung des Vertrauens in das Gewaltmonopol des Staates und einem allgemeinen Klima der Rechtsunsicherheit und Gewalt führen kann. In solchen Fällen kann, gestützt auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG, ein Tätigwerden des Staates und seiner Organe verlangt werden (vgl. BVerfGE 39, 1 <36 ff.>; 49, 89 <141 f.>; 53, 30 <57 f.>; 77, 170 <214>; 88, 203 <251>; 90, 145 <195>; 92, 26 <46>; 97, 169 <176 f.>; 109, 190 <236>). Bei Kapitaldelikten kann ein solcher Anspruch auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 1 Abs. 1 GG auch nahen Angehörigen zustehen."  

Ähnlich übrigens schon ein Abschnitt in meinem Aufsatz:

VII. Grundlegung durch Stellungnahmen in der juristischen Literatur

Zur Anwendung von Verwaltungsprozessrecht auf das Klageerzwingungsverfahren liegt eine Mehrzahl Stellungnahmen aus der juristischen Literatur vor. Es heißt dort:

"Ein wesentlicher Charakterzug des Rechtsstaatsprinzips ist die Gerichtskontrolle der Verwaltung. Da der Gesetzgeber die Staatsanwaltschaft als Verwaltungsorgan ansah, ist es sachgerecht, dass das Gericht befugt ist, die Einhaltung der Verpflichtung zur Legalität der Staatsanwaltschaft zu kontrollieren."[19]

Und speziell zur Zulässigkeit der Untätigkeitsklage heißt es:

"Nach Kalsbach so der Verletzte aber einen Anspruch auf Aufnahme der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft haben, wenn er selbst nicht in der Lage ist, die Straftat aufzuklaren, um gerichtliche Entscheidung durch die Privatklage herbeizuführen. Dieser Anspruch soll sich aus dem RiStBV Nr. 87 II (i.d.F. vom 1.10.1988) i.V.m. Art. 19 IV 1 GG ergeben. Bleibt die Staatsanwaltschaft untätig, so stehe dem Betroffenen der Rechtsweg nach den §§ 23 ff EGGVG (Untätigkeitsklage nach § 27 EGGVG) offen."[20] Schließlich werden eine ganze Reihe Parallelen zwischen dem Klageerzwingungsverfahren und dem Verwaltungsprozessrecht gezogen wie folgt:

"Im Verwaltungsprozess kann nach ständiger Rechtsprechung die Versäumung der Widerspruchsfrist (§ 70 VwGO) durch sachliche Einlassung der Behörde "geheilt" werden. Das Verwaltungsgericht kann dann bspw. eine Anfechtungsklage nicht mehr mit der Begründung als unzulässig abweisen, es fehle angesichts der Versäumung der Widerspruchsfrist an der ordnungsgemäßen Durchführung eines Vorverfahrens. ... Zu Recht weist die Rechtsprechung darauf hin, dass die Widerspruchsbehörde "Herrin des Vorverfahrens" ist und die von den §§ 68 ff VwGO primär bezweckte Selbstkontrolle der Verwaltung dann ja stattgefunden hat. Im Klageerzwingungsverfahren nach § 172 StPO stellen sich ähnliche Probleme. ... Auch hier ist vor dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 1 StPO die Vorschaltbeschwerde ... durchzuführen, bei dem sich Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft ... erneut mit der Sache befassen. § 172 Abs. 1 StPO und Nr. 105 Abs. 2 RiStBV sehen insofern ein dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren verwandtes Abhilfeverfahren vor. ... Beantragt der Betroffene auf diesen ablehnenden Bescheid hin nach § 172 Abs. 2 StPO frist- und formgerecht eine gerichtliche Entscheidung, überprüft das OLG – ähnlich wie das Verwaltungsgericht im Verwaltungsprozess – im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung, ob das Vorschaltbeschwerdeverfahren ordnungsgemäß durchgeführt wurde. ... Ist die Staatsanwaltschaft aber "Herrin des Ermittlungsverfahrens", kann aber auch mit Blick auf eine Heilung durch sachliche Einlassung kaum etwas anderes gelten als im Verwaltungsprozess. ... Sinnvollerweise wird man aber – wie im Verwaltungsprozess – dem Bürger bei verfristeter Vorschaltbeschwerde einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hinsichtlich der Frage, ob man von der Möglichkeit zur sachlichen Einlassung Gebrauch macht, gegen die Staatsanwaltschaft zubilligen. ... Der angeregte Blick auf den Verwaltungsprozess könnte schließlich auch helfen, eine weitere Problematik in den Griff zu bekommen: Nach allgemeiner Ansicht kann mit Blick auf die Beschwerdefrist des § 172 Abs. 1. S. 2 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand analog §§ 44 ff StPO gewahrt werden. ... Richtigerweise ist wohl ähnlich wie im Verwaltungsprozess zu differenzieren: Solange über die Beschwerde des Verletzten gegen die erfolgte Verfahrenseinstellung gem. § 170 Abs. 2 StPO seitens der Staatsanwaltschaft noch nicht entschieden worden ist, ist allein diese für die Entscheidung über die ... Wiedereinsetzung zuständig – genauso wie die jeweils entscheidende Behörde im verwaltungsgerichtlichen Vorverfahren. 1st über die Vorschaltbeschwerde aber unter rechtswidriger Abweisung der Wiedereinsetzung abschlägig entschieden, kann der Antrag auf Wiedereinsetzung gemeinsam mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 2 StPO gestellt werden – ebenfalls wie im Verwaltungsprozess, wo der Bürger keine gesonderte Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 2. Fall VwGO gegen die Behörde auf Gewährung der Widereinsetzung vorschalten muss."[21]

Zur Anwendung von Verwaltungsprozessrecht auf das Klageerzwingungsverfahren liegt eine Mehrzahl Stellungnahmen aus der juristischen Literatur vor.

Das wäre mir neu. Kein Mensch, außer Ihnen natürlich, vertritt so etwas. Und die Gerichte erteilen Ihnen regelmäßig ebenfalls Absagen, teils sogar mit Mißbrauchsgebühr!

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Wer lesen kann, ist eindeutig im Vorteil.

Folgende Passage haben Sie offenbar überlesen:

Und speziell zur Zulässigkeit der Untätigkeitsklage heißt es:

"Nach Kalsbach soll der Verletzte aber einen Anspruch auf Aufnahme der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft haben, wenn er selbst nicht in der Lage ist, die Straftat aufzuklaren, um gerichtliche Entscheidung durch die Privatklage herbeizuführen. Dieser Anspruch soll sich aus dem RiStBV Nr. 87 II (i.d.F. vom 1.10.1988) i.V.m. Art. 19 IV 1 GG ergeben. Bleibt die Staatsanwaltschaft untätig, so stehe dem Betroffenen der Rechtsweg nach den §§ 23 ff EGGVG (Untätigkeitsklage nach § 27 EGGVG) offen."[20]

Und wo steht da jetzt etwas von der VwGO?

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Um nur ein Beispiel zu nennen:

"Schließlich werden eine ganze Reihe Parallelen zwischen dem Klageerzwingungsverfahren und dem Verwaltungsprozessrecht gezogen wie folgt:

"Im Verwaltungsprozess kann nach ständiger Rechtsprechung die Versäumung der Widerspruchsfrist (§ 70 VwGO) durch sachliche Einlassung der Behörde "geheilt" werden. Das Verwaltungsgericht kann dann bspw. eine Anfechtungsklage nicht mehr mit der Begründung als unzulässig abweisen, es fehle angesichts der Versäumung der Widerspruchsfrist an der ordnungsgemäßen Durchführung eines Vorverfahrens. ... Zu Recht weist die Rechtsprechung darauf hin, dass die Widerspruchsbehörde "Herrin des Vorverfahrens" ist und die von den §§ 68 ff VwGO primär bezweckte Selbstkontrolle der Verwaltung dann ja stattgefunden hat."

Ich verstehe immer noch nicht...

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Im übrigen hatte ich bereits mit Herrn Kolos folgenden Dialog:

Waldemar R. Kolos kommentiert am Do, 2018-11-01 17:07 Permanenter Link

Die Vorschaltbeschwerde ist eine gesetzliche Zulässigkeitsvoraussetzung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung gem. 172 StPO. Wird der Antrag des Bf vom OLG mangels Vorschaltbeschwerde als unzulässig zurückgewiesen und rügt er in der VB die Vereinbarkeit der Vorschaltbeschwerde mit dem Wirksamkeitsgebot der Rechtsweggarantie, dann kann die VB dem formellen Subsidiaritätsgrundsatz nicht deswegen widersprechen, weil der Bf die Vorschaltbeschwerde nicht eingelegt habe. Denn die Einlegung der Vorschaltbeschwerde vermag die behauptete Verfassungswidrigkeit der OLG-Entscheidung nicht zu beseitigen, soweit das OLG mit Anknüpfung an die Vorschaltbeschwerde den Zugang zu Gerichten überspannt haben soll. Gleichwohl obliegt es einem Bf nach dem Grundsatz der materiellen Subsidiarität auch, die für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen schon im Ausgangsverfahren vollständig vorzutragen. Ob die Darlegung im Antrag zur behaupteten Entbehrlichkeit der Vorschaltbeschwerde mit dem bloßen Hinweis auf die VwGO-Analogie diesen Anforderungen genügt, erscheint mir eher zweifelhaft. Aber ich denke, das wäre der Punkt, mit dem sich der BayVerfGH hätte auseinandersetzen sollen.  

Alexander Würdinger kommentiert am Fr, 2018-11-02 08:52 Permanenter Link

Grüß Gott Herr Kolos, sollte ich Sie hier in diesem Forum einmal in irgendeiner Form beschimpft haben, bitte ich Sie vielmals um Entschuldigung. Denn ich bin nach Ihrem letzten Kommentar eher geneigt, Ihnen die Füße zu küssen für den nachfolgenden Satz, den Sie in tadelloser Leitsatz-Qualität formuliert haben. Dieser Leitsatz lautet:

"Wird der Antrag des Bf vom OLG mangels Vorschaltbeschwerde als unzulässig zurückgewiesen und rügt er in der VB die Vereinbarkeit der Vorschaltbeschwerde mit dem Wirksamkeitsgebot der Rechtsweggarantie, dann kann die VB dem formellen Subsidiaritätsgrundsatz nicht deswegen widersprechen, weil der Bf die Vorschaltbeschwerde nicht eingelegt habe." 

Und der andere Punkt, den Sie in Ihrem Kommentar ansprechen: Ich habe mich natürlich nicht mit einem bloßen Hinweis auf die VwGO-Analogie begnügt, sondern ich habe mich selbstverständlich sehr ausführlich mit der Entbehrlichkeit der Vorschaltbeschwerde in diesem Fall und mit der Statthaftigkeit der Untätigklage gem. § 75 VwGO - beides gehört zusammen - befasst. Meine ausführliche Argumentation zu diesem Punkt wurde allerdings in der Entscheidung des BayVerfGH nicht wiedergegeben. 

In bestimmten Fällen kann von einem Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO abgesehen werden. Insofern wird von „Entbehrlichkeit“ eines Vorverfahrens gesprochen. Damit ist gemeint, dass ein Vorverfahren nicht erforderlich ist.1

Das Vorverfahren ist entbehrlich:

  1. Im Fall des § 75 VwGO (Untätigkeitsklage)
  2. Wenn aus dem Verhalten der Behörde zu entnehmen ist, dass ein Widerspruch erfolglos wäre.

1 – Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 23. Auflage 2017, § 68, Rn. 16 ff., 22 ff.

In bestimmten Fällen kann von einem Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO abgesehen werden

Das gilt, wie offenkundig der Gesetzesname schon sagt, nur für das Verwaltungsrecht, bzw. Verwaltungsprozessrecht, nicht für den Strafprozess. Da sind sich die Gericht völlig einig, denen Sie ständig Ihren Schmäh präsentieren.

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Nein, es gilt für Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) aller Art.

Aha. Deshalb heißt die Verwaltungsgerichtsordnung auch "Verwaltungsgerichtsordnung", damit sie für "für Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) aller Art" auch im Strafprozess gilt, wo es die sog. "Strafprozessordnung" gibt. Verstehe, dieser Zusammenhang war mir bisher nicht bewußt. Außerdem ist das "Vorverfahren" in der StPO kein "Widerspruchsverfahren", sondern ein Beschwerdeverfahren. Aber auf solche Kleinigkeiten und Petitessen kann es bei der schieren Größe Ihrer überwätligenden Gedankenkraft selbstverständlich auf keinen Fall ankommen...

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