Vorläufig keine Betriebsratswahl bei SunExpress

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 10.09.2018
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|2242 Aufrufe

Dass von der Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes der öffentlichen Dienst sowie Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen ausgenommen sind (§ 118 BetrVG), dürfte allgemein bekannt sein. Weniger bekannt ist, dass auch die im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen sind. Dies wird § 117 BetrVG, der auszugsweise wie folgt lautet:

„§ 117 Geltung für die Luftfahrt

(1) Auf Landbetriebe von Luftfahrtunternehmen ist dieses Gesetz anzuwenden.

(2) Für im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen kann durch Tarifvertrag eine Vertretung

errichtet werden. (...)“

Diese Regelung ist zwar verfassungskonform, evtl. aber nicht mit der EU-Richtlinie 2002/14/EG nicht zu vereinbaren (so etwa Bayreuther, NZA 2010, 262; vgl. aber auch BAG 17.3.2015, NZA-RR 2015, 419), und ihm Übrigen rechtspolitisch fragwürdig.

Ein aktueller Rechtsstreit sticht genau in dieses Wespennest. Es geht um Fluggesellschaft SunExpress. Die Pilotengewerkschaft VC Cockpit und die Flugbegleitervertretung UFO wollen einen Betriebsrat beim Ferienflieger etablieren und hatten schon einen Wahlvorstand bestimmt. Die Airline, die zu gleichen Teilen Turkish Airlines und Lufthansa gehört, hatte dies im April per einstweiliger Verfügung des ArbG Frankfurt verhindert. Nunmehr hat das Hess. LAG (Beschluss vom 3.9.2018, Az. 16 TaBVGa 86/18) die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt. Der Wahlvorstand im Flugbetrieb der SunExpress ist daher derzeit nicht befugt, eine Wahl für eine Interessenvertretung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des fliegenden Personals durchzuführen. Das LAG begründete seine Entscheidung damit, dass das BetrVG für im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen nicht gilt. Nach der gesetzlichen Bestimmung müsse durch einen Tarifvertrag geregelt werden, wie eine Vertretung der Beschäftigten gebildet wird und welche Beteiligungsrechte gelten. Ein solcher Tarifvertrag ist bei SunExpress Deutschland GmbH bisher nicht geschlossen worden. Das Gericht hat hervorgehoben, dass es seinen Beschluss in einem Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz getroffen hat. Es sei dem Wahlvorstand zuzumuten, vor einer Wahl eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten. Dort müsse geklärt werden, ob § 117 Abs. 2 BetrVG nach der EU-Richtlinie 2002/14/EG unter bestimmten Voraussetzungen die Bildung von Personalvertretungen doch nicht einschränke. Außerdem sei nicht zwingend, dass auf das Recht der Interessenvertretung dann das BetrVG anzuwenden sei. Die Arbeitgeberin dürfe zunächst den Abbruch der Wahlvorbereitungen verlangen. Da ein Rechtsmittel gegen Entscheidungen des LAG im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zulässig ist, muss das Hauptsacheverfahren endgültige Klarheit schaffen.

 

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1 Kommentar

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Tja - heutzutage reden viele über "Rechtsstaat". Manche meinen ganz einfach, geltendes Recht ist zu beachten. Ich auch. Daher überzeugen die berichteten Entscheidungen. Als deutscher Jurist und Staatsbürger bin ich auch sehr zufrieden und mit der Welt im Reinen, wenn ein Gesetz dem deutschen GRUNDGESETZ entspricht. Wenn freilich "Rechtspolitik" in Rede gestellt wird, so in der Tat: Ob Deutschland sich einem fremden Rechts-Corpus unterstellen soll, das wird man auch sehr bezweifeln klnnenn und, soweit politisch änderbar, auch abschaffen können.  Briten haben das mehrheitlichm alsodemokratisch, auch so gesehen. Ob man dieselbe Konsequenz ziehen muss oder eher durch Androhung Druck machen sollte, alles über freie Marktwirtschaft Hinausgehende im Sinne des Subsidiaritätsprinzips rückzuschneiden als Misswuchs, wäre auszutesten. 

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