Jetzt aber doch: BAG zur 40 Euro-Pauschale

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 26.09.2018
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|5109 Aufrufe

Hatte mein Mitstreiter vor wenigen Wochen (Beitrag vom 29.8.2018) noch ausdrücklich bedauert, dass eine höchstrichterlichen Klärung zur Frage der 40 Euro-Pauschale ausgeblieben war („Langsam wird es ärgerlich…“), ist es in einem anderen Verfahren nunmehr doch zu der lange ersehnten Grundsatzentscheidung (BAG Urteil vom 25. September 2018 - 8 AZR 26/18, PM 46/18) gekommen. Zwar geht es um einen verhältnismäßig kleinen Betrag. Jedoch dürfte sich die Frage in relativ vielen Fällen stellen. Außerdem ist sie auch rechtsdogmatisch von einigem Interesse, da das Verhältnis des materiell-rechtlichen Zahlungsanspruchs aus § 288 Abs. 5 BGB zu § 12a ArbGG bestimmt werden muss.

Folgender typischer Fall lag der BAG-Entscheidung zugrunde:

Der klagende Arbeitnehmer ist langjährig bei der Beklagten beschäftigt. Er hat diese auf Zahlung rückständiger Besitzstandszulagen für die Monate Mai bis September 2016 in Anspruch genommen. Zudem hat er von der Beklagten wegen Verzugs mit der Zahlung der Besitzstandszulage für die Monate Juli bis September 2016 die Zahlung von drei Pauschalen à 40,00 Euro nach § 288 Abs. 5 BGB verlangt.

Ausgangspunkt der rechtlichen Würdigung ist § 288 Abs. 5 S. 1 BGB. Danach hat der Gläubiger einer Entgeltforderung bei Verzug des Schuldners einen Anspruch auf Zahlung einer Verzugspauschale in Höhe von 40 Euro. Allerdings wird die Pauschale gem. Absatz 5 ggf. auf einen Schadensersatzanspruch wegen Rechtsverfolgungskosten angerechnet. Im Arbeitsrecht schließt § 12 a ArbGG Ansprüche auf Erstattung von Rechtsverfolgungskosten vorprozessual sowie in der ersten Instanz aus. Die Mehrzahl der Landesarbeitsgerichte und zahlreiche Stellungnahmen aus den Reihen des Schrifttums sprachen sich für eine Anwendung des § 288 Abs. 5 BGB in arbeitsrechtlichen Fallgestaltungen aus. Das BAG erteilt dieser Sichtweise nunmehr eine Absage:

Der Kläger habe keinen Anspruch auf die geltend gemachten Pauschalen. Zwar finde § 288 Abs. 5 BGB grundsätzlich auch in Fällen Anwendung, in denen sich der Arbeitgeber mit der Zahlung von Arbeitsentgelt in Verzug befinde. Allerdings schließe § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG als spezielle arbeitsrechtliche Regelung nicht nur einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch wegen erstinstanzlich entstandener Beitreibungskosten, sondern auch einen entsprechenden materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch und damit auch den Anspruch auf Pauschalen nach § 288 Abs. 5 BGB aus.

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1 Kommentar

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Dem BAG unterlief ein klassischer Denkfehler, es beging also einen sog. Verstoß gegen Denkgesetze.

§ 288 BGB betrifft Verzugsgläubiger. Die EU-Richtlinie betrifft nur Unternehmer als Verzugsgläubiger. Mit § 288 BGB wurde die Verzugsrichtlinie überschießend umgesetzt. Unternehmer sind eine Untergruppe der Verzugsgläubiger. § 12 a ArbGG in der entgegen seinem Wortlaut seit Jahrzehnten praktizierten Auslegung betrifft auch vorgerichtliche Arbeitnehmer als Verzugsgläubiger. Arbeitnehmer sind eine Untergruppe der Verzugsgläubiger.  

Der Gesetzgeber hat laut Gesetzesmaterialien sich zu der Untergruppe der Unternehmer als Verzugsgläubiger so geäußert: Während §§ 280, 286 ff. BGB nach nationalem deutschen Recht schon immer die in Art. 6 der Richtlinie erwähnten Rechtsverfolgungskosten regelten, setzten wir nun als Novum auch die Pauschale von 40 EUR um.

Warum sollte also § 288 Abs. 5 BGB nich zugunsten von Arbeitnehmern gelten? Sie sind doch nach BAG Verzugsgläubiger i. S. dieser Norm. Weil nach BAG § 12 a ArbGG als lex specials vorgeht.

Das geschieht nach folgender "Logik":

Angenommen, ein Wissenschaftler statuierte vor vielen Jahren: „Kindern bis zum 2. Lebensjahr soll man ausschließlich rohes Schweinefleisch geben.“  

Derselbe Wissenschaftler stellt nun neuerdings die Regel auf: „Sämtliche Lebewesen sollen keine tierische Nahrung zu sich nehmen.“ Hierbei macht er nähere Angaben über den ungesunden Fleischverzehr bei Menschen über fünfzig.  

Nach der "Logik" des BAG läge keineswegs ein Widerspruch zu der damaligen Aussage über die empfohlene Fütterung von viel rohem Schweinefleisch an Kinder bis 2 Jahre. Zwar gehören Kinder auch zu der Gruppe "sämtlicher Lebewesen", die nach neuen Erkenntnissen keine tierische Nahrung zu sich nehmen sollen, und rohes Schweinefleisch als Kindernahrung bis 2 Jahre sei fraglos tierische Nahrung. Dem Wissenschaftler sei aber bekannt gewesen, was er vor Jahrzehnten über Kindernahrung bis 2 Jahre postuliert habe, die damalige Aussage, dass man ihnen viel rohes Schweinefleisch füttern solle, gehe der heutigen, dass sämtliche Lebewesen, also auch Kindern bis 2 Jahren, gerade keine tierische Nahrung zu sich nehmen sollen, als die speziellere vor. Der Wissenschaftler habe ja konkrete Aussagen über den ungesunden Fleischverzehr bei Menschen über fünfzig gemacht. Da Kinder bis 2 Jahren keine Menschen über 50 seien, gelte der Satz, dass sämtliche Lebewesen keine tierische Nahrung zu sich nehmen sollten, für sie nicht.

 

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