OLG München: Entsprechende Anwendbarkeit von § 93 Abs. 4 S. 3 AktG auf eine Schiedsgutachtenvereinbarung

von Dr. Cornelius Wilk, veröffentlicht am 05.10.2018

Das OLG München hat mit Urteil vom 9. August 2018 (23 U 1669/17) entschieden, dass die gesetzliche Reglementierung von Verzichts- und Vergleichsverträgen zu Organhaftungsansprüchen gemäß § 93 Abs. 4 S. 3 AktG auch für Schiedsgutachtenvereinbarungen gilt.

Im entschiedenen Fall war gegen ein ehemaliges Vorstandsmitglied ein Gerichtsverfahren u. a. wegen mutmaßlicher Organpflichtverletzungen eingeleitet worden. In einem Güterichterverfahren schloss das Vorstandsmitglied einen sog. „Zwischenvergleich“. Danach sollte eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ein Schiedsgutachten „zur Überprüfung des ordnungsgemäßen Geschäftsgangs durch den Vorstand“ für den fraglichen Zeitraum erstellen. Dieses Gutachten sollte für alle Beteiligten verbindlich i. S. d. §§ 315 ff. BGB sein. Die mutmaßlichen Verletzungshandlungen lagen bei Abschluss des „Zwischenvergleichs“ weniger als drei Jahre zurück. Obwohl das Gutachten noch nicht vorlag, wurde das Vorstandsmitglied gerichtlich auf Schadensersatz in Anspruch genommen.

In seiner Entscheidung verneint der Senat letztlich den eingeklagten Anspruch. Die Klage sei jedoch nicht bereits wegen des fehlenden Schiedsgutachtens abzuweisen. Zwar führe es, so der Senat im Anschluss an ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, zur derzeitigen Unbegründetheit einer Klage, wenn ein zwischen den Parteien vereinbartes Schiedsgutachten über Vorfragen nicht eingeholt worden sei. Die hier getroffene Schiedsgutachtenabrede sei jedoch gemäß § 93 Abs. 4 S. 3 AktG unwirksam. Danach kann eine AG u. a. erst drei Jahre nach der Entstehung des Anspruchs auf Ersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder verzichten oder sich über sie vergleichen. Dasselbe gilt nach allgemeiner und auch vom Senat bekräftigter Ansicht für Rechtsgeschäfte, die wirtschaftlich mit einem Verzicht oder Vergleich vergleichbar sind. Auch die vorliegende Schiedsgutachtenabrede, so der Senat, falle aufgrund ihrer Vergleichbarkeit mit einem Verzicht oder Vergleich in den Anwendungsbereich der Vorschrift. Denn zum einen führe sie dazu, dass eine vor Gutachtenerstellung erhobene Klage abgewiesen werde. Zum anderen solle das Schiedsgutachten bindend sein und damit Einfluss auf etwaige Schadensersatzansprüche nehmen. Käme der Gutachter zum Ergebnis, dass keine Pflichtverletzungen vorlägen, so würden Schadensersatzansprüche auch dann ausgeschlossen, wenn die Feststellungen des Gutachters objektiv unzutreffend seien.

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