EU-Führerschein: Erwerb in Tschechien - Umtausch in Österreich - Anerkennung in Deutschland?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 18.10.2018
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|2739 Aufrufe

Mal wieder etwas aus dem Bereich des EU-Führerscheins. Da gibt es das Problem der Umtauschfälle. Damit musste sich das VG München befassen. Der Erwerb in Tschechien hatte dabei unter Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip stattgefunden. Danach war in Österreich umgetauscht worden. "Nicht ok!", meint das VG München:

Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 FeV dürfen Inhaber einer gültigen EU-Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz im Sinn von § 7 Abs. 1 oder 2 FeV im Bundesgebiet haben, vorbehaltlich der sich aus § 28 Abs. 2 bis 4 FeV ergebenden Einschränkungen im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen. Der Kläger besitzt zunächst keine österreichische Fahrerlaubnis, die ihn zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigen würde. Vielmehr wurde ihm insoweit lediglich im Wege eines Führerscheinumtausches im Sinn von Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 91/439/EWG und von Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG anstelle eines tschechischen Führerscheins ein österreichischer Führerschein ausgestellt. Dass die dortige Behörde insoweit nur den Umtausch eines Führerscheins vornehmen, aber keine neue Fahrerlaubnis erteilen wollte, folgt aus den Angaben der österreichischen Ausstellungsbehörde im Schreiben vom … Februar 2017, wonach der Führerschein im Austausch aufgrund des tschechischen Führerscheins ausgestellt wurde, und aus der Tatsache, dass in dem Auszug aus dem österreichischen Führerscheinregister die Zahlen-Buchstaben-Kombination „70 (* … CZ)“ eingetragen ist. Der harmonisierte Gemeinschaftscode „70“ bedeutet sowohl nach dem Anhang Ia zur Richtlinie 91/439/EWG als auch nach dem Anhang I zur Richtlinie 2006/126/EG, dass der Führerschein im Weg eines Umtausches ausgestellt wurde. Das diesem Code nachgestellte Kürzel „CZ“ bringt nach dem Wortlaut des Anhangs Ia zur Richtlinie 91/439/EWG und des Anhangs I zur Richtlinie 2006/126/EG (vgl. dort jeweils die Erläuterungen zum Code 70) zum Ausdruck, dass der umgetauschte Führerschein durch eine Behörde der Tschechischen Republik ausgestellt wurde. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch das sowohl im Führerscheinregister als auch auf dem Führerscheindokument angegebene Erteilungsdatum … November 2007 für die Fahrerlaubnisklasse B.

Die Ausstellung der Beweisurkunde „Führerschein“ bewirkt nicht, dass der Betroffene allein dadurch eine Fahrerlaubnis erlangt. Eine unionsrechtliche Anerkennungspflicht gilt nur für solche in einem anderen Mitgliedstaat neu erworbenen Fahrerlaubnisse, deren Erteilung - auch nach den unionsrechtlichen Vorgaben - eine Eignungsüberprüfung des Bewerbers vorangegangen ist. Das ist bei einem bloßen Umtausch einer Fahrerlaubnis nicht der Fall (BVerwG, B.v. 8.9.2011 – 3 B 19/11 – ZfSch 2012, 597; BayVGH, U.v. 22.11.2010 – 11 BV 10.711). Die österreichischen Behörden haben in dem ihnen durch das Kraftfahrt-Bundesamt übersandten Fragebogen auch nicht angegeben, dass der Führerscheinausstellung eine Befähigungs- oder Verhaltensprüfung vorausgegangen wäre. Damit dokumentiert der österreichische Führerschein lediglich die ursprüngliche tschechische Fahrerlaubnis. Diese aber verleiht dem Antragsteller nicht die Berechtigung, Kraftfahrzeuge in der Bundesrepublik Deutschland zu führen (§ 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV).

Die tschechische Fahrerlaubnis des Klägers berechtigt ihn nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland. Nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV gilt die Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten. Diese Bestimmung steht mit Art. 2 Abs. 1, Art. 7 und Art. 12 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (Neufassung, ABl. EG Nr. L 403 S.18) in Einklang. Nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie werden die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine gegenseitig anerkannt. Allerdings darf ein Führerschein nur an Bewerber ausgestellt werden, die im Hoheitsgebiet des den Führerschein ausstellenden Mitgliedstaats ihren ordentlichen Wohnsitz haben oder nachweisen können, dass sie während eines Mindestzeitraums von sechs Monaten dort studiert haben (Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie). Nach Art. 7 Abs. 5 Unterabsatz 2 der Richtlinie achten die Mitgliedstaaten bei der Erteilung einer Fahrerlaubnis sorgfältig darauf, dass eine Person die Anforderungen des Absatzes 1 – und somit auch die Wohnsitzvoraussetzung – erfüllt.

Ausweislich der bei den Akten befindlichen Kopie des tschechischen Führerscheins ist als damaliger Wohnsitz des Antragstellers „B* … * … …“ angegeben. Es ergibt sich daher bereits aus dem Führerscheindokument, dass die tschechischen Behörden den Antragsteller im Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheins nicht als in Tschechien wohnhaft ansahen und damit gegen das in Art. 7 Abs. 1 Buchst. E) der Richtlinie verankerte Wohnsitzprinzip verstoßen haben. Dass der Antragsteller im Jahr 2007 entgegen der Eintragung im Führerschein tatsächlich seinen Lebensmittelpunkt in der Tschechischen Republik hatte, hat er weder dargelegt noch nachgewiesen.

Besitzt der Antragsteller aber keine in Deutschland gültige Fahrerlaubnis, durfte ihn die Fahrerlaubnisbehörde auch auffordern, den tschechischen Führerschein zur Eintragung eines Vermerks vorzulegen, durch den der Rechtsschein beseitigt wird, den dieses Dokument hervorruft. Die hierfür erforderliche Befugnisnorm ist § 47 Abs. 2 Satz 1 FeV.

VG München Beschl. v. 4.9.2018 – M 26 S 18.3652, BeckRS 2018, 22655

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