BGH: Zur Ausfallhaftung der „übrigen Gesellschafter“ gemäß § 24 GmbHG

von Dr. Cornelius Wilk, veröffentlicht am 26.10.2018

Der BGH hat mit Urteil vom 18. September 2018 (II ZR 312/16) verschiedene Fragen zur Haftung der Gesellschafter für Fehlbeträge nach Kaduzierung eines GmbH-Geschäftsanteils gemäß § 21 ff. GmbHG geklärt, u. a. zur Erstreckung auf erst nachträglich eingetretene Gesellschafter und zur Verjährung.

Die Entscheidung betrifft eine im Jahr 2004 mit einem einzigen Geschäftsanteil gegründete GmbH. Die sofort fällige Stammeinlage floss noch vor Eintragung an den Gründungsgesellschafter zurück. Nach Anteilsteilung und -abtretung kamen 2005 zwei Neugesellschafter hinzu. Die Abtretung wurde der Gesellschaft gemäß § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. angezeigt. Nach dieser Vorschrift galt gegenüber der Gesellschaft bei einer Anteilsveräußerung nur derjenige als Erwerber, dessen Erwerb bei der Gesellschaft angemeldet war (während § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG in der seit 1. November 2008 geltenden Fassung auf den Eintrag des Erwerbers in der Gesellschafterliste abstellt).

Nach Insolvenz der GmbH nahm der Insolvenzverwalter ab 2009 u. a. den Gründungsgesellschafter auf Einlageleistung in Anspruch. Nach ausbleibender Zahlung wurde dessen Anteil gemäß §§ 21-23 GmbHG kaduziert. Für den vom Gründungsgesellschafter nicht erlangten Betrag nahm der Insolvenzverwalter gemäß § 24 GmbHG die Neugesellschafter in Anspruch. Nach dieser Vorschrift haben, soweit die Stammeinlage i. R. d. Kaduzierung gemäß §§ 21-23 GmbHG nicht erlangt werden kann, die übrigen Gesellschafter den Fehlbetrag aufzubringen.

Haftung von Anteilserwerbern

In seiner zurückverweisenden Entscheidung hält der BGH einen Anspruch aus § 24 GmbHG für möglich. Nicht entgegen stehe zunächst, dass die Neugesellschafter ihre Anteile erst nach Fälligkeit der der Kaduzierung zugrunde liegenden Einlageforderung erwarben. Schutzzweck der Ausfallhaftung des § 24 GmbHG sei die Sicherung der Kapitalaufbringung und der damit verknüpfte Gläubigerschutz, so dass es unerheblich sei, zu welchem Zeitpunkt nach Fälligkeit der betreffenden Einlageforderung die Gesellschafterstellung erworben werde. Nach der Wertung des § 16 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GmbHG richte sich der Anspruch aus § 24 GmbHG auch gegen Anteilserwerber. Ausgenommen seien nur Anteilserwerber, die noch vor Fälligkeit der betreffenden Einlageforderung wieder aus der Gesellschaft ausschieden.

Haftung von nur zwischenzeitlich beteiligten Anteilserwerbern

Der Anspruch entfalle auch nicht wegen der fehlenden Eintragung der Neugesellschafter in der Gesellschafterliste. Denn die Legitimation der Neugesellschafter sei 2005 ordnungsgemäß nach § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. erfolgt. Dass die Voraussetzungen aus §§ 21-23 GmbHG erst nach 2008 eintraten, rechtfertige keine andere Bewertung. Dies gelte unabhängig von der umstrittenen (und vom Senat offen gelassenen) Frage, ob die Legitimationswirkung einer Anmeldung nach § 16 Abs. 1 GmbHG a. F. auch über den 1. November 2008 hinaus erhalten bleibe oder ob stattdessen § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG n. F. auch für alte, vor dem 1. November 2008 eingereichte Gesellschafterlisten gelte. Denn eine Legitimationswirkung der vorliegenden Altliste, in der nur der Gründungsgesellschafter verzeichnet war, greife allenfalls ex nunc ab 1. November 2008. Keinesfalls ergebe sich ein rückwirkendes Entfallen der Gesellschafterstellung der beiden Neugesellschafter. Das sei ausreichend für die Haftung aus § 24 GmbHG. Diese treffe – so der Senat entgegen einer in Literatur und instanzgerichtlicher Rechtsprechung vertretenen Ansicht – auch Zwischenerwerber, die der Gesellschaft nach Fälligkeit der betreffenden Einlageforderung beiträten und vor Erfüllung der Voraussetzungen aus §§ 21-23 GmbHG wieder ausschieden. Auch für einen solchen Zwischenerwerber gelte der Gedanke, dass sich ein Gesellschafter eines bereits – wenn auch nur aufschiebend bedingt – entstandenen Anspruchs auf subsidiäre Beteiligung an der Kapitalaufbringung nicht durch Veräußerung seines Anteils gezielt entledigen könne. Der Wortlaut des § 16 Abs. 2 GmbHG n. F., wonach neben einem Anteilsveräußerer auch der Erwerber für bei Abtretung rückständige „Einlageleistungen“ hafte, sei in Anlehnung an den weiter gefassten Wortlaut des § 16 Abs. 3 GmbHG a. F. auch auf die Ausfallhaftung aus § 24 GmbHG zu beziehen.

Regelverjährung statt Sonderverjährung analog § 19 Abs. 6 GmbHG

Schließlich sei der Anspruch aus § 24 GmbHG nicht verjährt. Abzustellen sei auf die Regelverjährung nach §§ 195, 199 BGB. Für eine – in der Literatur bislang durchweg bejahte – analoge Anwendung der zehnjährigen Sonderverjährung nach § 19 Abs. 6 GmbHG fehle es sowohl an einer planwidrigen Regelungslücke als auch an einer hinreichenden Vergleichbarkeit der Ausfallhaftung aus § 24 GmbHG mit dem Anspruch auf Einlageleistung aus § 19 GmbHG.

Subsidiarität der Ausfallhaftung

Nicht abschließend beurteilen konnte der Senat schließlich, ob die der Kaduzierung zugrunde liegende Forderung noch beim Gründungsgesellschafter eingezogen werden könne. Denn einerseits, so der Senat, greife der Anspruch aus § 24 GmbHG gegen die übrigen Mitgesellschafter nur subsidiär ein; andererseits seien keine aussichtslosen oder unzumutbaren Beitreibungsmaßnahmen beim primär verpflichteten Gesellschafter erforderlich. Die Erschwernisse einer – hier erforderlichen – Auslandsvollstreckung in Spanien könnten zwar durchaus für eine Unzumutbarkeit sprechen. Die hierfür notwendigen Feststellungen seien jedoch noch zu treffen.

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2 Kommentare

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Da das Urteil noch nicht veröffentlicht wurde, möchte ich eine Frage zur Verjährung stellen: wann beginnt die Verjährungsfrist? Nach meiner Einschätzung erst mit der Fälligkeit des Anspruchs aus § 24 GmbHG, also erst wenn alle Voraussetzungen des § 24 GmbHG erfüllt sind, insbesondere die Kaduzierung erfolgt ist. Damit dürfte es in vielen Fällen auf die Regelung des § 199 Abs. 4 BGB hinauslaufen, womit die Ansprüche aus § 24 GmbHG spätestens nach 10 Jahren verjährt sind.

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In der Tat hat auch der BGH den § 199 Abs. 4 BGB im Blick. Der Senat geht aber nicht davon aus, dass er bei § 24 GmbHG praktisch zum Tragen kommt (und wendet ihn auch im vorliegenden Fall nicht an):

[Gegen eine Anwendung der Regelverjährung] spricht auch nicht, dass auch bei Anwendung der Regelverjährung gem. § 199 Abs. 4 BGB eine kenntnisunabhängige zehnjährige Verjährungshöchstfrist ab Entstehung des Anspruchs gilt und insoweit kein Unterschied zu einer entsprechenden Anwendung von § 19 Abs. 6 GmbHG besteht. Diese Höchstfrist dürfte bei der subsidiären Ausfallhaftung in der Regel nicht zum Tragen kommen, weil die anspruchsbegründenden Umstände und die Person des Schuldners aufgrund der Durchführung des Kaduzierungsverfahrens und der weiteren Maßnahmen nach §§ 21 bis 23 GmbHG gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB bekannt sein werden. Dann aber ist eine Frist von drei Jahren auch unter Berücksichtigung des Schutzes der Kapitalaufbringung und des hiermit verknüpften Gläubigerschutzes ausreichend und angemessen, um einerseits der Gesellschaft die Geltendmachung der Ausfallhaftung zu ermöglichen und andererseits den berechtigten Interessen der übrigen Gesellschafter an einer zeitlichen Begrenzung ihrer Haftung Rechnung zu tragen.

ZIP 2018, 2018 (2024)

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