Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr: Alkoholisierung kann "Fahrlässigkeit statt Vorsatz" bedeuten!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 26.10.2018
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|1411 Aufrufe

2. Der Schuldspruch wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 2 StGB in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB kann nicht bestehen bleiben, weil die Feststellungen des Landgerichts zur subjektiven Tatseite auf einer lückenhaften Beweiswürdigung beruhen.

a) Die Strafkammer hat ihre Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten aus dem objektiven Tatgeschehen abgeleitet. Sie ist der Auffassung, dass aufgrund der Gefährlichkeit („höchstgefährliche Handlung“) des Fahrmanövers des Angeklagten (schnelle bogenförmige Rückwärtsfahrt bei eingeschränkter Sicht) nicht angenommen werden könne, dass er das hohe Risiko („naheliegend“) eines Zusammenstoßes mit den Nebenklägern und des Eintritts schwerer Gesundheitsschäden verkannt habe. Da er bewusst so gefahren sei, sei auf eine billigende Inkaufnahme der Folgen zu schließen.

b) Damit schöpft die Strafkammer den festgestellten Sachverhalt nicht aus. Denn es wäre an dieser Stelle nach § 261 StPO geboten gewesen, auch die Alkoholisierung des Angeklagten und deren mögliche Auswirkung auf sein Risikobewusstsein in den Blick zu nehmen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass auch bei hochgefährlichen Taten im Einzelfall das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes fehlen kann, wenn dem Täter das Risiko der Erfolgsherbeiführung – trotz Kenntnis aller gefahrbegründenden Umstände – infolge einer alkoholischen Beeinflussung oder einer anderen psychischen Beeinträchtigung zur Tatzeit nicht bewusst ist oder er deshalb ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des Erfolgs vertraut (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183 Rn. 26 mwN). Hochgradige Alkoholisierung und affektive Erregung gehören daher zu den Umständen, die der Annahme eines bedingten Vorsatzes entgegenstehen können und deshalb ausdrücklicher Erörterung in den Urteilsgründen bedürfen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2005 – 4 StR 185/05, NStZ-RR 2006, 11, 12 mwN [zum bedingten Tötungsvorsatz]). Danach hätte es hier auch mit Blick auf die Tatsache, dass die – insoweit nicht sachverständig beratene – Strafkammer dem Angeklagten mit Rücksicht auf seinen Alkoholkonsum eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit nach § 21 StGB zugebilligt hat, weiterer Ausführungen bedurft.

BGH Beschl. v. 14.8.2018 – 4 StR 251/18, BeckRS 2018, 22797

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