Im Bußgelbescheid Schonfrist, im Urteil nicht - das geht! Natürlich!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 26.10.2018
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|2502 Aufrufe

Eine nette kleine Entscheidung des OLG Düsseldorf. Der Betroffene hatte eine OWi begangen. Im Bußgeldbescheid gab es dafür eine Geldbuße und ein Fahrverbot mit Schonfrist (4-Monate-Abgabefrist). Das Urteil: Fahrverbot ohne Schonfrist. Der Betroffene witterte einen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot. Ein solcher lag dann aber doch nicht vor:

Die Rechtsbeschwerde konnte in zulässiger Weise dahin beschränkt werden, dass allein die Nichtgewährung der viermonatigen Schonfrist (§ 25 Abs. 2a StVG) Gegenstand der Anfechtung ist (vgl. OLG Düsseldorf NZV 1999, 50; Seitz/Bauer in: Göhler, OWiG, 17. Aufl., § 79 Rdn. 9).

Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet, weil die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Beschwerderechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 349 Abs. 2 u. 3 StPO).

Das Amtsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 25 Abs. 2a StVG zum maßgeblichen Zeitpunkt der Hauptverhandlung nicht mehr vorlagen. Denn durch den Bußgeldbescheid des Kreises B. vom 30. Mai 2017, rechtskräftig seit dem 11. Januar 2018, war gegen den Betroffenen neben einer Geldbuße von 160 Euro ein einmonatiges Fahrverbot verhängt worden. Dieser Umstand konnte in dem Bußgeldbescheid des Kreises W. vom 3. Juli 2017 noch nicht berücksichtigt werden. Hingegen musste die Vergünstigung des § 25 Abs. 2a StVG in dem angefochtenen Urteil wegen des inzwischen hinzugetretenen Fahrverbots entfallen.

Dem stand das Verschlechterungsverbot (Verbot der reformatio in peius) nicht entgegen. Denn das Verschlechterungsverbot gilt im erstinstanzlichen gerichtlichen Bußgeldverfahren kraft besonderer gesetzlicher Bestimmung nur bei einer Entscheidung durch Beschluss im schriftlichen Verfahren (§ 72 Abs. 3 Satz 2 OWiG), nicht aber bei einer Entscheidung durch Urteil nach Durchführung einer Hauptverhandlung (vgl. OLG Brandenburg BeckRS 2017, 104126 Rdn. 27; Ellbogen in: Karlsruher Kommentar, OWiG, 5. Aufl., § 67 Rdn. 5; Seitz/Bauer in: Göhler a.a.O. vor § 67 Rdn. 5 u. § 71 Rdn. 4).

Der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ist kein Rechtsmittel, sondern ein Rechtsbehelf eigener Art, und eröffnet dem Gericht die Gelegenheit, die Tat ohne Bindung an die in dem Bußgeldbescheid getroffenen Feststellungen und deren Bewertung durch die Bußgeldbehörde zu beurteilen. Durch den Einspruch verliert der Bußgeldbescheid seine Bedeutung einer vorläufigen Entscheidung und behält nur noch die Bedeutung einer tatsächlich und rechtlich näher bezeichneten Beschuldigung (vgl. OLG Düsseldorf NStZ 2000, 42, 43; OLG Brandenburg a.a.O.). Aus diesem Wesen des Bußgeldbescheides und des Einspruchs folgt, dass das Verschlechterungsverbot nach einem Einspruch nicht gilt. Das gerichtliche Bußgeldverfahren kann nach § 81 OWiG sogar in ein Strafverfahren übergeleitet werden.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.10.18 - IV-2 RBs 195/18

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