Zahlungsverzug : fristlos und fristgemäß kündigen hält besser - BGH, Urt. v. 19.9.2018, VIII ZR 261/17

von Dr. Michael Selk, veröffentlicht am 30.10.2018
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtMiet- und WEG-Recht4|21669 Aufrufe

Zwei Monatsmieten im Rückstand - muss der Mieter  bei einer Kündigung ausziehen, auch wenn der Rückstand vom Mieter innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Räumungsklage vollständig ausgeglichen wird?

Offenbar hatte es die  Zivilkammer 66 des LG Berlin leid, der Passivität des Gesetzgebers weiter zuzusehen. Denn nach wie vor führt eine vollständige Zahlung durch den Mieter auf eine fristlose Kündigung des Vermieters zwar zur Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung; hatte der Vermieter aber zugleich die fristgemäße/ordentliche Kündigung aufgrund dieser Pflichtverletzung ausgesprochen, so führt die Zahlung nicht wie bei einer fristlosen Kündigung gem. § 543 II S.1 Nr. 3 BGB automatisch auch zur Unwirksamkeit der fristgemäßen Kündigung gem. § 573 I, II Nr.1 BGB. Nach ganz h.M. ist § 569 III Nr.2 BGB auf die fristgemäße Kündigung nicht analog anwendbar.

Das LG Berlin versuchte es daher mit einer neuen Konstruktion: mit der Zahlung des Rückstands ende die Wirkung der vorrangig ausgesprochenen fristlosen Kündigung, daher könne auch die fristgemäße Kündigung keine Wirkung mehr entfalten. Dieser Argumentation hat der BGH nun einen Riegel vorgeschoben: der Vermieter, der sowohl fristlos als auch fristgemäß kündige, mache (nur) deutlich, dass die fristgemäße Kündigung nur nachranigig geprüft werden solle. Zutreffend verweist der Senat auch darauf, dass, würde man dem LG Berlin hier folgen, es dazu führen würde, dass Vermieter zukünftig nur noch die fristgemäße Kündigung aus taktischen Gründen aussprechen würden; dies sei aber vom Gesetzgeber nicht wirklich gewollt. 

Es bleibt also dabei: im Einzelfall (alle Umstände des Verschuldens müssen hier sorgfältig abgewogen werden) kann auch eine parallel wegen Zahlungsverzugs ausgesprochene fristgemäße Kündigung durchgreifen. Nach wie vor wäre es Sache des Gesetzgebers, ggf. die Heilungsvorschrift des § 569 III Nr.2 auch auf die fristgemäße Kündigung auszudehnen. Die gerichtlichen Korrekturversuche hingegen sind kläglich gescheitert. Der BGH findet im Übrigen einmal mehr deutliche Worte ("...eines teilweise fehlerhaften Verständnisses der Rechtsnatur eines Gestaltungsrechtes...." bzw. "....aufgrund einer grundlegenden Verkennung...") im Hinblick auf die Fehler der Vorinstanz.

Dem Vermieter - bzw. seiner Anwältin oder seinem Anwalt - ist daher weiterhin dringend zu empfehlen, sowohl die fristlose als auch die fristgemäße Kündigung bei Zahlungsverzug auszusprechen. In der Praxis ist dieser Rat nach wie vor nicht überall angekommmen - oft findet man nur eine fristlose Kündigung, die aber nicht ohne weiteres in eine fristgemäße umzudeuten ist.

 

 

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4 Kommentare

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Im Abwegigen des Mieterschutz"rechts" immerhin eine maßvolle insoweit venünftige Entscheidung. In vielen Zusammenhängen wird übrigens von "Rechtsstaat" geredet. Wenn denn eine fristlose Kündigung vom Recht eingeräumt wird, so ist mit Zugang das Mietverhältnis beendet. Z.B. am 2. November. Ab dieser Stunde  jedenfalls ab 3.Nov., hat der Innehaber kein Recht zum Besitz mehr , § 986 BGB. Im Vorrechtsprozessstaat müsste und dürfte nun der Eigentümer den Innehaber hinaussetzen. Der Rechtsstaat nimmt aber das Gewaltmomopol für sich in  Anspruch. Er müsste daher am 3.November, sofern der Innnehaber nicht von selbst auszieht und räumt bis 2. Nov. 24 Uhr,  diesen rauswerfen , effektiv. Warum gewährt der sog. "Rechtsstaat" mit seinem Gewaltmonopol dies nicht? Klärung? Am 3 . Nov. : 8 Uhr:Vermieter zeigt dem Amtsrichter den Mietvertrag  b) sämtliche rückliegenden Kontoauszüge zB der letzten 4 Monate  c) eidestattliche Versicherung, dass der bisherige "Mieter" was und wieviel nicht gezahlt hatbis dato und hora;  9 Uhr: Räumungsverfügung ,10 Uhr Gerichtsvollzieher, ggf. mit Polizei und Abfallsammler: Rauswurf und Räumung.  11 Uhr: Wohnung geräumt. Recht durchgesetzt. Rechtsstaat. 

Und wenn sich dann herausstellt, dass die Kündigung doch nicht rechtens war, ist der Schaden angerichtet und der Mieter sitzt auf der Straße.

Kein rechtliches Gehör gewährt. Kein Rechtsstaat.

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Sehr geehrte(r) "AB", da haben Sie nicht ganz Unrecht.   Immerhin aber:  a) Dieses "Argument" stünde dann jedweder einstweiliger Beschlussverfügung entgegen.  b)  Man kann ja erwägen, kurze Ladungsfrist zu setzen, zB  1 Stunde (telephonischer Zuruf). Bei Verfügungsverfahren habe ich Fristen von 24 Stunden erlebt, Auch das ginge ja noch. c) Der sog. "Rechtsstaat" verteilt die Lasten  ziemlich ungleichgewichtig: Eigentümer/Vermieter:  strafbar mindestens Hausfriedensbruch, wenn während Besitzrecht des Mieters/geltendem Mietvertrag unerlaubt Zutritt ;strafbar, wenn in meinem Vorschlag falsche eidesstattliche Versicherung, außerdem Prozessbetrug; MIeter: Rechtsbruch durch Nichtzahlung des Geschuldeten ( strafbar? nein, tralalala, huijuijui, passiert nix, schon gar nicht strafbar); Rechtsbruch durch unterlassene Räumung nach Beendigung des Nutzungsrechts wegen wirksamer Kündigung: nicht strafbar, tralalala, huijuijui, passiert  laaaaaaaaaaaaaaaange nix. Verteidiger des "Rechtsstaats" trällern "sozial" und perpetuieren wochen-, monate-,  manchmal gar jahrelang den RECHTSBRUCH. Als minimum begehre ch zackig-zügige Durchfürhung eines Räumunsprozesses, unter denkbar intensiver Abkürzung aller Fristen. Der "mündige Bürger" Mieter muss doch wissen, wenn er rechtsbrechend nicht zahlt, dass da was ansteht. Und sich parat halten. Selbst postalisch von Ferne könnte er ja mindestens einen Beleg über vollzogene (!!!) Zahlungen bei Gericht einreichen. Anderes steht ja rechtserheblich nicht zur Debatte im entsprechenden Sachverhalt.  Womit denn sonst soll er im Rahmen des "Rechtlichen Gehörs" gehrt werden?  Jammer, jammer - ich brauchte das Geld vom Sozialamt, das für die Miete bestimmt war, doch so dringend, um meine Mallorca-Reise bezahlen zu können? Daher kann ich jetzt auch so plötzlich nicht zu einem Gerichtstermin kommen? Und wenn dann nach etwa 2 Wochen das Amtsgericht die Räumung verfügt hat - was soll dann noch eine weitere Instanz? Warum nicht wenigstens dann alsbald vollstrecken? Lange, in Kaisers Zeiten und noch lange danahc, galt es für Selbständige und Freiberufler als eine interessante Variante, zur Alterssicherung sich Miethäuser zu bauen. Alle Welt jammert über zu wenig Wohnraum. Warum denn wohl bauen Private nur noch wenige Mietwohnungen? Da liegt wohl auch in der Mieterschutzperversion eine Ursache. 

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