LAG Baden-Württemberg: Kein Bestandsschutz für Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat bei SE-Formwechselgründung

von Dr. Cornelius Wilk, veröffentlicht am 16.11.2018

Das LAG Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom 9. Oktober 2018 (19 TaBV 1/18) entschieden, dass die in § 7 Abs. 2 MitbestG garantierte Aufsichtsratspräsenz von Gewerkschaften im Zuge einer SE-Formwechselgründung abgeschafft werden kann.

Zu entscheiden hatte das Gericht über die Verteilung der Arbeitnehmervertretersitze in einer durch Formwechsel gegründeten SE. Der Aufsichtsrat der Gründungsgesellschaft bestand aus 16 Mitgliedern und unterlag der paritätischen Mitbestimmung nach dem Mitbestimmungsgesetz. Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 MitbestG mussten sich damit unter den insgesamt acht Arbeitnehmervertretern sechs Arbeitnehmer des Unternehmens und zwei Vertreter von Gewerkschaften befinden.

Die bei SE-Gründung abgeschlossene Beteiligungsvereinbarung sah ebenfalls eine paritätische Mitbestimmung des SE-Aufsichtsrats vor. Eine zunächst ebenfalls vorgesehene Sitzgarantie für Gewerkschaftsvertreter sollte nach der Vereinbarung jedoch unter bestimmten Umständen entfallen. Hiergegen wandten sich die betroffenen Gewerkschaften u. a. mit dem Antrag, die Unwirksamkeit der einschlägigen Passage der Beteiligungsvereinbarung festzustellen.

In seiner Entscheidung verneint das Gericht eine Pflicht aus § 21 Abs. 6 SEBG, die Sitzgarantie in der SE fortzuführen und bestätigt damit die Vorinstanz (hierzu mein Beitrag vom 7. August 2018). Nach § 21 Abs. 6 SEBG muss in der Beteiligungsvereinbarung bei einer SE-Formwechselgründung „in Bezug auf alle Komponenten der Arbeitnehmerbeteiligung zumindest das gleiche Ausmaß gewährleistet werden“ wie in der Gründungsgesellschaft. Hierdurch, so das Gericht, werde sichergestellt, dass (i) der vereinbarte Anteil der Arbeitnehmervertreter im SE-Aufsichtsrat dem proportionalen Anteil der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Gründungsgesellschaft entspreche und (ii) die Rechte der Arbeitnehmervertreter im SE-Aufsichtsrat nicht hinter den Rechten der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Gründungsgesellschaft zurückblieben. Ein weitergehender, auch auf die Sitzgarantie für Gewerkschaftsvertreter bezogener Bestandsschutz werde nicht gewährleistet.

Gegen einen auf die einzelnen Merkmale der existenten Mitbestimmung bezogenen Bestandsschutz spreche der Wortlaut der Vorschrift, der sich auf „alle Komponenten der Arbeitnehmerbeteiligung“ beziehe. Zu diesen Komponenten gehöre nach der Legaldefinition des Beteiligungsbegriffs in § 2 Abs. 8 SEBG auch die Mitbestimmung. „Alle Komponenten der Mitbestimmung“ seien aber gerade nicht von § 21 Abs. 6 SEBG erfasst.

Das von § 21 Abs. 6 SEBG garantierte „gleiche Ausmaß“ korrespondiere zudem mit verwandten Regelungen in § 15 Abs. 3, Abs. 4 Nr. 1 SEBG. Danach bedeute eine „Minderung der Mitbestimmungsrechte“, dass der Anteil der Arbeitnehmervertreter im SE-Aufsichtsrat geringer ausfalle als der höchste in den Gründungsgesellschaften bestehende Anteil. Eine derart quantitative Betrachtung sei auch in Bezug auf § 21 Abs. 6 SEGB geboten.

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