Nicht-Erhebung von Steuern kann unzulässige Beihilfe sein

von Prof. Dr. Claus Koss, veröffentlicht am 19.11.2018
Ohne italienische Steuerlast (Petersdom, Foto: C. Koss, 10/2016)

Die Nicht-Erhebung von Steuern kann eine unzulässige Beihilfe sein, entschied der EuGH in seinem Urteil vom 06.11.2018 (C-622/16 P bis C-624/16 P). Durch Gesetzesänderungen und auf dem Verwaltungswege waren Immobilien von der Grundsteuer in Italien freigestellt, wenn diese von steuerbegünstigten Körperschaften ausschließlich für Zwecke in den Bereichen Sozialfürsorge, soziale Sicherheit, Gesundheit, Bildung, Beherbergung, Kultur, Erholung, Sport und Religion genutzt wurden - „unabhängig von ihrer möglicherweise gewerblichen Natur“. Davon profitierten insbesondere der katholischen Kirche nahestehende Träger und Amateursportvereine. Der EuGH entschied: diese Steuervergünstigungen müssen zurückgefordert werden. Es stellt sich die Frage, ob sich die Befreiungstatbestände nach § 3 GrStG im deutschen Recht halten lassen, z.B. für die Nutzung für gemeinnützige und mildtätige Zwecke (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 GrStG)? Gleiches gilt für die Steuerbefreiung des Zweckbetriebs.

Zu den Klägern gehörten der Betreiber einer privaten Frühstückspension und eine private Schule. Sie sahen sich gegenüber von katholischen Einrichtungen betriebenen Pilgerunterkünften benachteiligt. Diese waren von der kommunalen Immobiliensteuer (Imposta comunale sugli immobili - ICI) und von der Ertragsteuern gemäß Art. 149 Abs. 4 Testo unico delle imposte sui redditi (TUIR - italienischer Ertragsteuer-Kodex) befreit. Im Zusammenhang mit einem Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV änderten die italienischen Finanzbehörden die ICI-Befreiung im Rahmen einer Imposta municipale unica (IMU - einheitliche Kommunalsteuer).

In dem Verfahren sahen die Richter des EuGH in der Steuerbefreiung eine unzulässige, den Wettbewerb verzerrende Beihilfe. Da unzulässigerweise gewährt, müsse diese auch von den italienischen Finanzbehörden zurückgefordert werden. Den vom italienischen Fiskus geltend gemachte Vertrauensschutz der Steuerpflichtigen ließ der EuGH nicht gelten.

In Deutschland sieht § 3 GrStG verschiedene Steuerbefreiungen von Grundsteuer befreit. So sind eigene Immobilien von steuerbegünstigten Körperschaften von der Grundsteuer befreit, wenn diese für gemeinnützige und mildtätige Zwecke benutzt werden (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 GrStG). Nach hier vertretener Auffassung ist die Zulässigkeit dieser Steuerbefreiung insbesondere für den Zweckbetrieb ernstlich zweifelhaft. Vergleichbares gilt für die Ertragsteuerbefreiung des Zweckbetriebs.

Ein Beispiel: Eine steuerbegünstigte Körperschaft betreibt einen Kindergarten oder eine Kindertagesstätte. Wenn es sich um die eigen genutzte Immobilie handelt, ist diese von der Grundsteuer grundsätzlich befreit. Da Zweckbetrieb ist auch der Gewinn von der Ertragsbesteuerung grundsätzlich ausgenommen. Macht ein privater Betreiber genau das gleiche, fallen Steuern an.

Zurück zu den italienischen Verhältnissen: nach Presseberichten muss der italienische Fiskus alleine für die kommunale Immobiliensteuer rückwirkend für 2006 bis 2011 fast fünf Milliarden Euro zurückfordern.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

1 Kommentar

Kommentare als Feed abonnieren

Warum steht hier eigentlich eine Kommentar-Funktion, wenn Eingestelltes weggelöscht wird? Über das bezeichnende letzte Wort "zurückfordern" kann man ja durchaus grundsätzliche Aspekte zu Kompetenzen entwickeln.

Kommentar hinzufügen