Korrekturregelung zur Tarifeinheit soll versteckt im Qualifizierungschancengesetz die parlamentarischen Hürden nehmen

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 28.11.2018
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|3250 Aufrufe

Bis zum 31. Dezember 2018 muss der Gesetzgeber bestehende Mängel in dem von der vorherigen Bundesregierung initiierten Tarifeinheitsgesetz (TEG) verbessern. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seiner Entscheidung vom 11. Juli 2017 (NZA 2017, 915)festgestellt, dass das TEG keine Vorkehrung dafür trifft, die Interessen aller Gewerkschaften ausreichend zu wahren. Dies sei mit der Verfassung nicht vereinbar und müsse korrigiert werden. Der Gesetzgeber müsse dafür sorgen, dass die Interessen kleinerer Berufsgruppen „hinreichend berücksichtigt“ würden. Außerdem dürfe das Gesetz, bis es geändert sei, nur angewendet werden, sofern die größere Gewerkschaft die Interessen der kleinen Berufsgruppen "ernsthaft und wirksam" berücksichtigt.

Die Süddeutsche Zeitung (Ausgabe vom 26.11.2018) berichtet, dass die erwartete Ergänzung des Tarifvertragsgesetzes nunmehr noch dieses Jahr erfolgen soll. Die Regelung ist offenbar in letzter Minute in das  diese Woche vom Bundestag zu beschließende „Qualifizierungschancengesetz“ aufgenommen worden. Die Koalition will das Gesetz dahingehend ergänzen, dass ein „Minderheitentarifvertrag“ weiter gilt, wenn der „Mehrheitstarifvertrag“ die Interessen der Arbeitnehmergruppen, deren Tarifvertrag bislang steht verdrängt würde, „bei seinem Zustandekommen nicht ernsthaft und wirksam berücksichtigt.“ Sollte so die Kontrollgrenze beschrieben werden, wäre dies – wie der Bonner Arbeitsrechtsprofessor Thüsing gegenüber der FAZ zu Recht bemängelt – zu vage und würde zu sehr auf das Zustandekommen des Tarifvertrags abstellen. Noch harscher fällt die Kritik des Beamtenbundes (dbb) aus: „Das ist schlechtes Regieren in Reinform.“ dbb Chef Ulrich Silberbach das Vorgehen der Bundesregierung, die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Änderungen am umstrittenen Tarifeinheitsgesetz unbemerkt durch das Gesetzgebungsverfahren zu schleusen. Unter dem Deckmantel des unverdächtigen Qualifizierungschancengesetzes schleuse die Bundesregierung ihre TEG-Änderung in die parlamentarische Beratung ein – als zusätzlichen Artikel dieses vollkommen sachfremden Gesetzes.

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