Off-Label-Use von EuGH gestärkt

von Dr. Michaela Hermes, LL.M., veröffentlicht am 30.11.2018
Rechtsgebiete: Weitere ThemenMedizinrecht|3848 Aufrufe

Es ist kein Verstoß gegen EU-Recht, wenn die Krankenkassen eines Mitgliedslandes die Anwendung von Arzneimitteln außerhalb deren Zulassung erstatten. Dies entschied der EuGH am 21.11.2018 – Az.: C-29/17 in dem Dauerstreit zweier bei der Behandlung einer Augenkrankheit konkurrierenden Medikamente.

Der Fall

Die Firma Roche besitzt die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Avastin®. Der Wirkstoff Bevacizumab ist zur Behandlung von Krebs zugelassen. Er wirkt aber auch bei der Therapie der altersbedingten Makuladegeneration des Auges. Für die Anwendung am Auge muss Avastin® aus der Originalflasche genommen und in Spritzen zur Injektion in das Auge aufgeteilt werden. Zu den therapeutischen Alternativen zählt das speziell für die Behandlung der Makuladegeneration zugelassene Medikament Lucentis®. Dieses wird von Novartis vermarktet und ist wesentlich teurer als Avastin®. Das für seine ophtalmologische Anwendung umgepackte Avastin® kostet den italienischen Gesundheitsdienst 82 Euro, Lucentis® 902 Euro je Dosis. Die italienische Arzneimittelagentur setzte das billigere Avastin® auf die Liste der vom Gesundheitsdienst während einer stationären Behandlung erstattungsfähigen Medikamente. Der Konkurrent, Novartis, wehrte sich dagegen. Das Arzneimittel vom Hersteller Roche sei nicht für die Augenkrankheit zugelassen. Es handelte sich hier um einen sogenannten Off-Label-Use.

Off-Label-Use-Entscheidung vor dem EuGH

Die obersten EU-Richter entschieden, dass das Arzneimittelrecht der Union weder die Off-Label-Verschreibung eines Arzneimittels noch seine Umverpackung im Hinblick auf die Off-Label-Anwendung verbiete. Allerdings müssten die Voraussetzungen des Arzneimittelrechts der Union eingehalten werden. Auch die Umverpackung in der Klinikapotheke führe nicht dazu, dass Avastin® eine neue Genehmigung benötige. Die Richter begründeten dies damit, dass für die Organisation und Verwaltung des Gesundheitswesens die jeweiligen Mitgliedstaaten zuständig seien.

Die Begründung des EuGH lässt darauf schließen, dass dies auch für den ambulanten Off-Label-Use gelten könnte. Die ambulante Behandlung war nicht Gegenstand der jetzt verhandelten Streitsache aus Italien. In Deutschland wird Avastin® bei älteren Patienten häufig auch von niedergelassenen Augenärzten eingesetzt.

Was ist Off-Label-Use?

Der Begriff des Off-Lable-Use ist in Deutschland vergleichsweise neu, die Thematik jedoch nicht. Dem Wortlaut nach handelt es sich um einen Gebrauch außerhalb der Etikettierung.

Ein zugelassenes Fertigarzneimittels wird außerhalb der von den nationalen oder europäischen Zulassungsbehörden genehmigten Anwendungsgebieten, den Indikationen, angewendet. Ein solcher zulassungsfremder Medikamenteneinsatz ist in den unterschiedlichsten Spielarten möglich. Abhängig von der therapeutischen Entscheidung des Arztes kann von der vorgeschriebenen Darreichungsform, der Dosierung, der eigentlichen Indikation oder dem altersmäßig vorgesehenen Patientenkreis eines Arzneimittels abgewichen werden. Natürlich kann ein Off-Lable-Use auch bei der therapiegebietsüberschreitenden Anwendung vorliegen.  Das ist der Fall, wenn ein Medikament aus der Onkologie, so Avastin® mit seinem Wirkstoff Bevacizumab, einem Medikament, das für Darmkrebs zugelassen ist, zur Bekämpfung eines Augenleidens benutzt werden.

Für weitere Informationen, insbesondere Aufklärungspflichten und Haftungsmaßstab, siehe den Artikel von Hermes unter: https://wehrmed.de/article/1702-off-label-use.html.  

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