Keine tarifbegünstigte Veräußerung ohne Aufgabe der Kanzlei

von Prof. Dr. Claus Koss, veröffentlicht am 05.01.2019

EUR 687.856 Veräußerungsgewinn wollte der Steuerberater nur mit dem ermäßigten Steuertarif nach § 18 Abs. 3 i.V.m. § 34 EStG versteuern – zu Unrecht, wie Finanzamt, diesem folgend die Rechtsprechung feststellte (abschließend: BFH, Urteil v. 21.08.2018 – VIII R 2/15).

Denn die Tarifbegünstigung setzt voraus, dass der Steuerpflichtige die wesentlichen vermögensmäßig Grundlagen entgeltlich und definitiv auf einen anderen überträgt. Hierzu, so der BFH in dem aktuellen Urteil, muss der Veräußerer seine freiberufliche Tätigkeit in dem bisherigen örtlichen Wirkungskreis wenigstens für eine gewisse Zeit einstellen (Anschluss an BFH-Urteile vom 10. Juni 1999 IV R 11/99, BFH/NV 1999, 1594; vom 29. Juni 1994 I R 105/93, BFH/NV 1995, 109; vom 18. Mai 1994 I R 109/93, BFHE 175, 249, BStBl II 1994, 925).

Im vorliegenden Fall hatte der Steuerberater neben dem mobilen Praxisinventar auch den gesamten Mandantenstamm an eine Steuerberatungsgesellschaft mit Sitz in einem benachbarten Stadtteil übertragen. In dem Kaufvertrag verpflichtete sich der Veräußerer, an der Mandatsüberleitung mitzuwirken und neue Mandate für die übernehmende Gesellschaft zu akquirieren. Außerdem schloss der Berufsträger mit der übernehmenden Gesellschaft eine freiberufliche Tätigkeit Vereinbarung für knapp zwei Jahre nach der Übernahme. Danach sollte der übertragende Berufsträger seinen bisherigen und neu akquirierten Mandanten im Namen und für Rechnung der übernehmenden Steuerberatungsgesellschaft beraten. Dafür erhielt er neben einem monatlichen Pauschalhonorar eine Umsatzbeteiligung an Neuakquisitionen.

In dieser Vereinbarung zu Überleitung sah der BFH eine schädliche Fortführung der eigenen Kanzlei und versagte ebenfalls die steuerliche Begünstigung gemäß § 18 Abs. 3 i.V.m. § 34 EStG.

Als entscheidungserheblich für die Tatsacheninstanz bei der Beurteilung der definitiven Übertragung des Mandantenstamms sieht der Bundesfinanzhof zum einen einen „gewissen Zeitablauf“ an. Denn es könne erst nach einiger Zeit beurteilt werden, ob sich der Berufsträger an seine Entscheidung der Aufgabe gehalten habe. Auch ließ der BFH die Begründung nicht zu, die Entscheidung, doch weiterhin als Steuerberater zu arbeiten, sei kurzfristig gefallen und aufgrund der Übernahme erforderlich gewesen.

Neben der Dauer der Einstellung der freiberuflichen Tätigkeit sind nach Auffassung des BFH (Urteil v. 21.08.2018 – VIII R 2/15) insbesondere die räumliche Entfernung einer wieder aufgenommenen Berufstätigkeit zur veräußerten Praxis, die Vergleichbarkeit der Betätigungen, die Art und Struktur der Mandate, eine zwischenzeitliche Tätigkeit des Veräußerers als Arbeitnehmer oder freier Mitarbeiter des Erwerbers sowie die Nutzungsdauer des erworbenen Praxiswerts zu berücksichtigen.

Da artverwandte Berufe, können die in dem Urteil festgeschriebenen Kriterien auf die Veräußerung von Kanzleien von Wirtschaftsprüfern, Rechtsanwälten oder Notaren übertragen werden. Freiberuflich tätigen Berufsträger wird daher anzuraten zu sein, nach der Übergabe der Kanzlei zunächst einmal Pause zu machen, wenn sie den tarifbegünstigten Steuersatz haben möchten. Wenn dann doch der Wunsch nach einer Fortführung der beruflichen Tätigkeit besteht, sollte das möglichst weit weg und in einem anderen Tätigkeitsgebiet sein.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen