Homeoffice für alle Arbeitnehmer?

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 07.01.2019
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht7|6257 Aufrufe

Homeoffice gewinnt in Zeiten der Digitalisierung zunehmend an Bedeutung. Zahlreiche Unternehmen haben bereits Regeln aufgestellt, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Arbeitnehmer von zu Hause aus ihre Arbeit erledigen können. Einen rechtlich begründeten Anspruch auf Homeoffice gibt es bislang indes grundsätzlich nicht. Nur in seltenen Ausnahmefällen lässt sich ein solches Recht aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers unter Berücksichtigung des grundgesetzlichen Schutzes von Ehe und Familie begründen. Das soll sich nach Ansicht der SPD möglichst bald ändern. Der Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium Björn Böhning (SPD) will ein gesetzlich verankertes Recht auf Heimarbeit für alle Arbeitnehmer schaffen. Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ ist geplant, dass Unternehmen künftig Heimarbeit erlauben müssen. Wollen sie das nicht, müssen sie begründen, warum das bei ihnen gerade nicht möglich ist. Das erinnert an die Begründungslast bei der Ablehnung eines Teilzeitanspruchs des Arbeitnehmers. Gestützt ist dieser Vorstoß auf den Koalitionsvertrag, in dem es heißt, man wolle das Zeitalter der Digitalisierung als Chance für mehr und bessere Arbeit nutzen und einen Rahmen schaffen, in dem Unternehmen, Beschäftigte und die Tarifpartner den vielfältigen Wünschen und Anforderungen in der Arbeitszeitgestaltung gerecht werden können. Ob die Forderung auf dieser vagen Bekräftigung gegenüber dem Koalitionspartner durchgesetzt werden kann, erscheint fraglich. Aus den Reihen der CDU ist bereits Widerstand angekündigt worden: Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Peter Weiß, sagte gegenüber der FAZ „Homeoffice ist gut, aber eine Pflicht zur Genehmigung von Home Office ist nicht angebracht.“ Auch der Hauptgeschäftsführer der BDA, Steffen Kampeter, warnte vor weiteren bürokratischen Hürden für Unternehmen. Die Gewerkschaften dürften sich hingegen in ihren Forderungen bestätigt sehen. Sie verweisen in diesem Zusammenhang gerne auf die Niederlande, in denen es bereits einen solchen Anspruch gibt.

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7 Kommentare

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Wie sieht es eigentlich steuerlich für ein "Homeoffice" (gleich, ob Arbeitnehmer oder Freiberufler etc.) aus, wenn kein abgetrenntes "Arbeitszimmer" zur Verfügung steht, sondern das "Homeoffice" z. B. ohne räumliche Trennung in einer 1-Zimmer-Wohnung auf einem Schreibtisch betrieben wird, womöglich sogar, ohne dass überhaupt noch ein anderer betrieblicher Arbeitsplatz zu Verfügung steht? Der BFH hat entschieden, er sehe es "anknüpfend an die Entscheidung des BVerfG von der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers als gedeckt an, den Abzug von Aufwendungen für Arbeitsbereiche in gemischt genutzten Räumen generell auszuschließen" (BFH, U. v. 22.3.2016 - VIII R 10/12, Rdnr. 29). Danach könnte in einer gemischt genutzten 1-Zimmer-Wohnung ein "Homeoffice" überhaupt nicht abgesetzt werden. Ich halte das für grundfalsch und denke, dass wohl noch einmal das Bundesverfassungsgericht bemüht werden muss, weil die Finanzleute seine Entscheidungen offenbar nicht logisch zu Ende denken können...

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Ich teile die Rechtsauffassung des BFH: Aufwendungen für gemischt genutzte Wirtschaftsgüter unterliegen grundsätzlich dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG. Denn ansonsten müsste ich die Aufwendungen für mein Sofa aufteilen, vielleicht mit einer Art Zeiterfassung für die Nutzung?

Gerade bei den auf das Berufsgeheimnis verpflichteten Freiberuflern sehe ich schon aus berufsrechtlichen Gründen die Pflicht zu einer räumlichen Trennung. Natürlich lässt sich ein Schriftsatz auch am Küchentisch bei der Beaufsichtigung der Hausaufgaben verfassen. Wer aber garantiert in solchen Fällen die Verschwiegenheitspflicht, ganz zu schweigen von der Aufmerksamkeit.

Da müsste man unter Berufung auf das Bundesverfassungsgericht aber durchaus ggf. anderer Meinung sein, vgl.:
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG in der seit Inkrafttreten des Steueränderungsgesetzes 2007 geltenden Fassung verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG, soweit Aufwendungen für ein ausschließlich betrieblich oder beruflich genutztes häusliches Arbeitszimmer auch dann von der steuerlichen Berücksichtigung ausgeschlossen sind, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. (34)
...
Zwar besteht in Bezug auf eine sachgerechte Begrenzung der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer ein erheblicher Gestaltungsraum des Gesetzgebers sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach, da eine effektive Kontrolle der tatsächlichen Nutzung häuslicher Arbeitszimmer wegen des engen Zusammenhangs zur Sphäre der privaten Lebensführung und des Schutzes durch Art. 13 GG wesentlich eingeschränkt oder gar unmöglich ist ( BVerfGE 101, 297 <311> ). Individuell gestaltete Besonderheiten dürfen hier mit der Festsetzung einer typisierenden Höchstgrenze unberücksichtigt bleiben (vgl. BVerfGE 101, 297 <311 f.> , im Anschluss an BVerfGE 96, 1 <7> ). (47)
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Die Neuregelung verfehlt jedoch das Gebot einer hinreichend realitätsgerechten Typisierung, soweit sie die Berücksichtigung von Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer auch dann ausschließt, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht... Der Mangel eines alternativen Arbeitsplatzes liefert die leicht nachprüfbare Tatsachenbasis für die Feststellung der tatsächlich betrieblichen oder beruflichen Nutzung. Gemessen an den Zielen des Gesetzes - Vereinfachung, Streitvermeidung und Gleichmäßigkeit der Besteuerung (BTDrucks 16/1545, S. 1, 8, 12) - verfehlt deshalb das Abzugsverbot für Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer für die Fallgruppe „kein anderes Arbeitszimmer" das Gebot hinreichend realitätsgerechter Typisierung. (48)
...
Soweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG bereits wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig ist, kann offen bleiben, ob der Ausschluss der Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer für den Fall, dass kein anderer Arbeitsplatz vorhanden ist, auch gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstößt... Im Übrigen wird das Grundrecht der Berufsfreiheit durch die Versagung des Abzugs von Kosten eines häuslichen Arbeitszimmers nicht verletzt, da eine in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG eingreifende (stRspr, z.B. BVerfGE 37, 1 <17>; 47, 1 <21>; 98, 83 <97>; 113, 128 <145>; 123, 132 <139>) berufsregelnde Tendenz der einkommensteuerrechtlichen Regelung nicht erkennbar ist.(51)
BVerfG, B. v. 6.7.2010 - 2 BvL 13/09

Außerdem gilt:
Der Große Senat hält nach erneuter Überprüfung an seiner früheren Argumentation nicht mehr fest. Ein aus § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG folgendes Aufteilungsverbot lässt sich nicht aus dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit ableiten. (111)
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Das Gebot der Steuergerechtigkeit (Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit) vermag also ein generelles Aufteilungs- und Abzugsverbot, das auch einen zweifelsfrei nachgewiesenen beruflichen Kostenanteil nicht zum Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten zulässt, nicht zu rechtfertigen; vielmehr gebietet das Leistungsfähigkeitsprinzip die Berücksichtigung des beruflichen Anteils durch Aufteilung, notfalls durch Schätzung. (114)
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Bestehen hingegen keine Zweifel daran, dass ein abgrenzbarer Teil der Aufwendungen beruflich veranlasst ist, bereitet seine Quantifizierung aber Schwierigkeiten, so ist dieser Anteil unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände zu schätzen (§ 162 der Abgabenordnung, § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). (118)
BFH , B. v. 21.9.2009 - GrS 1/06

Die von Ihnen genannten berufsrechtlichen Gründe haben für die steuerrechtliche Beurteilung außer Betracht zu bleiben.

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Na denn sehen wir mal dezentralisierten Fließbändern, Krankenhäusern, Friseursalons und Verkaufsgeschäften entgegen.

Es gibt schon eine Reihe von Berufen, deren Attraktivität scheinbar unaufhaltsam im Fallen begriffen ist, z.B. der Beruf des Fernfahrers. Einer der Hauptgründe, der dafür genannt wird, ist die"Einsamkeit" bei der Berufsausübung. Es fehlt den Fernfahrern an Gemeinschaft, an Beziehung mit realen, anwesenden Menschen, mit denen man die Arbeit "teilen" kann. "Homeoffice für alle Arbeitnehmer", das klingt auf den ersten Blick attraktiv, ein wenig nach individueller Freiheit der Arbeitsgestaltung. Mir hingegen scheint es eine weitere Falle des der so attraktiv erscheinenden  Schlagworte "Autonomität" und Individualität".

Wann wird der Mensch akzeptieren, dass er von seiner Natur her als auch - in meinem Glauben -,  in der Absicht seines Schöpfers als Gemeinschaftswesen geschaffen wurde? Wahrscheinlich erst dann, wenn die letzten Bastionen für gemeinschaftliches Schaffen, man kann es auch "Schöpfen" nennen, geschliffen wurden. Ob das noch aufzuhalten sein wird? 

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Ich vermute, dass die gesetzliche Initiative daher rührt, dass deutsche Unternehmer sich in dieser Frage einfach nicht bewegen.

Man kann nun nur hoffen, dass drohender gesetzlicher Druck dazu beiträgt, gute Lösungen auf betrieblicher Ebene zu finden und so einem starren gesetzlichen Korsett flexible und auf das jeweilige Unternehmen bezogene Lösungen entgegenzusetzen.

Homeoffice-Lösungen sind eine für alle Beteiligten gute Lösung: Der Pendlerverkehr geht zurück, davon profitiert die Umwelt. Der Unternehmer kann wesentlich flexibler auf Raumnöte reagieren, wenn nur diejenigen vor Ort sind, die das auch unbedingt sein müssen. Und der Arbeitnehmer kann dann arbeiten, wenn er es optimal einrichten kann, was schlussendlich dazu führt, dass er unabgelenkt sein maximales Potenzial abrufen kann. Dass davon wieder der Untermehmer profitiert, liegt auf der Hand.

Das Vereinsamungsargument wird immer wieder in die Debatte gebracht. Bedenkt man aber, dass nach Studien in Großraumbüros die überwiegende interne Kommunikation per E-Mail stattfindet, kann das so schlimm ja nicht sein. Zudem heißt Homeoffice ja auch nicht, dass man in den eigenen vier Wänden arbeiten muss: Ein Internet-Café wäre ja durchaus eine Alternative! Ich selbst denke, dass man auch in an seinem Unternehmens-Arbeitsplatz durchaus vereinsamen kann.

Natürlich gibt es betriebliche Prozesse, die Homeoffice entgegenstehen. Und natürlich gibt es Funktionen, die nirgendwo anders als im Betrieb stattfinden können. Aber möglicherweise führt Homeoffice auch dazu, solche Prozesse einmal in Frage zu stellen: Denn es ermöglicht zB Arbeitnehmern etwas Konkretes zu schaffen, anstatt sich in stundenlangen Konferenzen zu verschleißen.

Dank an Herrn Prof. Stoffels, dass er diese wichtige Diskussion hier angeschoben hat!

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Nun - angesichts der Probleme mit gewissen Flugzeugen wäre konsequentes homeoffice für gewisse Personenkreise rund um Steinmeier, Merkel und Solche*Innen doch in jeder Hinsicht wünschenswert. 

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