Das Ende guter Rechtsberatung in Wohnraummietsachen?

von Dr. Michael Selk, veröffentlicht am 26.01.2019
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtMiet- und WEG-Recht3|10789 Aufrufe

An anderer Stelle habe ich in dieser Woche zum Thema Qualität der Rechtsberatung eine düstere Perspektive abgeliefert und zwar im Editorial der NJW, Heft 5. Hier für die online Leser nochmals der Text:

https://rsw.beck.de/rsw/upload/NJW/Editorial_5-2019.pdf 

Nach meiner Ansicht wird sich das Wohnraummietrecht zu einer teuren Materie für Spezialisten entwickeln, die für den "Normalbürger" (wer immer das ist) bald nicht mehr zu bezahlen sein wird. Immer mehr Fachanwälte im Miet- und Wohnungseigentumsrecht vor allem in Großstädten und Ballungszentren spezialisieren sich auf das gewerbliche Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht bei immer höher werdenden Stundensätzen. Dabei bleiben die Interessen des "Normalbürgers" auf der Strecke, der sich ggf. bald anwaltlich nur noch an einen "Generalistenkollegen" wenden kann.

Bei twitter hat sich dazu eine lebhafte Diskussion entwickelt. So wird unter anderem entgegengehalten, dass Mieter sich sehr wohl gut bei Mietervereinen beraten lassen können, wo sie gute und effiziente Rechtsberatung erhielten. Auch seien die legal tech - Instrumente eine gute Möglichkeit, Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Im Hinblick auf die Mietervereine ist mein Eindruck unterschiedlich. Insbesondere in wohnraumknappen Ballungszentren bzw. Großstädten machen diese in der Regel gute Arbeit, sind allerdings auch massiv überlastet. Oft fehlt leider auch die Prozesserfahrung des beratenden Personals. Der Verweis auf die dortige Gruppenrechtsschutzversicherung hilft oft nicht weiter, da diese viele Ansprüche der Mieter nur äußerst restriktiv deckt (z.B. werden Deckungsanfragen für Kostenvorschussansprüche regelmäßig abgelehnt). Auch sind viele Instrumente des legal tech mittlerweile stark verbessert und helfen gewiss insbesondere bei Fragen der Mieterhöhung bzw. Mietpreisbremse weiter. Hochkomplizierte Eigenbedarfskündigungen jedoch mit schwierigen Prognosen für die Beweisaufnahme oder Mängelprozesse etwa wegen Schimmelpilzbildung sind Verfahren, in denen m.E. ein Computer bei seiner Eintschätzung im Regelfall versagt.

Klar ist auch, dass andere Rechtsbereiche von der sich verdichtenden Zweiklassengesellschaft ebenso betroffen sind: man denke nur an die Praxis der Bestellung "weicher" Pflichtverteidiger im Strafprozess oder an die klassischen Verbraucherfälle (Handyverträge usw), auch dort ist aufgrund des geringen Streitwertes das Interesse an einer Mandatsübernahme oft sehr gering. Besondere Beachtung verdient das Wohnraummietrecht indes dennoch: der Verlust einer Wohnung bedeutet für den Mieter den Eingriff in ein Grundrecht, Art. 14 I 1 GG (auch der Besitz fällt bekanntlich unter den Schutzbereich des Eigentumsgrundrecht), mit in der Regel ganz gravierenden Folgen.

 

 

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3 Kommentare

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Kleine Ergänzung: Ein Verlust der Wohnung durch staatliches Handeln kann ein Eingriff in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG sein. Die Kündigung eines privatrechtlichen Mietvertrages ist das nicht, da der private Vermieter nicht an Grundrechte gebunden ist.

 

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Das ist nicht ganz richtig: ein Räumungsurteil (gestützt auf eine Eigenbedarfskündigung) stellt einen Grundrechtseingriff auch durch staatliches Handeln (Judikative) dar, erst recht die Umsetzung durch den Gerichtsvollzieher. Im Übrigen erkennt das BVerfG an, dass der mietrechtliche "Besitz" an der Wohnung in den Schutzbereich des Art. 14 I 1 GG fällt.

Habe ich etwas anderes behauptet?

Ihr Beitrag sprach nur leider nicht von einem Urteil - geschweige denn einer Räumung durch den Gerichtsvollzieher -, sondern von einem nicht näher eingeschränkten "Verlust einer Wohnung" als Grundrechtseingriff. Man mag das als Pedenaterie kritisieren - was ich dann gerne und mit Respekt einstecke -, aber nicht jeder Verlust der Wohnung ist ein Grundrechtseingriff. Von privater Kündigung bis Hausbrand gibt es allerlei Alternativen.

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