OLG Stuttgart: Zur Abwehr eines öffentlichen Übernahmeangebots durch Erwerb und Veräußerung eigener Aktien

von Dr. Cornelius Wilk, veröffentlicht am 28.01.2019

Das OLG Stuttgart hat mit Beschluss vom 25. Oktober 2018 (20 W 6/18) u. a. zur Frage Stellung genommen, inwieweit eine Zielgesellschaft Transaktionen mit eigenen Aktien als Abwehrmaßnahme gegen einen unerwünschten Bieter einsetzen kann.

Börsennotierte Familiengesellschaft mit üblicher Aktienrückkaufermächtigung

Die Zielgesellschaft befand sich zu ca. 51 % in Familienhand und verfügte über eine übliche Ermächtigung zum Erwerb und zur Veräußerung eigener Aktien bis 10 % des Grundkapitals (§ 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG). Nach Meldung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots stieg der Aktienpreis von EUR 32 auf EUR 45. Die Familienaktionäre erklärten, ihre Aktien nicht zu veräußern, und der Vorstand beschloss, den Bestand an eigenen Aktien von zuvor 8 % auf 10 % des Grundkapitals aufzustocken. Erklärtes Ziel war es, das 10 %-Paket an einen langfristigen Investor zu veräußern, um das Entstehen zweier ähnlich starker Großaktionäre zu vermeiden. Der Aufsichtsrat stimmte dem Rückerwerb zu, auch soweit dies mit dem Ziel geschehe, den Erfolg des Angebots zu verhindern. Das Übernahmeangebot, dessen Nichtannahme Vorstand und Aufsichtsrat empfahlen, sah eine Gegenleistung von EUR 50 vor. Es scheiterte letztlich an der nicht erfüllten Mindestannahmequote von 50 % plus einer Aktie.

Außerbörslicher Paketverkauf sämtlicher eigener Aktien an externen Investor

Nach Scheitern des Angebots veräußerte die Gesellschaft sämtliche eigenen Aktien für rund EUR 38 pro Aktie (und damit 4,95 % unter dem nach der Ermächtigung maßgeblichen Referenzbörsenkurs) an eine Stiftung. Der Aktienkurs sank später nachhaltig unter EUR 35.

Minderheitsaktionäre äußerten in der Folge den Verdacht, dass Vorstand und Aufsichtsrat u. a. bei Erwerb und Veräußerung der eigenen Aktien ihre Pflichten verletzt hatten. Sie beantragten eine gerichtliche Sonderprüferbestellung gemäß § 142 Abs. 2 AktG.

In seiner Entscheidung verneint das Gericht einen Verdacht auf Pflichtverletzungen.

Kein Verstoß gegen Verhinderungsverbot durch Erwerb eigener Aktien

Der Erwerb eigener Aktien unterfalle zwar grundsätzlich dem übernahmerechtlichen Verhinderungsverbot aus § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG. Danach darf der Vorstand einer Zielgesellschaft nach Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots keine Handlungen vornehmen, durch die der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte.

Ein Verstoß sei hier aber gemäß § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG ausgeschlossen, da der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft der Maßnahme zugestimmt habe. Bei dieser Zustimmung, so der Senat, handele es sich um eine unternehmerische Ermessensentscheidung, die in Bezug auf das Gesellschaftsinteresse geeignet und erforderlich sein müsse. Die in der Literatur umstrittene Frage, ob dem Aufsichtsrat dabei ein weites Ermessen nach den Grundsätzen der Business Judgment Rule zustehe oder ob (wegen eines Interessenkonflikts des Aufsichtsrats) ein qualifiziertes Unternehmensinteresse erforderlich sei, könne dahinstehen. Denn mit dem Ziel, das aufgestockte Gesamtpaket an einen langfristig interessierten Ankerinvestor zu veräußern und so (i) Belastungen der Gesellschaft aus einer erneuten Übernahmeabwehr und (ii) das Entstehen zweier rivalisierender Großaktionäre mit entsprechenden Nachteilen für die Vermögens- und Ertragslage zu vermeiden, sei ein qualifiziertes Abwehrinteresse einleuchtend dargelegt. Ein 10 %-Paket sei zudem deutlich besser veräußerbar als ein 8 %-Paket. Denn erst ab 10 % plus einer Aktie bestehe zuverlässiger Schutz vor einem verschmelzungsrechtlichen Squeeze-Out (§ 62 Abs. 5 S. 1 UmwG).

Aktienveräußerung an Dritten verletzt nicht Bezugsrecht der Aktionäre

Auch die Wiederveräußerung der eigenen Aktien begründe keinen hinreichenden Verdacht einer Pflichtverletzung. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen zum gesetzlichen Bezugsrecht aus § 186 Abs. 3, 4 AktG.

Bezugsrechtsvorschriften auch bei Veräußerung an externen Dritten anwendbar

§ 186 Abs. 3, 4 AktG seien vorliegend anwendbar. Durch den gleichmäßigen Ausschluss aller Altaktionäre von der Veräußerung sei zwar der Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 53a, § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3 AktG gewahrt. Auch in diesem Fall, so der Senat im Anschluss an die überwiegende Literaturansicht, greife jedoch der Verweis aus § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5 AktG auf die Regeln zum Bezugsrecht bei Kapitalerhöhungen (§ 186 Abs. 3, 4 AktG).

Der Ausschluss des Bezugsrechts sei hier nach § 186 Abs. 3 S. 4, § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5 AktG (vereinfachter Bezugsrechtsausschluss) gerechtfertigt. Danach ist ein Ausschluss zulässig, wenn die gegen Barleistung ausgegebenen Aktien nicht mehr als 10 % des Grundkapitals umfassen und der Ausgabebetrag den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreitet. Die Wesentlichkeit eines Unterschreitens bemesse sich nach den i. R. d. § 186 Abs. 3 S. 4 AktG anerkannten Grundsätzen. Danach sei „von 3 % als Regelabschlag und von 5 % als Höchstabschlag auszugehen.“ Der gewählte Abschlag von 4,95 % wahre diese Grenze.

Eigene Aktien müssen nicht zwingend zum Maximalpreis veräußert werden

Keine Anhaltspunkte für Pflichtverletzungen seien schließlich in Bezug auf die Höhe des erzielten Veräußerungspreises begründet. Grundsätzlich sei der Vorstand zwar auch bei der Veräußerung eigener Aktien verpflichtet, den bestmöglichen Veräußerungserlös zu erzielen. Ferner sei die Wertung des § 255 Abs. 2 AktG zu berücksichtigen, wonach die Aktien nicht zu einer unangemessen niedrigen Gegenleistung veräußert werden dürften. Vorliegend sei es aus unternehmerischer Sicht aber nicht zwingend geboten gewesen, an den Höchstbietenden zu veräußern. Denn dies wäre nicht mit der Strategie der Gewinnung eines langfristigen Ankerinvestors vereinbar gewesen. Auch der Umstand, dass Vorstand und Aufsichtsrat im Übernahmeverfahren einen Aktienpreis von EUR 50 als unangemessen bezeichnet und das 10 %-Paket dann für rund EUR 38 pro Aktie veräußert hätten, rechtfertige nicht die Annahme eines unangemessenen Veräußerungspreises.

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