Patienten-Recall bei fehlendem OP-Besteck

von Dr. Michaela Hermes, LL.M., veröffentlicht am 01.02.2019
Rechtsgebiete: Weitere ThemenMedizinrecht|4142 Aufrufe

Aussitzen ist für Ärzte die falsche Taktik, wenn möglicherweise Teile eines Operationsinstruments nach der OP im Körper eines Patienten verblieben sind. Alle Patienten eines Operationstages sind sofort zur Nachuntersuchung einzubestellen, sollte der Verdacht besteht, dass etwas fehlt. Ansonsten kann es für den Arzt teuer werden. Dies teilte das OLG Oldenburg in seinem gerade veröffentlichten Urteil vom 24.10.2018 - 5 U 102/18 mit.

Der Fall

Ein 46-jähriger Patient (Kläger) hatte sich bei einem Arzt ambulant einer Kniegelenksoperation unterzogen. Am Abend des Behandlungstages fehlte die Metallspitze des Operationsinstrumentes. Die Suche blieb erfolglos. Der Arzt machte sich eine Notiz für den Fall, dass sich die Spitze intraoperativ gelöst habe und im Körper eines Patienten verblieben sein könnte. Er nahm aber keinen Kontakt zu den an diesem Tag operierten Patienten auf. Auch bei dem Kläger, der sich am nächsten Tag zum Verbandswechsel und ein paar Tage später zum Fädenziehen vorstellte, veranlasste er nichts.

Etwa einen Monat nach der Operation meldete sich der Kläger wegen extremer Schmerzen erneut bei dem Arzt. Eine Röntgenuntersuchung ergab, dass bei der OP die Metallspitze des Operationsinstrumentes tatsächlich im Knie verblieben war. Sie musste durch eine weitere Operation entfernt werden.

Das Urteil

Das OLG Oldenburg erhöhte das dem Kläger bereits vom LG Osnabrück, Urteil vom 11. Mai 2018, 2 O 788/17, zugesprochene Schmerzensgeld auf 20.000 Euro. Bereits das LG Osnabrück hatte hier einen groben Behandlungsfehler bejaht. Dem Arzt wurde vorgeworfen, dass er, obwohl er das Fehlen der Metallspitze bemerkt habe, keine weiteren Schritte zur Untersuchung aller am Tage operierten Patienten unternommen habe. Dies habe zu massiven tiefen Verletzungen des Knorpels im Knie geführt.

Bei der Höhe des Schmerzensgeldes sei nach Auffassung der Oberlandesrichter u.a. zu berücksichtigen, dass der ehemals sportlich aktive Mann einen dauerhaften Knorpelschaden erlitten hatte. Er habe erhebliche Schmerzen bei längerem Gehen und Stehen.

Vor allem sei aber auch das ganz erhebliche Verschulden des Arztes zu berücksichtigen. Dieser habe am Abend der Operation das Fehlen der Metallspitze bemerkt. Ihm sei bewusst gewesen, dass die Spitze geeignet gewesen sei, Schäden am Knie zu verursachen, argumentierten die Richter. Damit habe er sich aber abgefunden. Weder beim Verbandswechsel noch beim Fädenziehen habe er es für nötig befunden, abzuklären, ob die Metallspitze im Knie des 46-Jährigen verblieben war.

Dieses Verhalten, so heißt es im Urteil wörtlich, begründe „einen so erheblichen Vorwurf gröbster Fahrlässigkeit, dass zur Genugtuung des Klägers gleichwohl eine deutliche Erhöhung des Schmerzensgeldes erforderlich ist.“

Die Pressemitteilung des OLG Oldenburg vom 28.01.2019 finden Sie hier.

Praxishinweise

Trotz Zählprotokollen und dem Vieraugenprinzip bleiben manchmal Fremdkörper unbeabsichtigt im Körper des Patienten zurück. Unlängst hatte das OLG Stuttgart, Urteil vom 20.12.2018 – 1 U 145/17 einem Patienten 10.000 Euro für eine im Körper verbliebene Nadel zugesprochen. Laut Ärzteblatt 8/2012 ist statistisch pro Jahr bei 14,36 Millionen stationären und 1,3 Millionen ambulanten operativen Eingriffen in Deutschland (2009) von etwa 3 300 Fällen eines zurückgelassenen Fremdkörpers auszugehen. Wenn etwas schief läuft, trifft es den Patienten hart. Aber auch für den Operateur ist ein solcher Fehler ein Alptraum. Eine genaue Dokumentation und größtmögliches Fehlerbewusstsein könnten die Statistik weiter senken.

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