Urteilsdurcheinander

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 02.03.2019
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|4306 Aufrufe

2 GeschwindigkeitsOWis hatte der Betroffene wohl begangen - und die auch tatmehrheitlich (das AG hatte nur wegen Tateinheit verurteilt). Der Betroffene hatte Glück - das AG setzte nämlich die Urteilgründe etwas durcheinander ab:

 

Das Urteil des Amtsgerichts Jena vom 10.07.2018 wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht Jena zurückverwiesen.

Gründe: 

I.

Mit Bußgeldbescheid vom 25.07.2017 wurde gegen den Betroffenen wegen tateinheitlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 35 km/h und 13 km/h eine Geldbuße in Höhe von 130 € festgesetzt und ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat angeordnet.

Auf den dagegen eingelegten Einspruch vom 04.08.2017 hin wurde der Betroffene mit dem im Tenor genannten Urteil wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in Tateinheit mit fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße in Höhe von 300 € verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner am 11.07.2018 im Justizzentrum Jena eingegangenen Rechtsbeschwerde vom 11.07.2018. Diese wurde nach Zustellung des Urteils an den Verteidiger am 30.08.2018 mit anwaltlichem Schriftsatz vom 25.09.2018, eingegangen im Justizzentrum Jena am selben Tag, begründet. Der Betroffene rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts und führt diese Rügen aus.

Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft beantragt in ihrer Stellungnahme vom 11.12.2018, das Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Jena zurück zu verweisen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Absatz ein Satz 1 Nr. 2 OWiG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und entsprechend begründet worden.

In der Sache hat die Rechtsbeschwerde - vorläufig - Erfolg. Die erhobene Sachrüge führt wegen widersprüchlicher Urteilsgründe zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Dem vorgenannten Urteil liegen unter II. - auszugsweise - folgende Feststellungen zu Grunde:

„Am 29.03.2017 um 12:22 Uhr überschritt der Betroffene auf der BAB4 bei Jagdberg, Fahrtrichtung Dresden, km 174,739 2. Überholspur die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 13 km/h. [...] Um 12:24 Uhr befuhr der Betroffene die BAB 4 bei Jena, Fahrtrichtung Dresden, km 170,760 auf der 2. Überholspur mit dem genannten Pkw und überschritt hierbei die zulässige Höchstgeschwindigkeit und um 35 km/h. [...]“

Unter III. wird im Rahmen der Beweiswürdigung - auszugsweise - folgendes ausgeführt:

„Aufgrund des verlesenen Standortprotokolls zur Messstelle bei km 174,739, 2. Überholspur (Bl. 8 ff. d.A.) steht zur Überzeugung des Gerichts fest [...], dass durch das Messgerät seinerzeit eine Geschwindigkeit von 119 km/h dokumentiert wurde. Unter Anwendung der im Eichschein dokumentierten Messfehlergrenze ist daher der Betroffene an der Messstelle 115 km/h zu Überzeugung des Gerichts gefahren, d.h. 35 km/h über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.

Aufgrund des verlesenen Standortprotokolls zu km 170,760 2. Überholspur (Bl. 4 ff. d.A.) steht zu Überzeugung des Gerichts fest [...], dass der Betroffene an der Messstelle eine Geschwindigkeit von 93 km/h eingehalten hat. [...] Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass der Betroffene insoweit die zulässige Höchstgeschwindigkeit an der Messstelle erkannt hat und zum anderen bewusst ignoriert hat, dass er 35 km/h über diese Geschwindigkeit fährt. [...].“

Diese Feststellungen zu den gefahrenen Geschwindigkeiten an den beiden Messstellen sind widersprüchlich. Auch wenn es sich insoweit offenbar um eine Verwechslung handelt, ist dem Urteil nicht zu entnehmen, welche Geschwindigkeit an welcher Messstelle tatsächlich festgestellt worden ist.

Schon wegen dieser widersprüchlichen Feststellungen kann das Urteil keinen Bestand haben.

Darüber hinaus tragen die Urteilsgründe den Schuldspruch nicht. Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen tateinheitlicher Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt, geht indessen von unterschiedlichen Schuldformen aus. Zwar können vorsätzliche mit fahrlässigen Taten rechtlich zusammentreffen (Fischer, StGB, 66. Aufl. 2019, vor § 52, Rn. 26 a m.w.N.). Nach wohl herrschender Auffassung stehen mehrere, im Verlauf einer Fahrt begangene Geschwindigkeitsüberschreitungen aber regelmäßig im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander; nur dann, wenn bei natürlicher Betrachtung wegen des unmittelbaren zeitlich-räumlichen und des inneren Zusammenhangs der einzelnen Verstöße ein einheitliches zusammengehöriges Tun angenommen werden muss, kommt eine Wertung als natürliche Handlungseinheit in Betracht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.02.2001 - 2a Ss (OWi) 284/00 - (OWi) 4/01 II; beck-online). Ein solcher Ausnahmefall lässt sich den Urteilsgründen nicht zureichend entnehmen.

Wegen der dargelegten Mängel ist das angefochtene Urteil nach §§ 353 StPO, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG aufzuheben und die Sache nach § 79 Abs. 6 OWiG zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Jena zurück zu verweisen.

OLG Jena Beschl. v. 17.1.2019 – 1 OLG 151 SsBs 182/18 (2), BeckRS 2019, 720

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