Krankschreibung per WhatsApp?

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 06.03.2019
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht3|5180 Aufrufe

Mehrere Medien – u.a. der Deutschlandfunk (Beitrag vom 18.1.2019) – haben darüber berichtet: die Krankschreibung aufgrund einer telemedizinischen Diagnose. War es bislang so, dass man für eine Krankschreibung einen Arzt aufsuchen und sich dort persönlich vorstellen musste, könnte sich das künftig ändern. Ein neues Geschäftsmodell der Hamburger Firma AU-Schein soll dies möglich machen. „AU-Schein.de“ funktioniert so, dass der User auf der ersten Seite zunächst seine Erkältungssymptome angibt und einige Fragen beantwortet. Dann, auf der nächsten Seite muss er bestätigen, dass er zu keiner Risikogruppe gehört. Dann gibt er noch seine persönlichen Daten ein, zahlt neun Euro per ‚Paypal‘ und sendet dann seine Information per ‚WhatsApp‘ an den Arzt. Der Arzt diagnostiziert dann in der Regel eine Erkältung, stellt die Krankschreibung aus und sendet sie ihm dann per ‚Whatsapp‘ und dann noch im Original per Post.“

Hintergrund dieser neuen Aktivitäten ist offenbar eine Änderung der Musterberufsordnung für Ärzte durch die das Fernbehandlungsverbot gelockert worden ist. U.a. in Schleswig-Holstein sind seitdem Fernbehandlungen und telemedizinische Untersuchungen möglich. Es ist also nicht mehr notwendig, dass die Diagnose durch einen Arzt aufgrund einer persönlichen Untersuchung erstellt wird.

Dass gegenüber dieser Praxis erhebliche Bedenken bestehen, liegt auf der Hand. Entfällt der persönliche Kontakt zum Arzt, könnte die Hemmschwelle für Arbeitnehmer sinken, falsche oder übertriebene Angaben über ihren Gesundheitszustand zu machen. Arbeitsrechtlich wäre vor allem zu klären, ob einer auf der Grundlage einer telemedizinischen Untersuchung erstellten AU-Bescheinigung der gleiche Beweiswert zukommt wie einer herkömmlich ausgestellten. Hierfür ist nicht das ärztliche Berufsrecht maßgebend, sondern das Entgeltfortzahlungsrecht und die hierzu ergangene Rechtsprechung des BAG.

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3 Kommentare

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§ 7 (4) BO der Ärztekammer Schleswig-Holstein vom 22.01.2019

Ärzte beraten und behandeln Patientinnen und Patienten im persönlichen Kontakt. Sie dürfen dabei
Kommunikationsmedien unterstützend einsetzen. Vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelungen ist eine
Beratung oder Behandlung ausschließlich über Kommunikationsmedien erlaubt, wenn diese ärztlich vertretbar
und ein persönlicher Kontakt mit der Patientin oder dem Patienten nicht erforderlich ist.

Eine Beratung und erst recht eine Behandlung setzen eine bidirektionale Kommunikation zwischen Arzt und Patient voraus. Der Arzt mag z.B. mit dem Patienten telefonieren oder chatten, aber der Kontakt über das Kommunikationsmittel muß unmittelbar sein. Ärztlich vertretbar dürfte eine telemedizinische Beratung zudem auch nur dann sein, wenn unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ein unmittelbarer Patientenkontakt erforderlich ist.

Hier soll eine sinnvolle Ausnahmeregel, die das Problem des Ärztemangels im ländlichen Raum vielleicht ETWAS lindern kann, mißbraucht werden.

Hoffentlich machen jedenfalls die Arbeitsgerichte dem einen Strich durch die Rechnung, denn wenn die Hemmschwelle des Besuchs einer Arztpraxis wegfällt, wird die Zahl unberechtigter Krankschreibungen steigen. Und schon heute hat ein Arbeitgeber faktisch keine Chance, sich dagegen zur Wehr zu setzen. § 275 Abs. 1a SGB V ist ein stumpfes Schwert, weil das Verfahren viel zu schwerfällig und langsam ist.

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Bei Nachrichten über statistisch merkwürdig plötzliche Massenerkrankungen - seltamerweise im Zusammenhang mit Gewerkschaftsverhandlungen - frage ich mich, welche Aufschlüsse rabiate Beschlagnahmen über Kommuniationsdaten von Gewerkschaftlern  und Aktivisten hätten. Auch der Begriff der "Arbeitsunfähigkeit" ist einer Würdigung wert. 

Ggf. hilft hier gegen entsprechende Auswüchse auch die Regelung des § 4 I 2 der "AU-Richtlinie" (Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 SGB V) mit zu verargumentieren:

§ 4 Verfahren zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit
(1) 1Bei der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sind körperlicher, geistiger und seelischer Gesundheitszustand der oder des Versicherten gleichermaßen zu berücksichtigen. 2Deshalb dürfen die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit und die Empfehlung zur stufenweisen Wiedereingliederung nur auf Grund ärztlicher Untersuchungen erfolgen.

 

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