Bleibt so auch in Brandenburg: "2 Jahre = Fahrverbotsfeindliche Verfahrensdauer!"

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 16.03.2019
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|2695 Aufrufe

Mal wieder die Fahrverbotsfeinliche Verfahrensdauer. Das Verfahren lief hier (zwischen Tat und letzter tatrichterlicher Entscheidung) länger als 2 Jahre. Das ist nichts großartig Neues. Interessant aber der weitere Schlenker des OLG, in dem festgestellt wird, dass eine zwischenzeitliche OWi-Verurteilung mit Fahrverbot dazu führt, dass die 2 Jahre-Frist nicht mehr gilt:

 

b) Dem Betroffenen ist darin beizupflichten, dass das Fahrverbot nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG nach der gesetzgeberischen Intention in erster Linie eine Erziehungsfunktion hat. Es ist als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme gedacht und ausgeformt (BVerfGE 27, 36, 42). Das Fahrverbot kann deshalb seinen Sinn verloren haben, wenn zwischen dem Verkehrsverstoß und dem Wirksamwerden seiner Anordnung ein erheblicher Zeitraum liegt (vgl. KG StraFo 2007, 518 m.w.N.). Wann bei langer Verfahrensdauer der Zeitablauf entweder allein oder zusammen mit anderen Umständen ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen kann, ist eine Frage des Einzelfalles, die dem Tatrichter einen gewissen Beurteilungsspielraum eröffnet.

Nach mittlerweile gefestigter obergerichtlichen Rechtsprechung ist der Sinn des Fahrverbots in Frage zu stellen, wenn die zu ahnende Tat mehr als zwei Jahre zurückliegt (vgl. OLG Bamberg DAR 2008, 651 m.w.N.). Dieser Zeitrahmen führt jedoch nicht automatisch zu einem Absehen von einem Fahrverbot, sondern ist lediglich ein Anhaltspunkt dafür, dass eine tatrichterliche Prüfung, ob das Fahrverbot seinen erzieherischen Zweck im Hinblick auf den Zeitablauf noch erfüllen kann, geboten ist.

Bei einem Zeitablauf von über zwei Jahren zwischen Tat und Urteil bedarf es nach Auffassung des Senats aber besonderer Umstände für die Annahme, dass ein Fahrverbot noch unbedingt notwendig ist (st. Senatsrechtsprechung, statt vieler, Beschluss vom 2. März 2016, (1 B) 53 SDs 44/16 (30/16); siehe auch: OLG Düsseldorf MDR 2000, 829; zum Ganzen: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., StVG, § 25, Rd. 24 m.w.N.).

Bei der Abwägung der Umstände des konkreten Einzelfalls ist zu berücksichtigen, worauf die lange Verfahrensdauer zurückzuführen ist, insbesondere ob hierfür maßgebliche Umstände im Einflussbereich des Betroffenen liegen oder Folge gerichtlicher oder behördlicher Abläufe sind (BayObLG NZV 2004, 210). Dabei kann die Ausschöpfung von Rechtsmitteln und der Gebrauch der in der StPO und dem OWiG eingeräumten Rechte dem Betroffenen nicht als eine von ihm zu vertretende Verfahrensverzögerung entgegen gehalten werden (vgl. OLG Hamm NStZ-RR 2006, 25). Anderes gilt dann, wenn die lange Dauer des Verfahrens (auch) auf Gründe beruht, die in der Spähe des Betroffenen liegen (vgl. dazu KG VRS 102, 127; OLG Köln NZV 2000, 430; OLG Rostock DAR 2001, 421; OLG Celle VRS 108, 118; OLG Karlsruhe DAR 2005, 168).

Im vorliegenden Fall lag jedoch im maßgelblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 9. Mai 2018 sowohl die Ordnungswidrigkeit (Tattag: … 2016) als auch der Bußgeldbescheid deutlich weniger als zwei Jahre zurück, wobei zudem zu berücksichtigen ist, das der zuvor auf den 24. Januar 2018 anberaumte Hauptverhandlungstermin aus Wunsch des Verteidigers des Betroffenen verlegt worden ist, obwohl es sich hier nicht um einen Fall der notwendigen Verteidigung handelt (vgl. Beschluss des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 13. April 2018).

Auch bei einer Verfahrensdauer von mehr als 2 Jahren - die im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung noch nicht gegeben war - kann die Anordnung eines Fahrverbots dann noch in Betracht kommen, wenn sich der Betroffene in der Zwischenzeit weitere Ordnungswidrigkeiten hat zuschulden kommen lassen (vgl. BayObLG NStZ-RR 2004, 57). Dies ist vorliegend gegeben, denn gerade etwas mehr als einen Monat nach der am 8. September 2016 erfolgten Zustellung des Bußgeldbescheides vom 5. September 2016, nämlich am …Oktober 2016, hat sich der Betroffene erneut eines Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit schuldig gemacht, weshalb ihn das Amtsgericht Brandenburg am 13. Dezember 2017, rechtskräftig seit dem 27. Dezember 2018 (23a OWi 236/17), zu einem Bußgeld von 150,00 € und einem Fahrverbot von einem Monat verurteilt hatte.

Des Vorstehenden ungeachtet hat sich das Tatgericht zudem rechtsfehlerfrei mit der Problematik des langen Zeitablaufs zwischen Tat und Urteil auseinandergesetzt (Bl. 8 f. UA).

OLG Brandenburg Beschl. v. 26.2.2019 – (1 B) 53 Ss-OWi 608/18 (320/18), BeckRS 2019, 2717

 

Das Problem kann man auch schön in meinem "Fahrverbot in Bußgeldsachen" und zwar dort in § 5 nachlesen.... 

 

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen