NRW-Initiative für flexiblere Arbeitszeiten scheitert im Bundesrat

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 20.03.2019
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht2|3161 Aufrufe

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalens macht sich für eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten stark. Mit einer Bundesratsinitiative wollte sie die Bundesregierung auffordern, das Arbeitszeitgesetz an die EU-Arbeitszeitrichtlinie anzupassen und damit auf die zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt zu reagieren. Allerdings hat der entsprechende Entschließungsantrag bei der Abstimmung am 15.3.2019 im Plenum des Bundesrates nicht die erforderliche absolute Mehrheit bekommen. Die im Entschließungsantrag genannten Punkte sind allerdings gleichwohl aufschlussreich, zeigen sie doch, in welche Richtung der jedenfalls bei der Union und der FDP gedacht wird. Daher sei der (abgelehnte) Entschließungsantrag nachfolgend im Wortlaut wiedergegeben (BR-Drucks. 24/19):

 

„Entschließung des Bundesrates „Arbeitszeiten an die Herausforderungen der digitalisierten Arbeitswelt anpassen“

Der Bundesrat möge folgende Entschließung fassen:

1. Die voranschreitende Digitalisierung verändert die Arbeitswelt, sie eröffnet eine Vielzahl von Chancen, zu deren Nutzung eine weitere Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes notwendig ist. Zeitflexibles und ortsunabhängiges Arbeiten erfordert eine Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen für eine flexible Arbeitszeitgestaltung, um den Bedürfnissen der Unternehmen und der Beschäftigten in einer modernen Arbeitswelt gerecht zu werden.

2. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass der Erhalt der Arbeitskraft gerade in Zeiten des demografischen Wandels auch im Hinblick auf die Fachkräfte-sicherung ein wichtiges Ziel ist. Um langfristig wirtschaftlich erfolgreich zu sein, sind auch die Unternehmen darauf angewiesen, dass ihre Beschäftigten langfristig gesund und leistungsfähig bleiben.

3. Die Möglichkeit einer flexiblen Anpassung der Arbeitszeiten auf die jeweiligen betrieblichen Erfordernisse trägt zum Erhalt und weiteren Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit und damit auch der Arbeitsplätze bei. Flexiblere Arbeits-zeiten ermöglichen zudem den Beschäftigten durch eine größere Selbst-bestimmung bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeiten Familie, Pflege und Beruf besser miteinander zu vereinbaren. Dieses gilt insbesondere bei mobiler Arbeit oder bei der Arbeit im Homeoffice. Die Interessen von Arbeitgebern und Beschäftigten müssen mit dem Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Beschäftigten in Einklang gebracht werden.

4. Um die Chancen der Digitalisierung in der Arbeitswelt zu nutzen, fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf zur Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes einzubringen.

Mit dem Entwurf sollen die innerhalb der Vorgaben der EU-Richtlinie 2003/88/EG zur Arbeitszeitgestaltung vorhandenen Spielräume besser genutzt werden, indem die Tarifpartner innerhalb dieses Rahmens eigene Regelungen treffen können. Dabei sollen die bisherigen tarifvertraglichen Abweichungsmöglichkeiten des Arbeitszeitgesetzes im Einklang mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie wie folgt angepasst werden:

a. Vereinbarung einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit anstelle der werktäglichen Höchstarbeitszeit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer entsprechend Art. 6 der EU-Arbeitszeit-Richtlinie. Die Höhe der gesetzlichen maximalen Wochenarbeitszeit soll dabei unverändert bleiben. Zugleich sind die in der Richtlinie vorgesehenen Ausgleichszeiten zu gewähren.

b. Vereinbarung einer Verkürzung der vorgeschriebenen Ruhezeit von 11 Stunden zwischen zwei Arbeitstagen entsprechend Art. 18 der EU-Arbeitszeit-Richtlinie. Die Verkürzung ist nur unter der Voraussetzung zulässig, dass die betroffenen Arbeitnehmer gleichwertige Ausgleichs-ruhezeiten oder in Ausnahmefällen, in denen die Gewährung solcher Ausgleichsruhezeiten aus objektiven Gründen nicht möglich ist, einen angemessenen Schutz der Gesundheit und der Sicherheit erhalten.

5. Der Bundesrat ist der Überzeugung, dass es nur durch echte sozialpartnerschaftliche Vereinbarungen gelingen wird, regional- und branchenspezifisch passgenaue Regelungen zu treffen, die den Interessen beider Seiten gerecht werden und dem Schutz der Sicherheit und der Gesundheit hinreichend Rechnung tragen. Daher soll der erweiterte Gestaltungsspielraum nur tarifgebundenen Arbeitgebern vorbehalten sein. Dieser Tarifvorbehalt schafft einen positiven Anreiz zu einer höheren Tarifbindung und gewährleistet, dass nur unabhängige und durchsetzungsstarke, also nach den Kriterien des Bundesarbeitsgerichts tariffähige Gewerkschaften Abweichungen von den gesetzlichen Arbeitnehmerschutzrechten vorsehen können.

6. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die vorgeschlagenen Neuregelungen in der zunehmend digitalisierten Arbeitswelt einen gelungenen Ausgleich zwischen dem Flexibilisierungsinteresse der Arbeitgeber, dem wachsenden Interesse der Arbeitnehmer an Arbeitszeitsouveränität und dem Interesse beider Seiten an der Gesunderhaltung und der Sicherheit der Beschäftigten bilden.

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2 Kommentare

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"Die Höhe der gesetzlichen maximalen Wochenarbeitszeit soll dabei unverändert bleiben."

Also weiterhin 70 Stunden in Branchen mit erlaubter Sonntagsarbeit?

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Eine Erinnerung an den Koalitionsvertrag täte es auch:

"Wir werden über eine Tariföffnungsklausel im Arbeitszeitgesetz Experimentierräume für tarifgebundene Unternehmen schaffen, um eine Öffnung für mehr selbstbestimmte Arbeitszeit der Arbeitnehmer und mehr betriebliche Flexibilität in der zunehmend digitalen Arbeitswelt zu erproben. Auf Grundlage von diesen Tarifverträgen kann dann mittels Betriebsvereinbarungen insbesondere die Höchstarbeitszeit wöchentlich flexibler geregelt werden."

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