4mal hintereinander Doppelbeschilderung 120 km/h auf BAB übersehen: Vorsatzannahme ist rechtsfehlerhaft!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 28.03.2019
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht9|5228 Aufrufe

Amtsrichtern kann man nur raten: Finger weg vom Vorsatz bei OWi-Verurteilungen wegen Geschwindigkeitsverstößen! Ich kann mir vorstellen, dass viele Blogleser weniger Probleme hätten, wenn ein Porschfahrer viermal beidseitig aufgestellte 120er-Schilder ignoriert/übersieht und der Tatrichter meint: "VORSATZ". Dem OLG Bamberg reichte das aber nicht:

 

 

Das AG hat den von der Erscheinenspflicht entbundenen Betr. wegen einer auf einer BAB begangenen vorsätzlichen Überschreitung der außerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 46 km/h (§§ 3 III Nr. 2c, 49 I Nr. 3 StVO) zu einer Geldbuße von 440 Euro verurteilt und gegen ihn gem. §§ 25 I 1 [1. Alt.], 26a StVG i.V.m. § 4 I 1 Nr. 1 BKatV i.V.m. Nr. 11.3.7 der Tab 1c BKat ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet. Nach den Feststellungen befuhr der Betr. am 19.12.2017 um 21.30 Uhr als Führer eines Pkw Porsche auf der BAB A9, wobei er in Höhe der Messstelle die zuvor jeweils durch gut sichtbare beidseitige und viermal wiederholte Beschilderungen auf 120 km/h begrenzte zulässige Höchstgeschwindigkeit erkannte und diese gleichwohl und 46 km/h überschritt, „was er vorhersah und jedenfalls billigend in Kauf nahm“. Hinsichtlich der Beschilderung ließ sich der Betr. über seine Verteidigerin dahin ein, die Beschilderung nicht gesehen zu haben, was das AG als Schutzbehauptung gewertet hat. Vielmehr habe der Betr. „aufgrund der gut sichtbaren viermal hintereinander und jeweils beidseitig angebrachten Höchstgeschwindigkeitsbeschilderung von 120 km/h […] die zulässige Höchstgeschwindigkeit“ gekannt, wofür im Übrigen auch die erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung im Verhältnis zur erlaubten Geschwindigkeit spreche. Jedenfalls sei dem Betr. „die ungefähr gefahrene Geschwindigkeit“ bekannt gewesen, weshalb er mit einer Überschreitung „rechnete und diese billigend in Kauf nahm“. Mit seiner gegen seine Verurteilung gerichteten Rechtsbeschwerde rügt der Betr. die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Rechtsbeschwerde führte zu einer Abänderung der Schuldform und einer Reduzierung des Bußgeldes.

 Gründe: 

 I. 

 Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der statthaften (§ 79 I 1 Nrn. 1 und 2 OWiG) und auch im Übrigen zulässigen Rechtsbeschwerde hat mit Ausnahme der Schuldform und der Höhe der gegen den Betr. festgesetzten Geldbuße keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betr. ergeben (§ 349 II StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG). […]

 II. 

 Demgegenüber konnte der Schuldspruch […] keinen Bestand haben, soweit das AG zu einer Verurteilung wegen vorsätzlicher Tatbestandsverwirklichung gekommen ist.

 1. Maßgeblich für die dem Schuldspruch wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung zugrunde zu legende Schuldform ist nicht die gemessene Tatzeitgeschwindigkeit und das aus dieser resultierende exakte Maß der sog. relativen Geschwindigkeitsüberschreitung, sondern die Überschreitung der am Tatort zulässigen Höchstgeschwindigkeit als solcher (‚schneller als erlaubt‘). Bei einer auf einer Autobahn begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung setzt die Annahme von Tatvorsatz zum einen Kenntnis von der bestehenden Geschwindigkeitsbeschränkung und zum anderen Kenntnis von ihrer Überschreitung voraus.

 2. Zwar nimmt das AG im Ansatz berechtigt und im Einklang mit der obergerichtlichen Rspr. an, dass bei einer deutlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um hier immerhin 38,33% die Annahme von Tatvorsatz nicht als fernliegend anzusehen ist. Auch dürfen die Tatgerichte anlässlich einer Verurteilung wegen Vorsatzes die auf Erfahrung beruhende Wertung, dass ordnungsgemäß aufgestellte, die zulässige Höchstgeschwindigkeit beschränkende Verkehrszeichen von durchschnittlichen Verkehrsteilnehmern bei zumutbarer Aufmerksamkeit anlässlich der Fahrt mindestens durch eine beiläufige Blickerfassung in aller Regel wahrgenommen und als solche auch verstanden werden, regelmäßig zugrunde legen; sie sind insbesondere nicht etwa aufgrund des Zweifelssatzes oder aus anderen Gründen des materiellen Rechts gehalten, zu Gunsten eines Betr. Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte liefert.

 3. Die Möglichkeit, dass der Betr. die eine Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit anordnenden Verkehrszeichen übersehen hat, ist allerdings dann in Rechnung zu stellen, wenn sich hierfür entweder greifbare Anhaltspunkte ergeben oder der Betr. - wie hier und praktisch wichtiger - im Verfahren einwendet, die beschränkenden Vorschriftszeichen übersehen zu haben (st.Rspr.; vgl. neben BGHSt 43, 241 [252] zuletzt u.a. OLG Hamm, Beschluss vom 27.12.2018 - 4 RBs 374/18 [bei juris] und OLG Köln, Beschluss vom 19.10.2018 - 1 RBs 324/18 [bei juris], jeweils m.w.N.). Ist ein solcher Fall gegeben, müssen die tatrichterlichen Feststellungen deshalb selbst bei einer - hier noch nicht gegebenen - massiven Geschwindigkeitsüberschreitung eindeutig und nachvollziehbar ergeben, dass der Betr. die Geschwindigkeitsbeschränkung kannte und entweder bewusst dagegen verstoßen oder aber den Verstoß zumindest billigend in Kauf genommen hat, was auch dann gilt, wenn er den Streckenabschnitt häufig befährt und die Geschwindigkeitsbegrenzung kennt (zu den Darstellungs- und Begründungsanforderungen bei Annahme vorsätzlicher Begehungsweise vgl. u.a. OLG Zweibrücken, Beschl. 14.01.2011 - 1 Ss Bs 37/10 = DAR 2011, 274; OLG Bamberg, Beschluss vom 19.06.2013 - 3 Ss OWi 474/12 = DAR 2014, 37 = VerkMitt. 2014, Nr. 3 = OLGSt StVO § 3 Nr. 19; 26.04.2013 - 2 Ss OWi 349/13 = DAR 2014, 38 = OLGSt StPO § 261 Nr. 21; 20.10.2010 - 3 Ss OWi 1704/10 = DAR 2010, 708 = ZfS 2011, 50 = SVR 2011, 76 = OLGSt StPO § 267 Nr. 23 [für vorsätzliche Nichteinhaltung des Mindestabstandes] und 24.03.2015- 3 Ss OWi 294/15 =OLGSt StVG § 25 Nr 60; vgl. ferner jeweils zur Herleitung des Tatvorsatzes bei ‚erheblicher‘ Geschwindigkeitsüberschreitung: KG, Beschluss vom 25.03.2015 - 162 Ss 4/15 [bei juris]; OLG Celle, Beschluss vom 28.10.2013 - 322 SsRs 280/13 = VerkMitt 2014, Nr 5 = VRS 125 [2013], 178 = NZV 2014, 232 = ZfS 2014, 350 = OLGSt StVO § 3 Nr. 18; OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.06.2014 - 53 Ss-OWi 230/14 = VRS 127 [2014], 41; OLG Koblenz, Beschluss vom 03.08.2018 - 2 OWi 6 Ss Bs 48/18 = NZV 2019, 48 [Ls] und zuletzt KG, Beschluss vom 19.11.2018 - 162 Ss 118/18 [bei juris] sowie OLG Hamm, Beschluss vom 27.12.2018 - 4 RBs 374/18 [bei juris], jew. m.w.N.; zu allem Burhoff in Burhoff [Hrsg.], Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 5. Aufl. [2018], Rn. 2181 ff., insbes. Rn. 2290 ff. m.w.N.).

 4. Diesen Anforderungen werden die Feststellungen und sonstigen Erwägungen des AGs auch bei der gebotenen Gesamtschau der Urteilsgründe und der Wertung des Einwands des Betr., die Beschilderung übersehen zu haben als ‚Schutzbehauptung‘ nicht gerecht, weil sich aus ihnen auch unter Berücksichtigung der festgestellten „gut sichtbaren“ und wiederholten beidseitigen Beschilderung nicht hinreichend tragfähig die Mindestfeststellung ergibt, dass der Betr. mit dem für jedwede Vorsatzform notwendigen kognitiven Vorsatzelement gehandelt hat, so dass auf ein (bedingt) vorsätzliches Handeln nicht allein aus der Höhe der hier auf einer Autobahn festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung geschlossen werden durfte. Die tatrichterlichen Feststellungen belegen und rechtfertigen nach Sachlage vielmehr ‚nur‘ eine Verurteilung wegen fahrlässiger Begehungsweise.

 

OLG Bamberg Beschl. v. 1.3.2019 – 3 Ss OWi 126/19, BeckRS 2019, 3406

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

9 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Unfassbar. Wenn angesichts von vier (!) beidseitig (!!) aufgestellten Schilderpaaren auf einer bekannten Strecke (!!!) der Einwand "hab ich nicht gesehen" ausreichen würde, könnte man den Vorsatz tatsächlich komplett einstampfen. Dann kann ich demnächst aber auch die Geldbuße bei Handyverstößen wegen reiner Fahrlässigkeit auf 50,00 EUR reduzieren, wenn mir der Betroffene vorträgt, er habe gedacht, er habe versehentlich zum Handy statt zum Kühlpad gegriffen, oder bei ähnlich grotesken Einwänden.

Natürlich wäre es, wie vom OLG angedeutet, rechtsfehlerhaft, anzunehmen, die Höhe der Überschreitung alleine indiziere bereits Kenntnis der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Denn genauso gut kann man umgekehrt argumentieren, die Höhe der Überschreitung zeige, dass der Betroffene nicht gewusst habe, er habe so schnell nicht fahren dürfen. Aber die rudimentär mitgeteilten Feststellungen des AG tragen die Vorsatzverurteilung doch auch ohne diese Gedankengang problemlos.

Meines Erachtens wird umgekehrt ein Schuh draus: Wer auf einer ihm bekannten Strecke tatsächlich vier hintereinander aufgestellte Schilderpaare nicht wahrnimmt und die zulässige Höchstgeschwindigkeit derart überschreitet, sollte vielleicht mal insgesamt auf seine Fahreignung hin untersucht werden.

0

@RiAG: Der Einwand "habe ich nicht gesehen" mag wenig glaubhaft erscheinen. Das Amtsgericht wird aber nur schwer Vorsatz annehmen können, wenn es sich keinen persönlichen Eindruck vom Betroffenen und dessen Einwand gemacht hat, weil es ihn vom Erscheinen entbunden hat. Anders wäre dies nur, wenn das Gericht geradezu hellseherische Fähigkeiten hätte und die Gedanken des Betroffenen lesen könnte. Bei manchem Richter (nicht nur in Owi-Sachen) hat man gelegentlich den Eindruck, dass er sich selbst derartige Fähigkeiten zumisst.

0

Das würde im Umkehrschluss bedeuten, dass ich in Fällen, in denen ich vorsätzliche Begehung für möglich halte, niemals von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbinden darf. Das würde riesiges Geschrei nach sich ziehen. Vor allem bei den ganzen Onlinekanzleien, bei denen es zum Geschäftsmodell gehört, dass weder sie, noch ihre Mandanten zu Gericht kommen, sondern immer nur vollkommen desinteressierte Unterbevollmächtigte geschickt werden.

Aber es ist auch inhaltlich falsch. Denn wenn der Betroffene sich nicht einlassen möchte, ist er auf seinen Antrag hin zu entbinden, es sei denn, seine Anwesenheit verspricht auch ohne Einlassung Erfolg, etwa, wenn es um sein Aussehen geht. Und wenn ich als Richter ob der objektiven Umstände davon ausgehe, das vorsätzlich gehandelt wurde (und das kann ich letztlich nur aufgrund objektiver Umstände, denn in den Kopf gucken kann ich den Betroffenen nicht), dann muss der Betroffene eben darlegen, warum das nicht so sein sollte. Wenn er nicht sagt, ist das sein Problem.

Der hier entschiedene Fall lag anders. Hier hat der Betroffene etwas gesagt.

Den Unsinn hinsichtlich der hellseherischen Fähigkeiten brauche ich wohl nicht zu kommentieren, oder?

0

RiAG, Sie haben recht. Andererseits: Die Verfolgung von Geschwindigkeitsverstößen ist im Regelfall nichts als -durch gut überprüfte technische Geräte leichtgemachte-  Abzocke. Die Behauptung, überhöhte Geschwindigkeit sei Hauptunfallursache, hält einer ernsthaften Überprüfung nie und nimmer statt; richtig ist allein, dass bei vielen relevanten Verkehrsverstößen auch zu schnell gefahren wird, etwa bei den hochgefährlichen Überholmanövern mit fast oder tatsächlich Gegenverkehrkontakt.

Insofern: Nicht von der Begründung, aber vom Ergebnis her weist die Entscheidung vielleicht doch in die richtige Richtung.

0

Wer sich als Betroffener in solch einem Fall auf mangelnden Vorsatz (= mangelndes Wissen um die Anordnung der Geschwindigkeitsbeschränkung) beruft, dürfte den Tatbestand des § 3 Abs. 1 StVG erfüllen: entweder mangelnde Eignung, wenn er sich wahrheitswidrig darauf beruft, oder mangelnde Befähigung, wenn er sich wahrheitsgemäß darauf beruft.

0

Als Betroffener, dem dieses Missgeschick (ja, Missgeschick!) selbst einmal widerfahren ist, kann ich hierzu etwas beitragen. Vorneweg: ich bin kein Porschefahrer, sondern Fahrer einer Familienkutsche. Habe Frau und 3 schulpflichtige Kinder daheim. Ich muss als Oberarzt leider weit weg von meiner Familie arbeiten, kann meist nur am Wochenende nach Hause. Und glauben Sie mir, ich möchte auf keinen Fall meinen Führerschein verlieren und meine Familie soll auch nicht wegen Raserei ihren Vater verlieren. Ich hänge sehr an meinen Lieben und auch an meinem Leben.

Zum Fall: Nach einem sehr anstrengenden Nachtdienst, in dem ich u.a. einen schweren Verkehrsunfall zu versorgen hatte, fühlte ich mich am nächsten Morgen dennoch ausreichend fit, gleich die Wochenendheimfahrt anzutreten. Ich war vermutlich noch voller Adrenalin und die ersten 100 km auch noch voll fit. Doch dann kam wohl schleichend die Müdigkeit verbunden mit Unaufmerksamkeit. Und ein Autobahnkreuz bei Schweinfurt, das ich schon hunderte Mal zuvor befahren hatte, entging meiner Aufmerksamkeit. Ich weiß, dort gibt es einen Schildertrichter mit 120-100-80, sehr gut sichtbar, letztlich auch sinnvoll. Aber ich hatte meinen Tempomat mit automatischer Abstandshaltung eingeschaltet, der vorausfahrende PKW hat nicht verlangsamt und ich habe ganz offensichtlich schon einen gewissen Tunnelblick entwickelt und meine Umgebung nicht mehr ausreichend beachtet. So wurden wir beide geblitzt, mit deutlich über 30 km/h zu schnell (statt 80 deutlich über 110). Ich habe die Ursache meines Fehlers sofort erkannt, bin beim nächsten Rastplatz rausgefahren und habe erst mal 2 Stunden Schlaf genommen.

Der Amtsrichter: Wer mehr als 30 km/h zu schnell fährt, der kann nur mit Vorsatz handeln. Meinen Einwand, dass es bei mir wirklich kein Vorsatz war sondern eben Unaufmerksamkeit bedingt durch Übermüdung, die ich zu spät erkannte, ließ er zunächst nicht gelten. Erst mein Einwand, wer denn überhaupt dann in den Genuß der "Nicht-Vorsatz-Strafe" käme, brachte ihn zum Nachdenken. Erst dann ließ er sich von meiner Motivation, dass ich sonst wirklich alles vermeiden würde, was meinen Führerschein gefährden könne, überzeugen.

Und glauben Sie mir: natürlich darf man übermüdet nicht Auto fahren. Aber nach einem Nachtdienst voller Adrenalin erkennen Sie das eben nicht unbedingt.

Im Übrigen sollte man übermüdet nicht nur das Auto meiden, sondern auch den nächsten Tagdienst. Hier interessiert es den Gesetzgeber und die Juristen immer noch nicht, dass wir Ärzte nach anstrengenden Nachtdiensten immer noch im anschließenden Tagdienst verschlissen werden und Patienten gefährden müssen. Da werden dann schon mal vom Arbeitgeber die Zeiten frisiert, OPTOUT-Arbeitsverträge mit 60-Stunden-Woche angeboten und wenn das immer noch nicht langt, dann werden kurze Zeiten zwischen OPs einfach als "Ruhenszeiten" und "Freizeit" deklariert.

0

Im Übrigen sollte man übermüdet nicht nur das Auto meiden, sondern auch den nächsten Tagdienst. Hier interessiert es den Gesetzgeber und die Juristen immer noch nicht, dass wir Ärzte nach anstrengenden Nachtdiensten immer noch im anschließenden Tagdienst verschlissen werden und Patienten gefährden müssen. Da werden dann schon mal vom Arbeitgeber die Zeiten frisiert, OPTOUT-Arbeitsverträge mit 60-Stunden-Woche angeboten und wenn das immer noch nicht langt, dann werden kurze Zeiten zwischen OPs einfach als "Ruhenszeiten" und "Freizeit" deklariert.

Das darf man nicht mitmachen. Wenn man das mitmacht und ein Fehler passiert, haftet man bei wegen Übernahmeverschulden.

natürlich darf man übermüdet nicht Auto fahren. Aber nach einem Nachtdienst voller Adrenalin erkennen Sie das eben nicht unbedingt.

Das mag menschlich verständlich sein, ist aber nicht entschuldbar.

0

Die plausiblen Darlegungen von Oberarzt zeigen letztendlich, wie wichtig der in dubio pro reo-Grundsatz ist. Die voreilige Annahme von Vorsatz allein aufgrund bestimmter Lebenserfahrung würde eben gerade in andersgelagerten Einzelfällen (in denen sich diese Lebenserfahrung (hier z. B. wegen Überarbeitung) nicht bestätigt) zu Lasten der Einzelfallgerechtigkeit gehen.

 

Im Übrigen: Was die Rechtsprechung den Medizinern zumutet geht teilweise an der Realität vorbei. Unterbesetzung in den Krankenhäusern, aber der Arzt soll trotzdem immer topfit agieren. Ähnlich bei Aufklärungspflichten: Dort führen die mE überhöhten Ansprüche der Rechtsprechung dazu, dass die Medizin zur Haftungsvermeidung längst von Fachjuristen erstellte Aufklärungsbögen verwendet. Diese sind mittlerweile so umfangreich, das die wirklich wichtigen Dinge dort in Fettdruck und (!) Farbe hervorgehoben werden, damit man sie in seitenlangen Texten überhaupt noch erkennt. Nichtsdestotrotz sind sie natürlich so überfrachtet, dass „moderne“ (auf Haftungsvermeidung ausgelegte) Aufklärungsbögen für den nicht-medizinischen Laien völlig unverständlich sind.

 

Das nur als Randbemerkungen zum Thema Anspruch und Wirklichkeit im Straßenverkehrs- aber auch im Medizinrecht…

Kommentar hinzufügen