LAG Niedersachsen zu einer Kündigung wegen rechtsextremer Aktivitäten

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 29.03.2019
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|4678 Aufrufe

Außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigt nur unter besonderen Voraussetzungen eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Grundsätzlich unterliegt der Arbeitnehmer in seiner privaten Lebensführung keinerlei Beschränkungen. Anders können die Dinge liegen, wenn der Betriebsfrieden gestört oder der Ruf des Unternehmens beeinträchtigt wird. Auch können Tendenzbetriebe erwarten, dass die Arbeitnehmer nicht aktiv die Tendenz ihres eigenen Unternehmens öffentlich bekämpfen. In diesen Grenzen wird vom Arbeitgeber erwartet, dass er auch ihm unliebsame außerdienstliche Aktivitäten des Arbeitnehmers hinnimmt.

Dies zeigt exemplarisch ein gerade vom LAG Niedersachsen (Urteil vom 21. März 2019 – 13 Sa 371/18, PM vom 22.3.2019) entschiedener Fall, dem folgender Sachverhalt zugrunde liegt: Im Juni 2017 breitete eine Gruppe Männer während des Auftritts einer Sängerin in einer Großraum-Diskothek auf Mallorca eine schwarz-weiß-rote Flagge aus, die einer Reichskriegsflagge nachempfunden war. Auch der seit 1998 bei der Beklagten beschäftigte Kläger befand sich in der Diskothek. Er hat unter seinem Namen ein Facebook-Profil angelegt. Nachdem ihn eine Zeitung über dieses Profil wegen des Vorfalls kontaktiert hatte, forderte der Kläger die Zeitung auf, ihn und die Beklagte nicht namentlich zu nennen. Die Beklagte befragte den Kläger zu dem Vorfall auf Mallorca und stellte ihn anschließend bezahlt von der Arbeit frei. Weitere Fragen, u.a. nach einer Mitgliedschaft bei den sogenannten Hammerskins, beantwortete der Kläger nicht. Mit Zustimmung des Betriebsrats sprach die Beklagte dem Kläger eine außerordentliche fristlose, hilfsweise eine fristgemäße Tat- und Verdachtskündigung aus verhaltens- und personenbedingten Gründen aus.

Der Kläger hat mit seiner Kündigungsschutzklage geltend gemacht, er sei an dem Vorfall nicht beteiligt gewesen und habe sich nur abseits der Gruppe bewegt. Für die Berechtigung der Kündigung komme es nur auf sein Verhalten am Arbeitsplatz an. Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe sich in der Öffentlichkeit mit rechtsradikalem und verfassungswidrigem Verhalten dargestellt. Die Personengruppe habe in der Diskothek auch die Worte „Ausländer raus!“ skandiert. Zahlreiche Medien hätten über das Verhalten des Klägers und seine Zugehörigkeit zur rechtsradikalen Szene berichtet. Schon zuvor habe der Kläger wegen seiner Gesinnung und seines Wirkens für die sog. Hammerskins im medialen Fokus gestanden und auch über den öffentlichen Bereich seines Facebook-Profils fremdenfeindliche Äußerungen geteilt. Da in ihrem Unternehmen Mitarbeiter aus 114 Nationen tätig seien, treffe sie eine besondere Verantwortung, gegen jede Form von Fremdenfeindlichkeit oder rassistischem Gedankengut vorzugehen. Sie habe zudem eine besondere geschichtliche Verantwortung vor dem Hintergrund des Einsatzes von Zwangsarbeitern während der Zeit des Nationalsozialismus. Der Kläger habe sowohl gegen die für alle Beschäftigten verbindlichen Verhaltensgrundsätze als auch gegen die Betriebsvereinbarung zum partnerschaftlichen Verhalten am Arbeitsplatz verstoßen. Mindestens sei das Arbeitsverhältnis im Falle einer Unwirksamkeit der Kündigung gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Mitarbeiter seien aufgrund der Gesinnung des Klägers nicht mehr bereit, mit diesem zusammenzuarbeiten.

Das LAG Niedersachsen bestätigt das klagestattgebende Urteil der Vorinstanz. Die Kündigung sei unwirksam. Es handele sich um ein außerdienstliches Verhalten, das keine Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag verletze; die Beklagte sei kein öffentlicher Arbeitgeber und verfolge auch keine politische Tendenz. Auch lägen keine hinreichenden Gründe vor, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Daher kann der Kläger auch seine Weiterbeschäftigung verlangen; sein Begehren blieb lediglich insoweit erfolglos, als er seine Beschäftigung zu einer bestimmten Zeit, an einem bestimmten Ort und in einem bestimmten Bereich verlangt hat. Dies zu bestimmen, unterliege dem Direktionsrecht der Arbeitgeberin.

 

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