BFH klärt Abziehbarkeit von Zahlungen auf Haftungsschulden bei Insolvenz des Organträgers

von Dr. Julian Böhmer, veröffentlicht am 25.04.2019
Rechtsgebiete: SteuerrechtWirtschaftsrechtInsolvenzrecht1|15095 Aufrufe

Mit Urteil vom 24.10.2018 hat der BFH über die Abziehbarkeit von Zahlungen (ehemaliger) Organgesellschaften auf Steuerschulden des Organträgers entschieden und diese im Ergebnis verneint (Az. I R 78/16).

Im entschiedenen Fall bestand bis zum Jahr 2000 eine Organschaft zwischen der Klägerin als Organgesellschaft und einer später insolvent gewordenen AG als Organträger. Im Jahr 2005 wurden die Anteile an der Organgesellschaft an Dritte veräußert. Im Jahr 2009 wurde über das Vermögen des ehemaligen Organträgers das Insolvenzverfahren eröffnet und das zuständige Finanzamt teilte der ehemaligen Organgesellschaft mit, dass es beabsichtige, die Klägerin als Haftungsschuldnerin nach § 73 AO in Anspruch zu nehmen. Die Klägerin bildete anschließend eine entsprechende Rückstellung. Über die Abziehbarkeit des Aufwands aus der Bildung der Rückstellung wurde in der Folgezeit gestritten.

Nach Auffassung des BFH ist der Aufwand in einem ersten Schritt nicht nach § 10 Nr. 2 KStG wieder hinzuzurechnen. Diese Regelung soll allein Zahlungen auf Steuerschulden, nicht aber auf Haftungsschulden erfassen. Die entsprechende Unterscheidung zwischen Steuer- und Haftungsschuld in der AO sei auch im Rahmen von § 10 Nr. 2 KStG zu berücksichtigen.

Allerdings liegen nach Auffassung des BFH die Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG vor, weshalb der Aufwand außerbilanziell dem Gewinn wieder hinzuzurechnen ist. Zweifelhaft war allein das Merkmal der Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis. Diese erblickt der BFH in dem Abschluss des Gewinnabführungsvertrags, mit dem die Organschaft begründet wird. Zwingende Folge dessen sei das Haftungsrisiko nach § 73 AO. Der Abschluss des Gewinnabführungsvertrags sei stets durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, denn ein fremder Dritter würde sich nicht verpflichten seinen Gewinn vollständig abzuführen und dafür das Risiko der Haftung für Steuerschulden zu übernehmen. Unbeachtlich sei, dass das Organschaftsverhältnis bei Eintritt der Vermögensminderung nicht mehr bestanden habe. Denn dies ändere an der Veranlassung nichts.

Für die Praxis ist die Entscheidung von enormer Bedeutung. Denn sie führt dazu, dass die Organgesellschaft nicht nur zur Zahlung der Haftungsschuld nach § 73 AO verpflichtet wird, sondern zusätzlich auch den entsprechenden Aufwand steuerlich nicht geltend machen kann. Wichtig sind auch die Ausführungen des BFH, dass der Veranlassungszusammenhang durch die Beendigung der Organschaft nicht unterbrochen wird. Dies kann zu lang nachlaufenden Haftungsrisiken führen. Hier wurde die Klägerin für Körperschaftsteuer des Jahres 2000 im Jahr 2009 in Haftung genommen, nachdem ihre Anteile längest an einen anderen Anteilseigner veräußert worden waren. Wichtig ist, in Veräußerungsfällen ausreichende vertragliche Vorsorge zu betreiben. Einer vertraglich vereinbarten Freistellung für Haftungsschulden durch den Veräußerer stehen hier allerdings teilweise erhebliche praktische Hindernisse entgegen. Wenn der veräußernde Organträger selbst die Konzernmutter ist, ist eine Freistellung durch diese selbst, im Insolvenzfall, dem Hauptanwendungsfall von § 73 AO, nichts wert. Wenn es dagegen weitere solvente Konzerngesellschaften gibt, kann eine solche Freistellung wirtschaftlich wertvoll sein.

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1 Kommentar

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Wir alle erfreuen uns ja der intensiven Debatte über sogenannte "Syndikusrechtsanwälte". Angesichts der auch hier offenbar werdenden - doch wohl belehrungsbedürftigen - Risiken etwa bei Abschluss einer Organschaft - wen, welche Gesellschaft und welches Organ bzw. Organmitglied hat der "Syndikusrechtsanwalt" etwa angestellt in der Rechtsabteilung der Konzernspitze jeweils "beraten" ? Wer war "Mandant"?

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