Eigenbedarf und Härtegründe, oder: "Alte Menschen räumt man doch!" (LG München I, 22.3.2019, 14 S 5271/17)

von Dr. Michael Selk, veröffentlicht am 01.05.2019
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtMiet- und WEG-Recht1|3728 Aufrufe

"Alte Menschen räumt man nicht". 

Die Generalität dieser Aussage (unlängst bestätigt vom LG Berlin, Urt. v. 12.3.2019, 67 S 345/18) ist jedenfalls nach Auffassung des LG München I dann nicht zutreffend, wenn der Vermieter einem 88jährigen, schwer herzkranken und seit 45 Jahren in der streitgegenständlichen Wohnung verwurzelten Mieter adäquaten Ersatzwohnraum in unmittelbarer Nähe seiner jetzigen Wohnung anbietet - und dann dieses Angebot auch noch bis zur etwaigen Räumungsvollstreckung aufrechterhält. Besonderes Schmankerl: der Vermieter bietet zudem auch an, die Umzugskosten zu übernehmen.

Bei so viel Entgegenkommen des Vermieters konnte das LG München I nicht Nein sagen und gab der Räumungsklage trotz Vorliegens von Härtegründen gem. § 574 I BGB statt - das Pendel der Abwägung schlage zugunsten des Vermieters aus.

Ein interessanter Ansatz, der Vermietern durchaus Hoffnung machen könnte. Tatsächlich zeigt ein Vermieter, der alles tut, um einen alten Menschen so schonend wie möglich zu räumen, damit umgekehrt eine gewisse Ernsthaftigkeit seines Nutzungswunsches - und Menschlichkeit zudem. Das muss ihm zugute kommen, meinen die Münchener Richter. All dies ändert nichts daran, dass die Ernsthaftigkeit des Nutzungswillens auch in diesen Fällen umfassend geprüft werden muss.

 

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Die LTO-Presseschau:

LG München I zu Eigenbedarfskündigung trotz Härtefall: community.beck.de (Michael Selk) bespricht ein unlängst ergangenes Urteil des Landgerichts München I zur Kündigung eines 88 Jahre alten, schwer herzkranken Mannes, der seit 45 Jahren in der betreffenden Wohnung lebte. Der Vermieter hatte ihm einen adäquaten Ersatzwohnraum in unmittelbarer Nähe und auch die Übernahme der Umzugskosten angeboten. Das Gericht habe aufgrund dieses Entgegenkommens seitens des Vermieters der Räumungsklage trotz Vorliegens von Härtegründen nach § 574 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) stattgegeben.

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