Vollmacht nicht vorgelegt: Zustellung des Bußgeldbescheides nicht ok = Einstellung wegen Verjährung

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 06.05.2019
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|24374 Aufrufe

Die OLGe sind gerne großzügig, was die Annahme einer rechtsgeschäftlichen Zustellungsvollmacht angeht, wenn der Verteidiger keine Vollmachtsurkunde zur Akte gereicht hat. Das LG Kleve dagegen hat - ganz nach meinem Geschmack - die Zügel etwas fester angezogen:

 

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Kleve vom 19.02.2019 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Kleve vom 14.02.2019 wird verworfen.

 Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Landeskasse.

 Gründe: 

 I.

 Der Landrat des Kreises Kleve erließ nach Anhörung mit Schreiben vom 04.06.2018 gegen den Betroffenen am 22.08.2018 einen Bußgeldbescheid über 80,00 Euro zzgl. Gebühren wegen der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften am 05.03.2018. Der Bußgeldbescheid wurde dem Verteidiger des Betroffenen, der mit Schreiben vom 13.06.2018 die anwaltliche Vertretung des Betroffenen angezeigt und die ordnungsgemäße Bevollmächtigung anwaltlich versichert hatte, übersandt. Eine Zustellung des Bußgeldbescheids an den Betroffenen konnte nicht festgestellt werden. Mit Schreiben vom 03.09.2018 sowie vom 10.09.2018 zeigte der Verteidiger erneut die anwaltliche Vertretung an, versicherte die ordnungsgemäße Bevollmächtigung anwaltlich und legte gegen den Bußgeldbescheid vom 22.08.2018, ihm zugegangen am 03.09.2018, Einspruch ein. Mit Schreiben vom 02.11.2018 teilte der Verteidiger des Betroffenen mit, dass der Betroffene die Fahrereigenschaft einräume und der Vorwurf nicht verjährt sei, jedoch Bedenken gegen die Ordnungsgemäßheit der Messung bestünden. Eine Vollmacht legte der Verteidiger nicht vor. Das Amtsgericht Kleve bestimmte Hauptverhandlungstermin auf den 20.03.2019. Der Betroffene konnte nicht ordnungsgemäß zum Termin geladen werden, eine zustellfähige Anschrift des Betroffenen war nicht zu ermitteln.

 Mit Beschluss vom 14.02.2019, der Staatsanwaltschaft Kleve zugestellt am 19.02.2019, stellte das Amtsgericht Kleve das Verfahren nach § 206 a StPO auf Kosten der Staatskasse ein. Die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit sei ausgeschlossen, weil am 04.09.2018 Verfolgungsverjährung eingetreten sei, welche nicht durch Zustellung des Bußgeldbescheids unterbrochen worden sei. Eine Zustellung an den Betroffenen habe nicht erfolgen können. Die Zustellung an den Verteidiger habe nicht zur Unterbrechung der Verjährung geführt, da sie mangels Vorlage einer Vollmacht nicht nach § 51 Abs. 3 S. 1 OWiG wirksam gewesen sei. Letztlich sei dem Verteidiger auch keine rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht erteilt worden.

 Gegen diesen Beschluss legte die Staatsanwaltschaft Kleve am 19.02.2019 sofortige Beschwerde ein. Sie begründete ihre sofortige Beschwerde damit, dass im vorliegenden Fall davon auszugehen sei, dass eine rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht vorgelegen habe. Dies beurteile sich im Einzelfall nach den Gesamtumständen und dem Auftreten des Rechtsanwalts im Verfahren.

 II.

 Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist gemäß § 46 Abs. 1 OWiG, §§ 206 a Abs. 2, 311 StPO zulässig, aber unbegründet.

 Es liegt ein Verfahrenshindernis im Sinne des § 206 a StPO vor, es ist Verfolgungsverjährung nach § 31 OWiG, § 26 Abs. 3 StVG eingetreten.

 Nach § 26 Abs. 3 StVG beträgt die Frist der Verfolgungsverjährung bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG drei Monate, solange wegen der Handlung weder ein Bußgeldbescheid ergangen noch öffentliche Klage erhoben ist, danach sechs Monate.

 Diese Frist ist hinsichtlich der vorliegenden Verkehrsordnungswidrigkeit drei Monate nach Unterbrechung der Verfolgungsverjährung durch Anhörung mit Schreiben vom 04.06.2018 abgelaufen, vgl. § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 OWiG.

 Der Bußgeldbescheid vom 22.08.2018 hat nicht zu einer Unterbrechung der Verfolgungsverjährung nach § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 OWiG geführt, da er nicht binnen zwei Wochen nach Erlass bzw. innerhalb der Verjährungsfrist zugestellt worden ist.

 Eine Zustellung an den Betroffenen selbst ist nicht erfolgt. Auch eine Heilung nach § 51 Abs. 1 S. 1 OWiG, § 8 LZG NRW durch nachweislichem Zugang beim Betroffenen ist nicht eingetreten.

 Letztlich ist auch keine wirksame Zustellung des Bußgeldbescheides an den Verteidiger des Betroffenen erfolgt. Es befand sich keine Urkunde über seine Bevollmächtigung bei den Akten, § 51 Abs. 3 S. 1 OWiG. Zudem bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Verteidiger eine rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht erteilt worden ist. Wie bereits dargetan, befindet sich keine etwas derartiges regelnde Vollmacht bei den Akten. Auch aus der Gesamtheit der erkennbaren Umstände sowie dem Auftreten des Verteidigers im Verfahren ergibt sich nicht das Vorliegen einer rechtsgeschäftlichen Zustellungsvollmacht. Die Schriftsätze des Verteidigers vom 13.06.2018, 03.09.2018 und 10.09.2018 enthalten lediglich eine Vertretungsanzeige sowie eine anwaltliche Versicherung der ordnungsgemäßen Bevollmächtigung. Daraus folgt jedoch nicht eine Bevollmächtigung auch zur Entgegennahme von Zustellungen. Ebenso wenig folgt eine solche aus der Einlassung des Verteidigers für den Betroffenen im Rahmen des Schreibens vom 02.11.2018.

 Der Eingang der Akten beim Amtsgericht Kleve am 25.10.2018 führte nicht zu einer Unterbrechung der Verfolgungsverjährung nach § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 OWiG, da zu diesem Zeitpunkt bereits Verjährung eingetreten war.

LG Kleve Beschl. v. 19.3.2019 – 111 Qs-309 Js-OWi 481/18-7/19, BeckRS 2019, 5118

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