Staatsanwaltschaft fordert im Regensburger Korruptionsprozess 4 Jahre und 6 Monate Freiheitsstrafe - sind die "verrückt geworden"?

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 08.05.2019
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Vier Jahre und sechs Monate fordert die Staatsanwaltschaft für die Hauptangeklagten im Verfahren um die (angebliche) Annahme von Vorteilen durch den Oberbürgermeister der Stadt Regensburg (Regensburg Digital, Mittelbayerische Zeitung kostenpflichtig). Eine Forderung, die in der Höhe viele Beobachter überraschte, denn nicht alle in der Anklage erhobenen Vorwürfe schienen sich in der monatelangen Beweisaufnahme (50 Tage Hauptverhandlung) bestätigt zu haben. Der angeklagte OB äußerte sich gegenüber der Presse (Video-Link) und in einer Videobotschaft dahingehend, die Strafforderung sei „verrückt“, die Staatsanwältinnen führten eine „Jagd- und Vernichtungsfeldzug“ gegen ihn (Facebook-Link).

Die Strafforderung beruht vor allem darauf, dass die Staatsanwaltschaft an ihrer ursprünglichen Anklage, es handele sich bei dem vorgeworfenen Geschehen (teilweise) um Bestechung und Bestechlichkeit im besonders schweren Fall, auch nach der Beweisaufnahme festhält. Unterstellt man die Taten als bewiesen, ist die Forderung, die sich im Wesentlichen aus dem Strafrahmen der §§ 332 I, 334 I, 335 I Nr.1 StGB (ein bis zehn Jahre) und aus der Zusammenfassung mehrerer Einzelstrafen ergibt, durchaus nachvollziehbar. Außerdem kann man diese Strafforderung mit der seit einigen Jahren virulenten „Strenge“ gegenüber Korruptionsdelinquenz in Einklang bringen. Anders als in früheren Zeiten werden, auch angesichts internationaler Vereinbarungen zur Korruptionsbekämpfung, Spezl-Wirtschaft und Klüngel (auch auf kommunaler Ebene) nicht mehr geduldet oder als Kavaliersdelinquenz abgetan.

Allerdings hat das LG Regensburg die Anklage nur mit der rechtlichen Bewertung „Vorteilsannahme/Vorteilsgewährung“ (§§ 331, 333 StGB) zugelassen und es ist nicht erkennbar, dass sich das Gericht an diese rechtliche Wertung nicht mehr gebunden fühlt (§ 264 II StPO). Um nach der Beweisaufnahme nun doch zu einer Verurteilung wegen Bestechlichkeit/Bestechung zu kommen, wäre ein rechtlicher Hinweis (§ 265 I StPO) erforderlich, und dieser käme nun – während der Plädoyer-Phase – doch sehr überraschend und kann nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlung wohl ausgeschlossen werden.

Die verhängten Strafen, sollten die Hauptangeklagten überhaupt verurteilt werden, werden deshalb aller Voraussicht nach jedenfalls deutlich geringer ausfallen, denn der Strafrahmen der §§ 331 I, 333 I StGB (Geldstrafe oder bis zu drei Jahren) liegt deutlich unter dem von der Staatsanwaltschaft herangezogenen. Da es sich um nicht vorbestrafte Angeklagte handelt, braucht man nicht allzu stark zu spekulieren, um je nach Anzahl der Einzeltaten – im Falle einer Verurteilung (!) – eine Bestrafung unterhalb der aussetzungsfähigen Schwelle (zwei Jahre) für realistisch zu halten; sogar Geldstrafen wären nicht ausgeschlossen. Zudem hatte man in der Verhandlung den Eindruck gewonnen, das Gericht werde Fehler im Ermittlungsverfahren (insbes. hinsichtlich der Verschriftlichung der TKÜ), die Untersuchungshaft, möglicherweise sogar die außerprozessuale Belastung der Angeklagten durch Medienberichte sowie die Suspendierung des OB, strafmildernd berücksichtigen.

Aber auch zur Frage, ob überhaupt eine Verurteilung zu erwarten ist, ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, denn jedenfalls aus Perspektive der Verteidigung haben sich die Vorwürfe sämtlich nicht bestätigt, und auch aus der Sicht von regelmäßigen Beobachtern der Hauptverhandlung und der Presseberichterstattung sind zumindest einige der Vorwürfe aus der Anklageschrift nicht überzeugend bestätigt worden.

Somit werden diametral entgegen gesetzte Auffassungen deutlich. Das gilt auch zur zentralen Frage (dazu mein früherer Beck-Blog-Beitrag), ob die im Fokus der Aufmerksamkeit stehenden vielfachen Parteispenden von Verwandten und Mitarbeitern des mitangeklagten Bauunternehmers (vor und nach der Wahl) unterhalb der Transparenzschwelle „legal“ waren oder eine strafrechtlich relevante Umgehung des Parteiengesetzes darstellten. Die Legalität dieser Praxis wird offenbar in dem von der Verteidigung eingebrachten Gutachten meines Münchener Kollegen Saliger behauptet und näher begründet (das Gutachten selbst liegt mir nicht vor). Sollte zutreffen, wie die Verteidigung behauptet, dass ein solches oder ähnliches System von Parteispenden überall in Deutschland üblich sei, dann allerdings würde eine Verurteilung hinsichtlich dieses Tatkomplexes tatsächlich eine Ausstrahlung weit über die Stadt Regensburg hinaus erhalten.

Angesichts der gegensätzlichen Interpretation des Verhaltens der Angeklagten liegt ohnehin die Einlegung einer Revision nahe, unabhängig davon, wie das Urteil ausfällt. Geht es um die Legalität einer in Deutschland verbreiteten Parteispendenpraxis, erhöht sich (wegen der überregionalen Bedeutung) auch die Wahrscheinlichkeit einer Revisionsentscheidung in der Sache. Und in der Revision könnte der BGH sich möglicherweise sogar wieder der Interpretation der Regensburger Staatsanwaltschaft anschließen, es handele sich um Bestechung bzw. Bestechlichkeit.

Update 9.05.2019

Ich bin gefragt worden, ob ich auch eine Antwort auf die in der Überschrift gestellte Frage (Zitat des OB) hätte, konkret: Gibt es eine rationale Erklärung dafür, dass die StA eine hohe Strafforderung auf eine rechtliche Bewertung stützt, die das Gericht offenbar nicht teilt bzw. zu teilen gedenkt? Die Interpretation der Staatsanwaltschaft, die Annahme der hohen Spendengelder (über eine halbe Million Euro) und weiterer Vorteile habe im Zusammenhang nicht nur mit der Dienstausübung des OB  im Allgemeinen (Vorteilsannahme) sondern auch mit konkreten Diensthandlungen (etwa Vergabe eines Bauareals an den Bauunternehmer) gestanden, ist nicht völlig abwegig. Auch wenn diese Interpretation vom Gericht nicht geteilt wird, ist es auch weder rechtswidrig noch irrational, diese Rechtsmeinung auch noch am Ende des Prozesses zu vertreten (ebenso wenig wie es irrational ist, wenn ein Verteidiger auf Freispruch plädiert, wenn seiner vertretbaren Ansicht nach kein strafbares Verhalten vorliegt). Die Frage kann auch - wie am Ende meines Beitrags oben angedeutet - durchaus in einer evtl. von der StA eingelegten Revision eine Rolle spielen. Schließlich könnte der BGH sich ja möglicherweise auch der Rechtsansicht der Staatsanwaltschaft anschließen. Auch das ist keine reine Frage der Taktik, sondern gehört zum Strafprozess, der ja nicht etwa zum Ziel hat, dass am Ende alle Beteiligten übereinstimmen oder mit dem Ergebnis zufrieden sind. Öffentlich geäußerte emotionale Reaktionen gehören (zumindest in diesem Prozess) auch dazu und sind bis zu einem gewissen Grad auch verständlich, wenn auch nicht immer "weise".

 

 

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15 Kommentare

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In Regensburg hat man den Eindruck, als ob die Staatsanwaltschaft sämtliches Herzblut in diesen Fall fließen lassen würde, der solches Aufhebens wirklich nicht verdient hat, was schon die beschränkte Eröffnung des Hauptverfahrens zeigt und was sich bisher auch nicht weiter verfestigt hat. Und bloß, um einmal zu zeigen, wo in Regensburg der Bartel den Most holt, ist dieser Fall auch nicht wirklich geeignet.

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Es ergab sich die Gelegenheit, ab 10 Uhr im Gerichtssaal anwesend zu sein und die beiden Staatsanwältinnen in ihren Ausführungen zu hören. Es gab nur einen freien Platz, der dann in der ersten Reihe war, direkkt in der Nähe des Angeklagten Hartl, neben dem Lautsprecher. Nahm die Gelegenheit wahr, als Bürger Gehörtes sofort in ein Notebook einzutippen. Während Staatsanwältin Wild vom Papier ablas, sprach Staatsanwältin Ernstberger frei.

Es wurde eingetippt, Oberbürrgermeister Wolbers war "Spiritus Rector".
Eine halbe Stunde später, Unternehmer Tretzel war "Spiritus Rector".

Habe das Gericht auf diesen Vorgang aufmerksam gemacht (in Kopie an Medien).
Zufällig trafen sich vor Wochen Strafverteidiger in Regensburg, forderten die Video- bzw. Audioaufzeichnung der Hauptverhandlung. Aus meiner Erfahrung mit dem Mollath-Verfahren, da ich fast an allen Tagen anwesend war und den zwei Tagen Anwesenheit im Wolbergs-Verfahren im Zusammenhang der Berichterstattung: ohne stenographischen Mitschnitt, wie ihn Anwalt Strate im Mollath-Verfahren durchführen ließ, können solche Vorgänge wie mit "Spiritus Rector" unter Umständen der Wirtschaftskammer und den Anwälten, den Angeklagten "entschwinden", weil einfach das Verfahren mit seiner Wortvielfalt niemals ohne genaue Aufzeichnung dann mehr nachvollziehbar ist. Mein persönlicher Eindruck: beide Staatsanwältinnen ließen eine emotionale Distanz in ihrem Vortrag vermissen.

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Herrn Strates Mitschreiber konnten noch nicht einmal den Namen des Staatsanwalts Pfaller richtig schreiben, obwohl der mit Meindl den Wiederaufnahmeantrag der StA mitverfasst hat. Soviel zur Zuverlässigkeit (wenn man die Protokolle liest und die verstümmelten Sätze glaubt man auch nicht, dass es wirkliche Wortprotokolle sind...)

Bei der Aufzeichnung geht es auch nicht darum, zu dokumentieren, was die STA im Plädoyer sagt, sondern zB was die Zeugen und Sachverständigen sagen.

Die Verhandlungsführung in R ist ohnehin, wenn man den Prozessberichten glauben kann, sehr angeklagtenfreundlich, da darf ständig dazwischengequatscht werden und nach dem Plädoyer der StA ergreift Herr Witting das Wort zu einem Statement, das wohl eher eine Pressererklärung vorwegnehmen soll, statt dass man ihm sagt, er kann gerne dann sein Plädoyer halten, wenn er damit dran ist.

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...und nach dem Plädoyer der StA ergreift Herr Witting das Wort zu einem Statement, das wohl eher eine Pressererklärung vorwegnehmen soll, statt dass man ihm sagt, er kann gerne dann sein Plädoyer halten, wenn er damit dran ist.

Seit wann erhält die Verteidigung nach dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft das Wort zu einem "Zwischen-" oder "Vorplädoyer" vor Ihrem eigentlichen Plädoyer? Im § 258 StPO steht davon nichts. Oder war das schon das Plädoyer der Verteidigung?

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Hier der entsprechende Auszug aus dem verfahrensbegleitenden "News-Blog" der Mittelbayerischen Zeitung.  
Witting möchte einen kurzen Satz sagen. Es gibt noch ein juristische Hin und Her. Der Anwalt meint, dass es gelungen sei, einen medialen Aufschlag zu machen. Er wirft der Staatsanwaltschaft vor, sich an entscheidenden und fundamentalen Punkten nicht mit entlastenden Beweisen auseinandergesetzt zu haben. Die Emotionen müssen jetzt runter, meint Escher. Sie schließe nun die Sitzung. Es geht weiter am 20. Mai 2019 mit dem Plädoyer von Peter Witting.

Ein ganzes "Plädoyer vor dem Plädoyer" ist dieser Satz wohl nicht.  Aber dieser kleine Auszug ist schon eine Illustration des Verfahrensgeschehens im Miniformat.

Die LTO-Presseschau:

LG Regensburg – Korruptionsprozess: Im Strafverfahren um die angebliche Annahme von Vorteilen durch den Oberbürgermeister der Stadt Regensburg hat die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten beantragt. community.beck.de (Henning Ernst Müller) führt jedoch aus, dass selbst bei einer Verurteilung die Strafe wohl deutlich geringer ausfallen würde. Die beantragte Strafhöhe resultiere aus der ursprünglichen Anklage wegen Bestechung und Bestechlichkeit im besonders schweren Fall, obwohl das Gericht die Anklage nur mit der rechtlichen Bewertung als Vorteilsannahme bzw. Vorteilsgewährung zugelassen habe.

Ich finde, dass es ganz offensichtlich ist, dass die StA das prozessuale und mediale Verhalten des OB abstrafen will. Das ist gängige Vorgehensweise bei bayerischen Staatsanwaltschaften. Wer den Mund nicht hält, sondern aufmuckt, bekommt eins drauf. In einem Rechtsstaat muss es möglich sein, sich zu verteidigen. Im Kampf um das Recht und gerade als Angeklagter muss es möglich sein, sich umfassend zu verteiigen, ohne dadurch Nachteile zu haben.,

@ Henning Müller:

ihrer rhetorischen Frage, ob das Verhalten des OB "weise" ist, entnehme ich auch, dass Sie eher zu der "Kuscher-Fraktion" gehören, die von einem Angeklagten abverlangt, "heulend" im Eck zu sitzen. Ein derartiges Rollenverständnis mag in Bayern vorherrschend sein, in der Bundesrepupublik Deutschland bundesweit sicherlich nicht. Vielleicht wissen Sie auch, dass zwischenzeiltich beim EuGH endlich mal ein Verfahren gelandet ist, wo explizit die Objektivität der bayerischen Staatsanwaltschaften angezweifelt wird. Es wurde Zeit, denn richterliche Unabhängigkeit gibt es in Bayern nicht

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Sehr geehrter Gast,

Sie schreiben:

Im Kampf um das Recht und gerade als Angeklagter muss es möglich sein, sich umfassend zu verteiigen, ohne dadurch Nachteile zu haben.

Das ist selbstverständlich so und wird von mir doppelt unterstrichen.

ihrer rhetorischen Frage, ob das Verhalten des OB "weise" ist, entnehme ich auch, dass Sie eher zu der "Kuscher-Fraktion" gehören, die von einem Angeklagten abverlangt, "heulend" im Eck zu sitzen

Nein, im Gegenteil. Sie haben mich verkürzt zitiert, denn ich habe gar nicht auf das Verteidigungsverhalten insgesamt abgestellt, sondern auf die (durchaus zT verständlichen) emotionalen Reaktionen, die "nicht immer weise" seien. Damit meinte ich v.a. persönliche Angriffe auf das staatsanwaltliche Personal. Rechtlich sind solche Angriffe für den Prozessausgang  irrelevant und sie stellen deshalb m.E. auch keine "weise" Verteidigung dar.

Dass ich keineswegs zur "Kuscher-Fraktion" gehöre, sollten meine kritischen Stellungnahmen zur bayerischen, speziell auch zur Regensburger, Justiz und zur Staatsregierung in der Vergangenheit wohl hinreichend gezeigt haben. Das können Sie alles hier im Blog nachlesen.

Können Sie mir einen Link zum EuGH-Verfahren senden, in dem die Objektivität der bayerischen Staatsanwaltschaften angezweifelt bzw. zur Debatte steht? Danke!

Mit bestem Gruß

Henning Ernst Müller

 

Im Augenblick geht es vor dem EuGH nicht nur um die "Objektivität der bayerischen Staatsanwaltschaften", sondern um die Unabhängigkeit der deutschen Justiz überhaupt und insgesamt, vgl. hier bei LTO:

Die "nationale Verfassungslage", so der Beschluss [des vorlegenden VG], gewährleiste "nur die funktionale richterliche Unabhängigkeit, nicht aber eine institutionelle Unabhängigkeit der Gerichte".

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Sehr geehrter "Gast" (sind Sie überhaupt derselbe "Gast"?),

oben hieß es, es gebe ein EuGH-Verfahren, das "explizit" die Objektivität bayerischen Staatsanwaltschaften zum Gegenstand habe. Das habe ich bisher nicht finden können, deshalb meine Bitte um einen Link.

Andere EuGH-Verfahren, z.B. das von Ihnen genannte, bei dem es um die funktionale Unabhängigkeit der Richter/Gerichte in Deutschland geht, und ein anderes, in dem es um den Europäischen Haftbefehl geht, sind mir bekannt. Diese beiden sind sehr interessant, aber passen nicht so recht zum Thema "Bayerische Staatsanwaltschaft". Danke trotzdem.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Sehr geehrter "Gast" (sind Sie überhaupt derselbe "Gast"?),

Nein. Ich bin ein anderer der vielen Gäste dieses gastfreundlichen Hauses.

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Es ist nicht ungewöhnlich, dass Staatsanwälte, die viel Energie für ein Verfahren aufgewendet haben, sich am Ende dann als quasi "sich damit identifizierend" darstellen, indem hohe, i.E. oft zu hohe Strafmaßanträge gestellt werden. Ich habe es in zwei Wirtschaftsstrafverfahren (in einem ging es auch um die §§ 331ff StGB), in denen ich verteidigte, selbst erlebt. Herausgekommen ist dann deutlich weniger... aber letztlich ist es, sofern nicht unvertretbar, ja das Recht der StA, auch Normen als verwirklicht anzusehen, die dann nicht zur Verurteilung gelangen. Letztlich finde ich nichts was ich las wirklich besonders bemerkenswert.... abgesehen von den Reaktionen darauf. :-)

Die LTO-Presseschau:

LG Regensburg – Prozess um Oberbürgermeister: Im Prozess gegen den suspendierten Oberbürgermeister von Regensburg, Joachim Wolbergs, hat sein Verteidiger auf Freispruch plädiert. Dies berichtet die SZ (Andreas Glas). Wolbergs wird vorgeworfen, sich gegen Zahlungen eines Bauunternehmers dafür eingesetzt zu haben, dass die Stadt ein lukratives Baugrundstück an dessen Unternehmen verkaufe. Wolbergs habe mit dieser Vergabeentscheidung jedoch nichts zu tun gehabt, so sein Verteidiger. 

Dazu muss man allerdings sagen, dass das Plädoyer der Verteidgigung des OB (Montag von 9 bis 18 Uhr, allerdings mit Pausen) noch nicht beendet ist, sondern am Donnerstag fortgeführt wird. Zum zentralen Vorwurf der Vorteilsannahme ist bisher nicht ausdrücklich plädiert worden.

Ausführlich live berichtet die MZ im Newsblog

Gute Zusammenfassung bei Regensburg Digital

 

Ich würde einem ähnlichen Erklärungsmuster wie Dr. Selk oben anhängen, das aber sogar noch weiter ausweiten:

 

Nach meiner Einschätzung spielen bei den Strafmaßanträgen der StA häufig „außerjuristische“ Aspekte eine Rolle. Dr. Selk nennt den Fall, dass der Staatsanwalt sich sehr (zu sehr würde ich sagen) mit dem Verfahren identifiziert. Weitere Gründe können sein, dass der StA etwa bei einem von ihm als zu milde empfundenen Richter einen „Abschlag“ von seinem Antrag einkalkuliert und daher bewusst „überhöht“. Auch das Bedürfnis nicht als „zu lascher“ Staatsanwalt wahrgenommen zu werden kann eine Rolle spielen. Mir ist etwa ein Fall bekannt, in dem die Anklagevertretung vor der Urteilsverkündung erfuhr, dass der Richter beabsichtigte trotz „Bagatellstraftat“ eine Strafe ohne Bewährung zu verhängen (da Wiederholungstäter). Daraufhin erwog die StA, ihren Antrag (bisher mit Bewährung intendiert) dem „anzupassen“ um im Nachhinein nicht als zu „lasch“ dazustehen.

 

Kritisch sehen muss man das freilich alles schon, denn zwar hat das Gericht und folglich auch die Staatsanwaltschaft einen Spielraum bei der konkreten Ausfüllung des Strafrahmens im Einzelfall, aber dieser ist eben unter Anwendung des zwingenden Gesetzesrechts der §§ 46 ff. StGB und nicht durch außerjuristische Erwägungen auszufüllen!

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